Hamburg. Regierungserklärung von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Schuldenbremse vorübergehend außer Kraft.

Der Große Festsaal des Rathauses mit seiner kassettierten Decke, den Kronleuchtern und den großformatigen historischen Wandbildern ist eigentlich den feierlichen Anlässen der Stadtrepublik vorbehalten: Hier wird die Matthiae-Mahlzeit einmal im Jahr begangen, hier gibt es zahllose Empfänge.

Doch feierlich war den Abgeordneten vermutlich nicht zumute, die am Mittwoch hier zusammenkamen. Die Coronapandemie zwang die Parlamentarier, vom Plenarsaal in den Festsaal auszuweichen – eine Premiere. Nur in dem 720 Quadratmeter großen Raum ließ sich der Infektionsschutz-Abstand von zwei Metern zwischen den Sitzplätzen einhalten – und auch das nur, weil sich die Fraktionen darauf verständigt hatten­, dass nur gut die Hälfte der 123 Abgeordneten an der Sitzung teilnahmen.

Tschentscher: Hamburg wegen Corona im Ausnahmezustand

Auf dem behelfsmäßigen Podium saß direkt neben Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), auch das ein Novum. Legislative und Exekutive sind im Plenarsaal deutlich voneinander getrennt. Wieder waren keine Zuschauer zugelassen, nur wenige Journalisten verfolgten die Debatten.

Mit einer Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters wurde das Coronavirus erstmals ausführlich Thema des Parlaments. „Hamburg befindet sich im Ausnahmezustand. Die Lage ist ernst“, sagte Tschentscher, und diese beiden kurzen Sätze waren dann das Leitmotiv der zweieinhalbstündigen Debatte.

Dramatische Bilder aus Italien

„Die dramatischen Bilder aus Italien und anderen Ländern mahnen uns: Der Schutz von Leben und Gesundheit muss bei unserem Handeln an oberster Stelle stehen“, sagte Tschentscher. „Wir müssen verhindern, dass zu viele Menschen gleichzeitig schwer erkranken und dann in unseren Krankenhäusern nicht mehr ausreichend behandelt werden können“, umriss der Bürgermeister die aktuelle Strategie.

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„Die jetzt verordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen Freiheit richten sich fundamental gegen unser Selbstverständnis und die Art und Weise, wie wir in Hamburg leben“, so Tschentscher, der die Hamburger lobte, weil sie sich verantwortungsvoll verhielten. Tschentscher dankte den Menschen, die im Gesundheitswesen, in Alten- und Pflegeheimen, bei Polizei und Feuerwehr sowie in den Branchen, die für das tägliche Leben nötig sind, im Einsatz sind. „Hamburg funktioniert auch in der Krise.“

Arbeitsplätze erhalten

Weil die „drastischen Maßnahmen“ in der Geschichte der Stadt „ohne Beispiel“ seien, müsse auch alles getan werden, „damit unsere Bürgerinnen und Bürger abgesichert sind, dass Arbeitsplätze erhalten und Insolvenzen verhindert werden“. Er forderte die Menschen zu Geduld auf. „Wann der Zeitpunkt gekommen ist, dass wir die in den letzten Wochen getroffenen Maßnahmen schrittweise wieder aufheben, kann derzeit keiner vorhersagen. Bei aller Unsicherheit über die kommenden Wochen und Monate bin ich überzeugt, dass wir diese Krise gemeinsam gut überstehen können, wenn wir weiter zusammenhalten“, sagte Tschentscher.

„In dieser für Hamburg wahrscheinlich größten Krise seit der Sturmflut 1962 war für uns sofort klar, dass jetzt nicht die Zeit für politischen Parteienstreit ist“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering, der die Coronapolitik des Senats ausdrücklich lobte und sich bei Tschentscher bedankte. „Es ist unser aller Verantwortung, die Beschlüsse und deren Umsetzung mitzutragen und zu unterstützen. Das tut die CDU-Fraktion nach allen Kräften“, sagte Thering.

Dem Beispiel Bayerns folgen

Der CDU-Politiker schlug vor, dem Beispiel Bayerns zu folgen, das den Mitarbeitern von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen freie Verpflegung während der Coronakrise gewährt. „Das sollten wir auch tun. Das wäre ein wichtiges Signal des Danks“, sagte Thering.

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„Unsere Leitlinie ist: Wir werden niemanden hängen lassen! Weder die kleinen und mittelständischen Betriebe noch die Obdachlosen oder die von Gewalt bedrohten Frauen“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks, der eine Debatte darüber anmahnte, „wie wir bestmöglich aus dieser Situation wieder herauskommen“. Bund und Länder seien in der Pflicht, bis zum 20. April dazu eine Strategie vorzulegen.

1,5 Milliarden Euro an Krediten

„Solidarität ist das Gebot der Stunde. Besonders mit Menschen, die diese Krise hart trifft. Gesundheitlich, finanziell und persönlich“, sagte Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir. Die Coronakrise drohe die soziale Spaltung in der Stadt zu verschärfen. Deutliche Kritik kam von AfD-Fraktionschef Alexander Wolf, der dem Senat vorwarf, am Beginn der Krise zu zögerlich agiert zu haben. So habe es keine konsequente Testung für Menschen gegeben, die aus Risikogebieten wie China oder Iran einreisten. Wolf kritisierte „sozialistische Eingriffe des Staates unter dem Deckmantel Corona“.

Informationen zum Coronavirus:

Die Bürgerschaft beschloss einstimmig, dass Hamburg zur Bewältigung der finanziellen Folgen der Coronakrise in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 bis zu 1,5 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen und damit die Schuldenbremse vorübergehend außer Kraft setzen darf. Die Abgeordneten aller sechs Fraktionen stimmten zwei Anträgen des rot-grünen Senats zu, wonach die Coronapandemie zu einer „Naturkatastrophe“ im Sinne des Artikels 72 der Verfassung erklärt wird und der Senat mithilfe eines „Covid-19-Notsituationsgesetzes“ neue Schulden aufnehmen darf sowie außerdem der Kreditrahmen der Hamburgischen Investitions- und Förderbank erhöht werden kann. Finanzsenator An­dreas Dressel (SPD) betonte, die Schuldenbremse werde keinesfalls abgeschafft. Von 2025 an sollen die Coronakredite über einen Zeitraum von 20 Jahren zurückgezahlt werden.