Hamburg. Der Politikstil von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) ist betont unaufgeregt - wohl das Richtige in diesen Zeiten.

Eine gewisse Schnörkellosigkeit gehört zu ihren Markenzeichen. Dazu zählt für Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), nicht viel Aufhebens von ihrer Person zu machen. Zwei Tage nach der Bürgerschaftswahl am 23. Februar kündigte sie im Gespräch mit dem Abendblatt an, dem neuen Senat nicht mehr angehören zu wollen. „Ich beende meine berufliche und politische Laufbahn“, sagte Prüfer-Storcks. Das klang ziemlich lakonisch. Ausschlaggebend seien ausschließlich private Gründe, sie werde nun bald 64 Jahre alt, ihr Mann sei vor einem Jahr auch in den Ruhestand gegangen. Beide wollten sie sich noch einmal neu orientieren. Reisen? Vielleicht. Ende der Durchsage.

Es ist bekanntlich anders gekommen. Gut zwei Monate später ist die Sozialdemokratin nicht nur noch immer im Amt, sie ist präsenter als je zuvor. Neben Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist Prüfer-Storcks als fachlich zuständige Senatorin das politische Gesicht der Corona-Krise in Hamburg. Wenn sie in der Landespressekonferenz im Kaisersaal des Rathauses die aktuellen Zahlen, Daten und Fakten zur Entwicklung der Pandemie vorträgt, dann kann ihr nüchtern-sachlicher Tonfall durchaus beruhigend und vertrauensbildend wirken. Für die Stadt ist es dabei ein Glücksfall, dass mit Prüfer-Storcks eine derart erfahrene und kompetente Fachpolitikerin, die den hiesigen und bundesweiten Gesundheitsbetrieb und die maßgeblichen Akteure nach neun Amtsjahren genau kennt, in den hektisch-chaotischen Corona-Wochen Verantwortung trägt.

Ein anerkennendes Lob kommt in gebotener Schmallippigkeit auch von der Opposition. Prüfer-Storcks sei „besonnen, sehr gewissenhaft und hochkompetent“, sagt CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Allerdings seien andere Senatoren in der Kommunikation mit der Opposition „besser unterwegs“.

Prüfer-Storcks stellte sich der Herausforderung

Dass Prüfer-Storcks angesichts der größten Herausforderung ihrer Amtszeit an Bord bleibt, stand für sie von Anfang an außer Frage. „Ich habe schon ein starkes Pflichtbewusstsein. Vielleicht kann man es hanseatisches Pflichtbewusstsein nennen“, sagt die gebürtige Essenerin im Gespräch mit dem Abendblatt. So ist es auch keine Überraschung, dass ihr Geburtstag am Freitag eine eher nebensächliche Angelegenheit war. „Der findet fast nicht statt. Normalerweise wären wir heute schön in ein Restaurant essen gegangen. Das ist jedoch aktuell nicht möglich. Jetzt suche ich noch ein Restaurant, das uns heute Abend etwas liefert“, sagt Prüfer-Storcks.

„Ich bleibe so lange im Amt, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt ist“, kündigte sie zu Beginn der Krise an. Der Satz gilt nach wie vor, auch wenn der Start der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen wegen der Corona-Krise um mehrere Wochen verschoben wurde und der neue Senat nun wohl erst kurz vor den Sommerferien gewählt wird. Wenn alles glatt läuft.

Senatorin erklärt Corona-Zahlen der Kliniken

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    Die politischen Koordinaten haben sich in Zeiten der Pandemie verschoben. Es gibt zulasten von Bürgerschaft und besonders der Opposition ein extrem starkes Übergewicht des Senats, der mit Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen regiert. Diese plötzliche Macht, sagt Prüfer-Storcks, „ist nichts, was ich mir gewünscht hätte oder genießen würde“. Macht ist für Sozialdemokraten fast immer ein schwieriger Begriff. „Aber wir haben eine große Verantwortung. Wir greifen mit unseren Maßnahmen und Rechtsverordnungen in das Leben der Menschen ein. Das mache ich nicht leichten Herzens“, sagt sie. „Besonders die Einschnitte, die die Kitas, Schulen und Pflegeheime betrafen, aber auch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind mir sehr nahe gegangen.“

