Hamburg. Seit Beginn der Corona-Pandemie bemühen sich besonders viele Hamburger um eine Parzelle. Ein paar ganz neue Flächen gibt es tatsächlich.

Man muss viel Geduld mitbringen, wenn man sich dieser Tage mit dem Gedanken an einen Kleingarten trägt. „So etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt Dirk Sielmann, Geschäftsführer des Landesbundes der Gartenfreunde in Hamburg e. V.: „Jeden Tag kommen mehr Anfragen – per Mail und per Post.“ Die Nachfrage sei schon in den vergangenen Jahren hoch gewesen, doch noch nie so wie jetzt.

Gärtnern liegt schon länger im Trend, aber die Corona-Pandemie hat bei vielen Hamburgern den Wunsch nach einem eigenen Fleckchen Grün mächtiger werden lassen, schließlich verfügen viele nicht über einen Balkon oder den Luxus eines eigenen Gartens. Und in Zeiten des Lockdown und der Kontaktbeschränkungen verschafft eine Kleingartenparzelle nicht nur etwas Bewegung durch die Gartenarbeit, sondern ermöglicht auch den Aufenthalt an der frischen Luft – und auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Distanz zu anderen ist problemlos möglich.

Wer in den Bezirken Altona oder Eimsbüttel lebt, werde derzeit nur schwer eine freie Parzelle in der Nähe finden, sagt Sielmann, zu dessen Verein in Hamburg etwa 33.000 Parzellen in 311 Vereinen gehören. „In Altona liegt die Wartezeit bei drei bis fünf Jahren“, dämpft der Geschäftsführer allzu große Erwartungen. Die Nachfrage sei außerdem im Bezirk Nord sehr groß. Also in jenen Stadtteilen, in denen durch große Neubauprojekte stark nachverdichtet wurde und Parzellen im Zuge des Wohnungsbaus weichen mussten, wie beispielsweise im Pergolenviertel oder am Tarpenbeker Ufer.

 Nachfrage nach Kleingärten in den Städten ist enorm hoch

Die Ersatzflächen, die geschaffen wurden und werden, sind üblicherweise kleiner, was nicht immer ein Nachteil sein muss. Kaum noch jemand wolle eine bis zu 1000 Quadratmeter große Parzelle bewirtschaften, sagt Sielmann. Im Schnitt hätten Kleingärten in Hamburg heutzutage eine Größe von etwa 400 Quadratmetern, es gebe aber auch jene mit nur 250 Quadratmetern und eben auch die großen.

Wer einen Kleingarten bewirtschaftet, muss Obst und Gemüse anbauen und auch zu Gemeinschaftsarbeiten  bereit sein.
Wer einen Kleingarten bewirtschaftet, muss Obst und Gemüse anbauen und auch zu Gemeinschaftsarbeiten bereit sein. © picture alliance | Unbekannt

Eine weitere Vereinigung der Kleingärtner ist die Bahn-Landwirtschaft Bezirk Hamburg e. V., die 3300 Parzellen verwaltet – vorwiegend in der Nähe von Bahngleisen, Gleisdreiecken etc. Insgesamt verwaltet der Hamburger Verein von Flensburg bis Göttingen sogar 8000 Kleingärten. „Die Nachfrage in den Städten, auch in Hamburg, ist enorm hoch“, sagt Geschäftsführer Matthias Albrecht. Anders sei es auf dem Land, wo viele Menschen eigene Gärten hätten.

Vorschlagsrecht bei der Vergabe

Interessenten für einen Kleingarten füllen einen Bewerberbogen aus und „wir gucken, ob wir was frei haben“, sagt Albrecht. „Früher hatte der Schrankenwärter seinen Garten direkt neben der Schranke“, sagt der Geschäftsführer der Bahn-Landwirtschaft über die Historie der Organisation. Heute müsse man kein Mitarbeiter der Bahn mehr sein, nur 35 Prozent seien noch Betriebsangehörige. Es gebe aber bei der Vergabe auch ein Vorschlagsrecht, beispielsweise wenn ein Sohn die Parzelle seiner Eltern übernehmen wolle. Besonders beliebt seien die Standorte in Blankenese und Groß Borstel. Wenn Grundstücke weitergegeben werden, stelle ein Wertermittler den Zustand von Laube und Parzelle fest, „die Zahlung geht dann über unseren Verband“, sagt Albrecht.

Beim Landesbund der Gartenfreunde werden die Wartelisten nach Angaben von Geschäftsführer Sielmann von den einzelnen Kleingartenvereinen direkt geführt. „Sie laden Interessenten zu einem Gespräch ein“, sagt Sielmann. Die Bewerber müssten ja Obst und Gemüse anbauen und sich auch zu Gemeinschaftsarbeiten bereit erklären, „es geht ja nicht um eine Grillstation“. Sobald eine Parzelle frei werde, würden die Interessenten auf der Warteliste der Reihe nach angerufen.

