Hamburg. Wie die norddeutschen Anbieter ihre Gäste vor einer Coronavirus-Ansteckung schützen wollen – und wie man die Reise stornieren kann.

Nimmt man die Entwicklung der Aktienkurse als Stimmungs­barometer, dann dürfte der Kreuzfahrtbranche ein rabenschwarzes Jahr bevorstehen: Carnival Cruises, Weltmarktführer und Mutterkonzern der Rostocker und Hamburger Reederei Aida Cruises, hat an der Börse seit Anfang Januar um etwa 50 Prozent an Wert verloren, ebenso wie die Konkurrenten Royal Caribbean und Norwegian Cruise Line.

Denn das Coronavirus erschwert den Reedereien ganz unmittelbar ihr Geschäft. „Aktuell verschärfen immer mehr Häfen weltweit ihre Einreisebestimmungen“, heißt es von dem Hamburger Anbieter TUI Cruises, an dem Royal Caribbean beteiligt ist: „Dies erfolgt teilweise sehr kurzfristig und ohne objektiv nachvollziehbare Gründe und führt vereinzelt dazu, dass Kreuzfahrtschiffe nicht mehr anlegen dürfen.“

Als Hauptsitz oder Deutschland-Standort mehrerer Kreuzfahrtreedereien und mit bisher geplanten rund 210 Schiffsanläufen hat Hamburg große Bedeutung in der Branche. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Auswirkungen der Coronavirus-Krise.

Was tun die Reedereien gegen das Ansteckungsrisiko auf dem Schiff?

Zwar hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfohlen, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern abzusagen – und manche der weltweit rund 280 Kreuzfahrtschiffe sind für mehr als 5000 Passagiere ausgelegt. Man könne dabei aber nicht die gleichen Maßstäbe anlegen, sagt Godja Sönnichsen, Sprecherin von TUI Cruises. „Bei Kreuzfahrten handelt es sich nicht um Massenveranstaltungen“, so Sönnichsen. „Anders als bei Massenveranstaltungen oder Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln stehen wir schon vor Reisebeginn in Kontakt zu unseren Gästen.“

TUI Cruises verpflichte Gäste und Besatzung, vor Reiseantritt einen Gesundheitsfragebogen auszufüllen: „So können wir sicherstellen, dass Gäste, die innerhalb der letzten 30 Tage selbst in den aktuell betroffenen Regionen waren oder einen engen Kontakt zu Menschen aus diesen Regionen hatten, gar nicht erst an Bord kommen.“ Dies geht über die 14-Tage-Frist hinaus, die der internationale Branchenverband Clia für seine Mitgliedsfirmen festgelegt hat.

Das Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd Cruises, Betreiber der Fünf-Sterne-plus-Schiffe „Europa“ und „Europa 2“, fragt ebenfalls nach Kontakten in den vergangenen 30 Tagen und versieht seine Schiffe mit Wärmebild­kameras. Sie messen die Körpertemperatur aller Personen, die an Bord kommen wollen. Gäste mit Symptomen wie Fieber oder Husten würden „vor dem Boarding einem Gesundheitscheck unterzogen“, sagt Kathrin Heitmann, Sprecherin von Aida Cruises.

Das US-Außenministerium geht jedenfalls von einem erhöhten Ansteckungsrisiko aus und warnte am Sonntag: „US-Bürger, besonders Reisende mit Vorerkrankungen, sollten nicht mit Kreuzfahrtschiffen reisen.“

Gibt es bisher Coronavirus-Fälle auf Schiffen der Hamburger Anbieter?

Die „Mein Schiff“-Flotte von TUI Cruises ist nach Angaben des Unternehmens bisher „ohne jeglichen Verdacht einer akuten Erkrankung an Bord“ unterwegs. Auch bei Hapag-Lloyd Cruises ist nach Firmenangaben bislang kein solcher Fall aufgetreten. Wegen eines Coronavirus-Verdachts bei zwei Passagieren hatte die

„Aida Aura“, die am 29. Februar von Hamburg aus zu einer Norwegen-Reise aufgebrochen war, die Fahrt unterbrechen müssen. Nachdem die Testergebnisse negativ ausfielen, konnte das Schiff die Reise aber fortsetzen.

Von TUI Cruises hieß es darüber hinaus, man sorge „für einen unwahrscheinlichen Verdachtsfall“ vor: Die Flotte werde mit Mini-Laborgeräten ausgestattet, die in den Bordhospitälern einen Schnelltest innerhalb von nur 60 Minuten ermöglichen.

Wie stark beeinflusst das Virus die Reiseprogramme?

In asiatischen Gewässern und auch in der Karibik kam es in den vergangenen Wochen bei mehreren ausländischen Reedereien zu regelrechten Irrfahrten ihrer Schiffe, weil ihnen von mehreren Häfen nacheinander das Einlaufen verweigert wurde. Zudem wurden Passagierschiffe unter Quarantäne gestellt.

Die „Aidavita“ und die „Aidabella“ haben wegen zunehmender Reiseeinschränkungen die Asien-Saison, die regulär noch bis April gedauert hätte, vorzeitig beendet. TUI Cruises brach eine Reise der „Mein Schiff 6“ am Montag im thailändischen Hafen Laem Chabang ab und beendete damit ebenfalls früher als geplant die Asien-Saison.

Bei Hapag-Lloyd Cruises verlaufen die Fahrten bisher zwar „größtenteils“ nach Plan. Drei für Ende März vorgesehene Reisen mit der „Europa 2“ sahen aber Stopps in italienischen Häfen vor. Dies ändere man nun: „Stattdessen laufen wir zum Beispiel Menorca an.“

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Erleichtern die Reedereien jetzt Stornierungen oder Umbuchungen?

Dies richtet sich bei Aida Cruises nach den offiziellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes – und die betreffen derzeit ausschließlich China, darüber hinaus wird von „nicht erforderlichen“ Reisen nach Italien abgeraten. TUI Cruises verhält sich entsprechend und sieht keinen Anlass für eine Veränderung der Stornierungspraxis für neue Buchungen. In höherpreisigen Buchungsklassen besteht bei TUI Cruises und Aida die Möglichkeit, bis 50 beziehungsweise 60 Tage vor Reiseantritt gebührenfrei umzubuchen. Anders ist es bei Costa Kreuzfahrten, der Hamburger Deutschland-Tochter des italienischen Konzerns Costa Crociere. Alle Neubuchungen für Reisen bis zum 30. April können bis einen Tag vor deren Beginn kostenlos storniert werden, unabhängig vom gewählten Tarif.

Sinkt die Zahl der Schiffsanläufe im Hamburger Hafen?

Nachdem im Jahr 2019 an den drei Hamburger Kreuzfahrtterminals 210 Schiffsanläufe und knapp 810.000 Passagiere gezählt wurden, waren für 2020 ebenfalls rund 210 Anläufe vorgesehen. Bisher habe sich an diesem Plan keine Änderung ergeben, teilte der Terminalbetreiber Cruise Gate Hamburg auf Abendblatt-Anfrage mit.

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Wächst der Markt trotz des Virus auch in diesem Jahr?

Noch gegen Ende Februar war Helge Grammerstorf, Deutschland-Direktor des Branchenverbands Clia, von einer Fortsetzung des Marktwachstums auch in diesem Jahr ausgegangen. Am Dienstag hieß es von dem Verband jedoch: „Die Lage ist im Moment zu dynamisch, um eine belastbare Aussage zur kurzfristigen Entwicklung treffen zu können.“