Ischgl. 15 Mitarbeiter eines Lokals angesteckt. Tirol und Salzburg beenden Saison. Hamburger kehren aus dem Urlaub zurück.
Sie hatte sich monatelang auf ihren Urlaub in Ischgl gefreut, hatte gemeinsam mit einem Freund ein Zimmer in einem Wellnesshotel gebucht. Am vergangenen Sonnabend war Maren Merten (Name geändert) in der Hochburg des österreichischen Skitourismus angekommen. Am Sonntag und Montag feierte sie mit ihren rund 20 Hamburger Bekannten, die sie vor Ort getroffen hatte – in einer der bekannten Après-Skibars, „Schatzi“, nicht ahnend, dass die volle Bar „Kitzloch“ direkt gegenüber zu dem Zeitpunkt am Montagmorgen, dem 9. März, schon 15 nachgewiesene coronainfizierte Mitarbeiter zu verzeichnen hatte.
„Ich erfuhr erst davon am Montagabend über unsere WhatsApp-Gruppe, dass alles von einem Barkeeper im Kitzloch ausging und auch dass die Après-Ski-Lokale ab Dienstag geschlossen haben. Aber sonst lief der Skibetrieb fast normal, die Almhütten waren offen. Im Hotel gab es keine Warnhinweise. Ich fand das sehr irritierend“, sagt die 50-Jährige.
Ischgl ist Hotspot des Coronavirus' in Tirol
Maren Merten fuhr vorzeitig ab – und ist seit gestern in Absprache mit ihrem Arbeitgeber in heimischer Quarantäne. Ab Sonnabend rollt die Reisewelle zurück aus den österreichischen Skigebieten, doch schon jetzt sind einige infizierte Hamburger dem Skiort zuzuordnen. „Es ist derzeit eine dynamische Entwicklung, wir ermitteln die Personen, zu denen die Infizierten Kontakt hatten, und sind im Austausch mit den Behörden in Tirol“, sagt Dennis Krämer, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde. Hamburg hat gegenüber dem Bund dringend um Prüfung gebeten, ob die Region als Risikogebiet eingestuft werden muss.
Denn Ischgl ist derzeit der Hotspot der mit Corona infizierten Fälle in Tirol. „Es gibt etwa 25 gemeldete Erkrankte vor Ort“, schätzt Andreas Steibl, Geschäftsführer der Tourismuszentrale in Ischgl. Doch die Zahlen verändern sich täglich, zuletzt gab es 89 bestätigte Fälle in Tirol. Ab Sonnabend ist das Skigebiet bis zum Saisonende geschlossen, das erste in Österreich, dann reisen die derzeit 13.000 Touristen, darunter viele Hamburger, mit dem Auto, aber vor allem auch mit Bussen, Bahnen und dem Flugzeug über Innsbruck ab. Trotz des Ansteckungsrisikos sah Steibl keine Notwendigkeit, schon vorher den Ski- und Hüttenbetrieb einzustellen.
„Wir können doch nicht einfach alles sofort schließen. Aber wir lassen weniger Menschen in die Gondeln und Restaurants“, sagt er. Er schätzt, dass in den nächsten Tagen weitere Skigebiete in Tirol schließen werden – es gebe jetzt auch gemeldete Fälle im benachbarten St. Anton (Arlberg).
Coronavirus: Diese Länder und Orte gelten laut RKI als Risikogebiete:
- Italien
- Iran
- In China: Provinz Hubei (inkl. Stadt Wuhan)
- In Südkorea: Provinz Gyeongsangbuk-do (Nord-Gyeongsang)
- In Frankreich: Region Grand Est (diese Region enthält Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne)
- In Deutschland besonders betroffen: Landkreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen)
Coronavirus verbreitet sich in Après-Ski-Lokalen
Alle rückreisenden Bahnfahrer aus Serfaus-Fiss-Ladis und St. Anton werden dann am Sonnabend am Bahnhof Landeck und später gemeinsam aus Innsbruck zurück in den Norden fahren. „Man spielte den Fall hier in Österreich eine Zeit lang herunter und hat wertvolle Zeit verloren“, kritisiert der Tiroler Virologe Robert Zangerle in der Zeitung „Der Standard“. Für Zangerle steht außer Zweifel, dass es vor allem die Après-Ski-Lokale waren, die für die Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 ideale Bedingungen boten. „Après-Ski ist eine Virenschleuder“, sagte er.
Der Hausarzt Stefan Arndt (Name verändert) ist auch sehr irritiert über die „inkonsequente und halbherzige Handhabe in Ischgl. Bei so einem Fall müsste man meiner Meinung nach rigoros sein, alles sofort schließen und überlegen, ob man die Leute vor Ort ähnlich wie in Teneriffa kaserniert. Aber sie jetzt einfach unvermittelt alle an einem Tag mit Flugzeugen und der Bahn in ihre Heimatstädte zu schicken, finde ich seltsam.“ Der Landarzt ist selbst in Quarantäne, weil ein Patient sich am Montagabend von ihm untersuchen ließ. „Er hatte eine Bronchitis und Fieber, ich habe ihn abgehorcht. Er kam gerade ein paar Tage zuvor aus Ischgl, das war nicht als Risikogebiet bekannt“, sagt Arndt.
Der Patient habe am nächsten Tag selber darauf hingewiesen, dass es vermehrt Fälle in Ischgl gibt. Der Abstrich, „den ich in Schutzkleidung vor der Praxis abgenommen habe“, war positiv, Arndt und seine Praxismitarbeiter hätten ein negatives Resultat. „Aber da ich direkten Kontakt zu dem Patienten hatte, sind meine Familie und ich nun in häuslicher Quarantäne“, sagt der Mediziner.
Coronavirus: Das müssen Sie über Fachbegriffe wissen
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