Viele bewirtschaften lieber kleinere Parzellen

Sielmann spricht von einem Generationswechsel, der sich in vielen Vereinen derzeit vollziehe. „Alte Pächter, die 30, 40 Jahre drauf waren, müssen ihre Parzelle altersbedingt räumen, junge Familien mit Kindern, aber auch junge Rentner folgen nach.“ Und denen seien 300 Quadratmeter in der Regel groß genug. Deshalb nähmen viele Vereine die Gelegenheit wahr, große Parzellen zu teilen. „Große Gärten im Bestand können natürlich bis zum Ende genutzt werden“, stellt Sielmann klar.

Werde in so einem Verein die technische Infrastruktur, also Strom- und Wasserleitungen, saniert, dann bereite man große Parzellen aber häufig schon für eine spätere Teilung vor. „Und dann entscheidet sich mancher doch, einen Teil seines Gartens abzugeben“, so Sielmann. An der Hagenbeckstraße im KGV 302 beispielsweise seien durch Nachverdichtung jüngst 28 neue Parzellen entstanden. Bis 150 Bewerber habe man notiert, danach habe man die Liste geschlossen.

Das Thema Nachverdichtung sei man bei der Bahn-Landwirtschaft noch nicht so angegangen, er sei aber durchaus für kleinere Parzellen, denn „die Leute wollen heute ein bisschen mehr Erholung“, sagt Geschäftsführer Al­brecht. Bei der Bahn-Landwirtschaft seien es neben jungen Familien auch viele Flüchtlinge, die sich um einen Kleingarten bemühten.

Einkommen spielt keine Rolle

Grundsätzlich hat jeder eine Chance, irgendwann den Zuschlag für einen Kleingarten zu bekommen, denn das Einkommen spielt bei der Vergabe keine Rolle. Die Pacht für ein etwa 300 Qua­dratmeter großes Grundstück liegt laut Sielmann bei 90 Euro pro Jahr. Rechne man die Kosten der Vereinsmitgliedschaft (65 Euro) sowie für Strom und Wasser dazu, sei man bei etwa 250 bis 300 Euro pro Jahr, sagt Sielmann. Ein Kleingarten sei eine soziale Einrichtung, das könne sich jeder leisten, sagt der Geschäftsführer. Sein Tipp: man sollte sich Kleingärten in der Region ansehen und dort direkt vorstellig werden und nachfragen. Und Interessenten sollten sich nicht nur auf eine bestimmte Anlage konzentrieren.

Beide Vereine appellieren an die Stadt und an Bauträger, bei Bauprojekten auch an Kleingärten zu denken. „Oberbillwerder beispielsweise wäre ideal“, meint Matthias Albrecht. Aber auch dieses Großprojekt ist ja noch Zukunftsmusik. Ähnlich verhält es sich mit dem Schnelsener Deckel. Laut Kay Becker, Sprecher des Bezirks Eimsbüttel, sollen die Bauarbeiten dafür im Mai oder Juni 2020 beginnen.

Freie Parzellen

  • Bezirk Bergedorf:  KGV „Rothenhauschaussee“ e. V. -614-, Lage: Rothenhauschaussee – derzeit sind neue Parzellen zu vergeben. KGV Gartenfreunde „Eichbaumsee“ e. V. -631-, Lage: Mittlerer Landweg – in diesem Verein sind neue Parzellen voraussichtlich ab Anfang Juni verfügbar.
  • Bezirk Altona: KGV „Vereinigung der Gartenfreunde Groß-Altona“ e. V. -222-, Lage: Vorhornweg – derzeit sind dort neue Parzellen zu vergeben. 
  • Bezirk Mitte: 53 freie Parzellen in Wilhelmsburg verfügbar – noch ohne Vereinszugehörigkeit (der Verein muss noch gegründet werden). Lage: Niedergeorgswerder Deich (siehe dazu auch Infos unter: https://www.gartenfreunde-hh.de/aktuelles/news/).
  • Es ist bei allen oben angegebenen Parzellen zu bedenken, dass es sich um neu angelegte Parzellen handelt. Es handelt sich um naturbelassene Flächen, auf denen erst noch ein Garten angelegt und eine Laube aufgestellt werden muss. Es müsse daher eine große Portion Pioniergeist und Energie von den zukünftigen Pächterinnen und Pächtern investiert werden, sagt Dirk Sielmann.
  • Interessenten können sich per Mail und unter Angabe des Vereins, in dem sie eine Parzelle pachten möchten, beim Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V. unter der E-Mail-Adresse info@gartenfreunde-hh.de. Die Anfragen werden dann an die entsprechenden Vereine weitergeleitet.
  • Weitere Infos unter www.gartenfreunde-hh-de und www.blw-aktuell.de.