Hamburg. Senator Ties Rabe will wegen der Pandemie Ausweich- und Nachschreibtermine anbieten. Finden Prüfungen in den Ferien statt?
Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat sich mit seiner Linie, die Abiturprüfungen trotz der Coronavirus-Pandemie wie geplant durchzuführen, auf Bundesebene durchgesetzt. Der gemeinsame Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom Mittwoch sieht vor, dass die schriftlichen Abiturprüfungen „zum geplanten, bzw. zu einem Nachholtermin bis Ende des Schuljahres“ stattfinden sollen, allerdings mit der Einschränkung, „dass dies aus Infektionsschutzgründen zulässig ist“. Mit anderen Worten: Sollte sich die Bedrohung durch die Pandemie deutlich verschärfen, könnten die Prüfungen doch noch abgesagt werden.
Wie derzeit in Hessen könnten die Klausuren auch dann geschrieben werden, so Rabe, wenn der Schulbetrieb ruhe, was in Hamburg mindestens bis zum 19. April der Fall sein wird. Die ersten Abi-Klausuren sollen in der Hansestadt bereits am 16. April geschrieben werden. „Mit den klaren Vorgaben haben unsere Schülerinnen und Schüler jetzt größtmögliche Sicherheit, soweit es die besondere Situation zulässt“, sagte Rabe.
Abiturprüfungen: massive Kollegenkritik für Prien
Die Lage war auf Bundesebene zuletzt widersprüchlich. Während Bayern und Baden-Württemberg eine Verschiebung der Prüfungstermine angekündigt hatten und Hessen sowie Rheinland-Pfalz schon prüfen, hatte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) vorgeschlagen, die Abiprüfungen in diesem Jahr ganz abzusagen. Doch davon ist nun keine Rede mehr. Nach Informationen des Abendblatts wurde Prien von den anderen Kultusministern wegen ihres Alleingangs massiv kritisiert. Schleswig-Holstein will die Abiturienten 2020 nun auch prüfen.
Prien war mit ihrer Position nicht allein: Eine von Hamburger Abiturienten gestartete Onlinepetition mit dem gleichen Ziel fand innerhalb kurzer Zeit weit mehr als 100.000 Unterstützer. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Philologenverband sprachen sich ebenfalls für einen Verzicht und die ausschließliche Wertung der bisher erbrachten Leistungen für die Abitur-Gesamtnote aus.
Rabe: Abitur ohne Prüfung zweitklassig
Rabe dagegen betonte, dass die Durchführung der Prüfungen auch im Interesse der Schüler sei. „Es mag kurzfristig attraktiv scheinen, das Abiturzeugnis auch ohne Prüfungen zu bekommen. Langfristig bedeutet es aber für alle Schülerinnen und Schüler, dass sie mit dem Makel leben müssten, nur ein Abitur zweiter Klasse erreicht zu haben“, sagte der SPD-Politiker. Es sei darüber hinaus nicht zu garantieren, dass ein eingeschränktes Abiturzeugnis überall in Deutschland und Europa genauso wie ein reguläres Zeugnis anerkannt würde.
Doch es gab auch massive Kritik an der KMK-Entscheidung. „Ich bin sprachlos angesichts solch geballter Verantwortungslosigkeit“, sagte Sabine Boeddinghaus, schulpolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion. „In einer der schwersten Krisen unserer Gesellschaft, wo alle Experten von einer Verschlimmerung für die nächsten Wochen ausgehen, wo Schulen am Rande des Nervenzusammenbruchs stehen, bleiben die obersten Hüter des deutschen Bildungsbürgertums beim ,business as usual‘“, sagte Boeddinghaus.
Abiturprüfung in den Maiferien?
„Ich begrüße die heutige Einigung der KMK sehr. Im Sinne der Chancen- und Leistungsgerechtigkeit müssen die Prüfungen gegebenenfalls verschoben statt abgesagt werden“, sagte dagegen die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver und stellte sich damit gegen ihre Parteifreundin Karin Prien. „Vorschnelle Vorstöße einzelner Bundesländer sind nicht hilfreich“, so Stöver. Die vermeintlich einfache Lösung einer kompletten Absage sämtlicher Prüfungen könne nur die Ultima Ratio sein und sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen. Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sprach von einer „sehr vernünftigen Entscheidung der Kultusministerkonferenz“.
Rabe kündigte an, bis Anfang nächster Woche konkrete Planungen für die Prüfungen vorzulegen. Dazu zählt, dass neben den regulären Klausurterminen und den Nachholterminen eine „dritte Terminschiene“ eingezogen wird, damit die Schüler genügend Vorbereitungszeit haben. Dafür wird es nötig sein, dass Hamburg eigene Prüfungsaufgaben entwickelt und sich nicht nur aus dem bundesweiten Aufgabenpool bedient. Überlegt wird, auch in den Maiferien Prüfungen stattfinden zu lassen. „Wir werden die besondere Situation berücksichtigen und den Schülerinnen und Schülern deshalb weit entgegenkommen“, sagte Rabe.