Hamburg. Schulkinder sind beim Fernunterricht benachteiligt. Initiativen fordern in offenem Brief flächendeckende Ausstattung.

Schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die in Flüchtlingsunterkünften leben, sind seit der Schließung der Schulen vor zwei Monaten wegen der Corona-Pandemie in einem wesentlichen Punkt benachteiligt: Viele der rund 3700 Schülerinnen und Schüler sind von der digitalen Kommunikation abgeschnitten, die zentraler Bestandteil des Fernunterrichts ist.

Laut der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Carola Ensslen haben 76 der 121 Unterkünfte keinen kostenfreien WLAN-Anschluss – das sind 62 Prozent. Nur an 27 Standorten (24 Prozent) gibt es WLAN, allerdings in der Regel nur an einem Punkt der Unterkunft, was die Nutzung durch Schulkinder angesichts der coronabedingten Abstandsregeln erschwert oder unmöglich macht. Laut Senat ist die WLAN-Ausstattung in 15 Unterkünften derzeit „im Aufbau“.

„Missstände umgehend beseitigen"

In einem offenen Brief an Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Schulsenator Ties Rabe (SPD) fordern Vertreter von mehr als 40 Flüchtlingsinitiativen, Verbänden und Kirchengemeinden sowie 70 ehrenamtliche Helfer, „die Missstände umgehend zu beseitigen und ausreichende digitale Teilhabe in allen öffentlich-rechtlichen Unterkünften zu ermöglichen“. Das bereits seit Jahren kritisierte Fehlen von WLAN wirke sich „durch die Corona-Einschränkungen noch nachteiliger als bisher auf die Bewohner und Bewohnerinnen aus“.

Zu den Unterzeichnern des Briefs zählen das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen, der Flüchtlingsrat Hamburg, der Verein Fluchtpunkt, das Netzwerk HafenCity und der Runde Tisch Blankenese. „Die Versäumnisse von Entscheidungsträgern gefährden die bisherigen Integrationserfolge vieler Zugewanderter, verschärfen die Isolation, blockieren den Zugang zu Bildung und Beratung und treffen somit die Schwächsten ohne eigene Stimme“, heißt es im Brief.

Unterschiedliche technische Voraussetzungen

Vor welche Probleme Familien in den Unterkünften beim Fernunterricht stehen, schildert die ehrenamtliche Helferin Andrea Herzog. „Die von mir betreute Mutter zweier Grundschulkinder war verzweifelt und wollte zu einer U-Bahn-Station gehen, um dort mit ihren Kindern von der Schule per E-Mail gesendete, in den Unterricht eingebaute Videos und Apps anzusehen bzw. herunterzuladen“, erzählt Herzog.

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat Post von Flüchtlingsinitiativen erhalten.
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat Post von Flüchtlingsinitiativen erhalten. © Roland Magunia

Das für die Unterkünfte zuständige städtische Unternehmen „Fördern & Wohnen“ will bis Anfang 2021 weitere 76 Unterkünfte mit WLAN ausstatten. In drei „Paketen“ sollen die Standorte, die zum Teil sehr unterschiedliche technische Voraussetzungen haben, angeschlossen werden.

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„Die Stadt hat entschieden, die Standorte der öffentlichen Unterbringung mit WLAN-Zugängen auszustatten, die es erlauben, an mindestens einem zugänglichen Ort je Standort via WLAN ins Internet zu gelangen. Es handelt sich also um eine Notversorgung mit WLAN, etwa um E-Mails zu erhalten oder abzuschicken“, heißt es in einer Information von „Fördern & Wohnen“ von Anfang April.

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    Den pädagogischen Erfordernissen des Fernunterrichts dürfte damit kaum Rechnung getragen werden können, zumal die zentralen WLAN-Stellen derzeit gesperrt sind. Immerhin: Kinder aus Flüchtlingsunterkünften können die Notbetreuung in Schulen in Anspruch nehmen. Auch für Flüchtlingskinder in einigen der Vorbereitungsklassen gibt es seit dieser Woche wieder einige Stunden Präsenzunterricht.

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden