Hamburg/Teneriffa. Urlauber richten Petition ans Auswärtige Amt, um aus Quarantäne in Teneriffa befreit zu werden. Ein Hamburger berichtet.

Wenn Lars Winkler sieht, dass wieder Hotelgäste ihre Koffer Richtung Lobby schieben, überkommt ihn riesengroße Wut – nicht auf jene Urlauber, die die Quarantäne verlassen dürfen, sondern auf die deutsche Regierung. „Wir fühlen uns von der deutschen Regierung im Stich gelassen“, sagt der gebürtige Hamburger. Der 57-Jährige macht seit drei Wochen Urlaub im Hotel Costa Adeje Palace auf Teneriffa. Wobei, Urlaub trifft den Zustand längst nicht mehr, in dem sich Lars Winkler und seine Frau Heike befinden. Sie seien eingesperrt und „dabei wollen wir einfach nur zurück nach Deutschland“, sagt der Psychotherapeut im Gespräch mit dem Abendblatt. In dem Hotel im Südwesten der kanarischen Urlaubsinsel waren mehrere Gäste positiv auf Covid-19 getestet worden.

Wegen Corona-Quarantäne: Petition ans Auswärtigen Amt

Am Donnerstag hat seinen Angaben zufolge ein deutsches Ärzteehepaar eine mit vielen anderen deutschen Hotelgästen abgestimmte Petition an das Lagezentrum des Auswärtigen Amtes in Berlin und an das deutsche Konsulat in Las Palmas geschickt und gefordert, die deutschen Urlauber sofort nach Hause zu holen. Bei weiterem Zögern gefährde die deutsche Regierung Menschenleben, heißt es in dem Schreiben.

Die internationalen Gäste, die bislang abreisen dürfen, verlassen das Hotel nationenweise. Die britischen Gäste seien schon abgeholt worden, die Finnen auch, „die Belgier sitzen auch schon auf gepackten Koffern, sie sind die Nächsten“, sagt Winkler. Auch die Österreicher im Hotel hätten schon Informationen über eine mögliche Rückreise. „Viele wurden von ihrer Botschaft angerufen, wir nicht.“ Er habe von sich aus schon vor Tagen mit dem für Teneriffa zuständigen Konsul und mit dem Auswärtigen Amt telefoniert. Geändert hat das nichts, denn der Krisenstab in Berlin empfahl Deutschen im europäischen Ausland, die sich auf Anweisung örtlicher Behörden in Quarantäne befinden, diese zu Ende zu führen. Somit können Lars Winkler und die anderen deutschen Gäste, die im Hotel auf Teneriffa sind, nicht vor dem 10. März zurückkehren.

160 deutsche Urlauber im Costa Adeje Palace in Teneriffa

„Die spanische Regierung sagt, holen Sie Ihre Leute raus, aber in Berlin behauptet man, Deutschland seien die Hände gebunden“, sagt Winkler. Es seien etwa 160 deutsche Urlauber im Costa Adeje Palace. „Wir wären bereit, in Deutschland erneut in Quarantäne zu gehen“, sagt der Hamburger, der in Niedersachsen lebt, „dort würde das vernünftig gemacht.“ Von den Maßnahmen im Hotel hält er wenig. „Ich bin noch nie getestet worden, und ich kann mich hier vor allem jeden Tag infizieren.“

Die Urlauber hängen auf Teneriffa im Hotel Costa Adeje Palace wegen Corona-Quarantäne fest.
Die Urlauber hängen auf Teneriffa im Hotel Costa Adeje Palace wegen Corona-Quarantäne fest. © Lars Winkler

Als das Ehepaar am 12. Februar 2020 auf die kanarische Insel flog, freute es sich auf drei Wochen Sonne, Strand, Ausflüge und Entspannung. „Wir sind Dauergäste auf Teneriffa und waren schon etwa drei Dutzend Mal hier im Hotel“, sagt Winkler. „Es ist wie Nachhausekommen.“ Doch mit dem unbeschwerten Urlaub, wie sie ihn viele Jahre gewöhnt waren, war am Morgen des 24. Februar abrupt Schluss, als ein Schreiben unter der Tür durchgeschoben wurde, mit der Aufforderung, im Zimmer zu bleiben. „Es hatte keinen Briefkopf, wir hatten erst an einen Scherz gedacht“, sagt Winkler. Mitnichten! Inzwischen sei die Situation bitterernst.

Winkler: Nur drei Viertel der Gäste nutzen Händedesinfektion

Für vergangenen Mittwoch war eigentlich ihr Rückflug gebucht, ihr Urlaub wäre beendet gewesen. Doch die Maschine nach Deutschland hob ohne sie ab. Der Diplompsychologe hat erst mal alle seine Termine mit den Patienten abgesagt. Zwei Tage lang seien nach Beginn der Quarantäne Verpflegungspakete an den Zimmertüren verteilt worden, sagt Winkler, doch seither werde im Speisesaal wieder Büfett angeboten, bei dem sich alle Gäste selbst bedienen. Tellergerichte gibt es nicht – bedauerlicherweise, findet Winkler.

Am Eingang zum Speisesaal werde Händedesinfektion angeboten, „aber nur etwa drei Viertel der Gäste benutzen das“, schätzt Winkler. Seine Hände seien inzwischen so rissig, dass er es beim Waschen belasse. „Es gibt viele, die gehen in den Speisesaal, nehmen ihren Teller mit und essen dann in ihrem Zimmer.“ Er und seine Frau speisen stets an einem kleinen Tisch auf der Terrasse.

Die Standardfrage im Hotel: „Gibt’s was Neues?“

Inzwischen gebe es auch Getränke all inclusive, was nicht allen Gästen guttue, sagt Winkler. Er erzählt von einem Gast, der gleich acht Flaschen Rotwein aus dem Restaurant mitnahm – wohl aus Angst, es komme kein Nachschub. „Vielleicht auch nur, weil die Gelegenheit günstig war.“

Inzwischen seien nur noch etwa 400 oder 500 Gäste im Hotel, Kinderbetreuung werde immer noch angeboten und auch nachgefragt, sagt Winkler. Er selbst sei mental immer noch recht entspannt, sagt der 57-Jährige, „wenn ich als Psychotherapeut es nicht wäre, wäre es ja traurig“. Bei anderen stelle sich aber ein gewisser Lagerkoller ein.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Langweilige Hotelroutine in Atemschutzmasken

Aber auch seine Tage seien routinehaft langweilig. Frühstück, danach ein kleiner Rundgang durch die Hotelanlagen. Bis zum Mittagessen lesen er und seine Frau, oder sie hören Musik und trinken Kaffee auf dem eigenen Balkon im 6. Stock, danach das gleiche Programm bis zum Abendessen. „Wir essen immer draußen, tagsüber sind es 26 Grad, auch am Abend ist es draußen warm genug“, sagt Lars Winkler, die Mahlzeiten dehnten sie jetzt sehr aus, auch damit die Zeit vergeht. Die Etikette beim Abendessen sei in Zeiten der Quarantäne gelockert worden, ergänzt er, jetzt seien auch kurze Hosen erlaubt.

Das Paar holt sich jeden Tag neue Atemschutzmasken und trägt diese auf seinen Wegen durchs Hotel. Hier begegnen sie der Standardfrage unter den Urlaubern: „Gibt’s was Neues?“ Trotz aller Ungewissheiten gebe es sicher schlimmere Situationen, sagt Winkler: „Ich sitze hier auf dem Balkon, und die Sonne spiegelt sich im Meer – ich bin froh, dass ich nicht auf einem Kreuzfahrtschiff in der Innenkabine bin.“