Hamburg. Der Hamburger Wissenschaftler Knut Haase über E-Bikes, Flugtaxis und autonomes Fahren – und warum vieles für Tempo 30 spricht.
Prof. Dr. Knut Haase leitet das Institut für Verkehrswirtschaft in der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Universität Hamburg. Er schildert im Interview, wie der Verkehr der Zukunft aussehen muss.
Abendblatt: Welche Rolle spielen alternative Fortbewegungsmittel in der Mobilität der Zukunft wie zum Beispiel E-Roller, Fahrrad, Carsharing? Und wie lange muss ich noch auf mein Flugtaxi warten?
Prof. Dr. Knut Haase: Da möchte ich erst mal auf die anderen Dinge eingehen. Das ist eine persönliche und keine wissenschaftlich fundierte Meinung. Die Zahl der Menschen, die so etwas wie E-Bikes „fancy“ finden, werden immer mehr. Die Mobilität steigt, und man ist heutzutage eher bereit, längere Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dadurch sinkt automatisch der Autoverkehr. Bei den E-Rollern kommt es auf die Nachfrage an. Die Unfallstatistik wird ebenfalls eine Rolle spielen. Die Strategie, den Fahrradfahrern mehr Raum einzuräumen, zum Beispiel durch Fahrradstraßen, gefällt mir. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen und verursacht weniger Lärm.
… und das Flugtaxi?
Haase: Das hängt von der Lärmbelastung ab. Natürlich auch von der Sicherheit, aber gehen wir mal davon aus, die werden zugelassen und sind sicher. In einer Stadt wie Hamburg, die keine hohen Wolkenkratzer hat und deshalb keine Start-und Lande-Plätze in Hunderten Meter Höhe anbieten kann, ist es eher schwierig.
Eine Möglichkeit wäre es, wenn man Landeplätze außerhalb der Wohngebiete schafft. Dann könnte man so ein Flugtaxi mit anderen Verkehrsmitteln kombinieren. Zum Beispiel eine Kombination aus Flugtaxi und Schnellzug. Es gibt bereits viele Unternehmen, die da richtig investierten. Das bedeutet, da ist auch eine gewisse Erwartungshaltung. Es ist aber trotzdem schwer abzuschätzen. Die Frage der politischen Durchsetzbarkeit ist eine andere.
Ist das Auto ein Auslaufmodell?
Haase: Im ländlichen Raum kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Die Zulassungszahlen in Deutschland gehen auch nicht dramatisch herunter. Die SUVs verkaufen sich sehr gut. Es bereichert das Leben und ist auch Hobby. Das kostet nicht wenig und macht vielen Menschen Freude. Im innerstädtischen Bereich ist es zu einem gesellschaftlichen Lernprozess gekommen. Man setzt da mehr auf Carsharing und E-Autos. Das wird sich wohl immer mehr durchsetzen.
Welche Rolle spielt die „Stadt“ dabei?
Haase: Die Stadt entscheidet mit, indem sie beispielsweise Parkplätze für E-Autos oder Carsharing-Autos reserviert oder nicht. Wenn Parkplätze mehrheitlich für E-Autos reserviert sind, holt man sich eher ein E-Auto oder benutzt Carsharing. Individuen entscheiden sich immer in Abhängigkeit von Zeit und Kosten (value of traveltime). Die Zahlungsbereitschaft für Zeitersparnis ist sehr hoch. Individuen möchten schnell sein und sind auch bereit, dafür mehr zu zahlen. Deswegen fahren ja viele Menschen Auto. Wenn man das Auto von der Straße haben möchte, kann man das Fortbewegungsmittel Auto langsamer machen. Dadurch steigt die Attraktivität anderer Fortbewegungsmittel. Oder man macht andere Fortbewegungsmöglichkeiten schneller, zum Beispiel indem man mehr schnelle Zugverbindungen schafft. Wenn diese schneller sind als ein Auto (Abhängigkeit von Zeit und Kosten), zieht das ebenfalls Autos aus dem Straßenverkehr. Darüber hinaus würden schnelle Zugverbindungen zwischen Stadt und Umland Wohnraum schaffen, denn dadurch würden viele Menschen sich vorstellen können, weiter weg zu wohnen, wenn sie schnelle Verbindungen in die Stadt hätten.
Welche Rolle spielt das autonome Fahren beim Verkehrssystem der Zukunft?
Haase: Ich gehe davon aus, dass sich das autonome Fahren durchsetzen wird. Diese Autos können den Verkehr besser ordnen und sicherer machen, da sie kommunizieren. Wenn beispielsweise ein Unfall geschehen ist und es sich staut, können diese Autos automatisch die nächst beste Route fahren. Die Autos würden sich so umleiten, dass nicht alle Autos die gleiche Ausweichstrecken nehmen, damit nicht wieder der nächste Stau entsteht. Auf diese Weise würden die Autos weniger Energie verbrauchen, da Stau Energie verbraucht. Zudem würde Energie dadurch gespart werden können, dass autonom fahrende Autos beispielsweise früher vor einer Ampel bremsen würden als jemand, der versucht, die „Ampel noch zu bekommen“. Autonome Autos würden den Verkehr auch sicherer machen, da sie Gefahrenpotenzial durch Kamera- und Sensortechniken erkennen können. Beispielsweise könnten Autos kommunizieren, dass ein Kind auf der Straße spielt, und die anderen Autos davor warnen. Die Risiken für unsere Sicherheit nehmen ab, da bin ich mir ziemlich sicher, auch wenn es Einzelfälle in der Vergangenheit gab.
Wie sieht – Stand jetzt – das optimale Verkehrssystem aus?
Haase: Um Hamburgs Verkehrsproblem zu lösen, gibt es einige Möglichkeiten, die jedoch politisch teils schwer durchzusetzen sind, etwa die Citymaut. Erfolgreich wäre diese, wenn sie „ökonomisch“ funktionieren würde, also dynamisch. Je höher die Belastung in der Stadt, umso höher der Preis dafür, in der Stadt zu fahren. So eine dynamische Lösung wäre heute ohne Weiteres bereits möglich.
Eine andere Möglichkeit liegt darin, die Verkehrsgeschwindigkeit dynamisch anzupassen. Geringere Geschwindigkeiten implizieren geringeren Sicherheitsabstand. Dadurch steigt automatisch die Kapazität auf den Straßen. So ein System würde die optimale Geschwindigkeit berechnen. Diese liegt oftmals zwischen 30 und 35 km/h. Potenzial liegt ebenfalls in einer „intelligenten“ Ampelsteuerung. Diese kann durch ihre Selbststeuerung die Durchlaufzahlen erhöhen. Auch die Ampelschaltung würde sich dynamisch an den Verkehr anpassen. Schnelle Zugverbindungen wären eine gute Lösung, um die Randgebiete anzuschließen. Navigationssysteme könnten einem den aktuell schnellsten Weg anzeigen. Für Hamburg wäre eine Straßenbahn vom großen Vorteil, da sie ein größeres „Gefäß“ ist (höhere Kapazität) als Busse. Mit Bussen kann man zwar durch höhere Taktzeit und Vergrößerung der Busse den Verkehr entlasten, jedoch behindern sich die Busse – spätestens wenn sie in die Innenstadt kommen – gegenseitig, wodurch Busse auch nur begrenzt effizient sind.