    Selbstbewusstes Auftreten gegenüber dem Bund

    Gut zwei Monate Krisenmanagement liegen hinter ihr. „Das Ergebnis bestätigt uns darin, das wir es bis dato richtig gemacht haben“, sagt Prüfer-Storcks. Es gebe jedoch einen Punkt, der sie ärgere. „Die Ansage des Bundes im März, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern zu verbieten, haben wir seinerzeit übernommen, weil der Druck bundesweit so groß war. Aber hieß das, bis 999 Teilnehmern seien Veranstaltungen unbedenklich? Die Grenze schien mir willkürlich“, sagt die Senatorin. „Die Halbwertszeit dieser Ansage war denn auch nur eine Woche. Dann wurden alle Veranstaltungen verboten. Diese Schleife hätten wir uns sparen können.“

    Ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber dem Bund ist Teil ihres Selbstverständnisses als Senatorin. Stets hat sie zum Beispiel auf die begrenzte Aussagekraft der Zahl der Neuinfektionen für Entscheidungen über Lockerungen der Beschränkungen oder weitere Einschnitte hingewiesen. Doch nun haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der 16 Länder auf genau eine solche Kennziffer als Obergrenze geeinigt: Wenn innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner regis­triert werden, sollen Lockerungen zurückgenommen werden. „Mit der Kennziffer als einer Art Frühindikator für einen dynamischen Verlauf kann ich leben. Grundsätzlich gilt natürlich, dass die Zahl der Neuinfektionen letztlich auch davon abhängig ist, wie viel getestet wird“, sagt Prüfer-Storcks. Soll wohl heißen: Wirklich geeignet ist das Instrument nicht.

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      Wer immer ihr nachfolgt, tritt in große Fußstapfen. Hamburg verliert mit der gelernten Journalistin eine der bundesweit profiliertesten Gesundheitspolitikerinnen. Nicht zufällig galt Prüfer-Storcks nach der Bundestagswahl 2017 bei den quälenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD als eine Aspirantin für den Posten der Bundesgesundheitsministerin, der dann letztlich an die CDU und Jens Spahn ging.

      Prüfer-Storcks will noch ein Signal setzen

      Ein Signal will Prüfer-Storcks auf jeden Fall noch setzen. Wenn sich SPD und Grüne am 22. Mai in den Koalitionsverhandlungen mit dem Kapitel Gesundheit beschäftigen, wird sie mit am Tisch sitzen und will für ihr Ressort möglichst viel herausholen. Die Corona-Krise gibt ihr Rückenwind, selten stand die Gesundheitspolitik stärker im Blick. Und ihre Schwerpunkte sind klar: „Das öffentliche Gesundheitswesen stärken, das muss auch am Personal ablesbar sein. Die Verknüpfung von sozialer Lage und Gesundheit verstärkt angehen, insbesondere bei Kindern. Mehr Pflegepersonal, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung für Pflegekräfte.“

      Eigentlich liefert die Herausforderung, die die Pandemie auch für die politisch Handelnden bedeutet, das perfekte Argument dafür, dass die Gesundheitsbehörde eigenständig bleiben muss, also einen „eigenen“ Senator oder „eigene“ Senatorin behält. Doch die internen Debatten der Koalitionäre in spe weisen in eine andere Richtung. Die Gesundheitsbehörde ist in die Verschiebemasse der Ressorts geraten. Wenn die Wirtschafts- und Verkehrsbehörde aufgeteilt wird, damit ein Grüner künftig über Straßen und Bahnen „herrschen“ kann, dann könnte die Gesundheit einer Behörde zugeschlagen werden, um nicht die Gesamtzahl erhöhen zu müssen. Schon in der Vergangenheit war das etwa in Kombination mit der Sozialbehörde der Fall.

      „Für mich ist wichtig, dass deutlich wird, dass die Gesundheit große Herausforderungen an den Präses stellt. Entsprechend sollte man mit Bedacht den Ressortschnitt wählen“, sagt Prüfer-Storcks nur und legt sich nicht fest. Damit erschwert sie Bürgermeister Tschentscher nicht die Entscheidung, denn ihr Wort als Expertin hat Gewicht. Loyalität ist eben auch ein Markenzeichen von Cornelia Prüfer-Storcks.

      Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

      • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
      • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
      • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
      • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
      • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden