Hamburg. Intendanten von Schauspielhaus über Thalia bis Elbphilharmonie schalten sich in Gedankenspiele zum neuen Senat ein.
Noch haben nicht einmal die Koalitionsverhandlungen über die Bildung des neuen Senats begonnen, dennoch werden schon personalpolitisch die ersten Pflöcke eingeschlagen. Mehr als 20 prominente Hamburger Kulturschaffende setzen sich dafür ein, dass Carsten Brosda (SPD) Kultursenator bleibt.
„Wir möchten unsere Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass in den anstehenden Koalitionsverhandlungen das Ressort Kultur und Medien mit der derzeit fachlich qualifiziertesten Person, also mit dem amtierenden Senator Carsten Brosda, besetzt wird“, schreiben die Kulturschaffenden in einem offenen Brief an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).
Kulturpolitik hat durch Brosda "einen großen Schritt nach vorn gemacht"
Brosda sei „in seiner bisherigen Amtszeit mit großer Expertise alle offenen Baustellen in der Kulturpolitik offensiv angegangen“. Die Kulturpolitik habe „mit dieser Personalie einen großen Schritt nach vorn gemacht“.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier, Thalia-Theater-Intendant Joachim Lux, Christoph Lieben-Seutter, Generalintendant Elbphilharmonie und Laeiszhalle, Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard, Alexander Klar, Direktor der Kunsthalle, Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe, Daniel Kühnel, Intendant der Symphoniker Hamburg, sowie Planetariums-Direktor Thomas Kraupe. Außerdem haben mehrere Vertreter der Musikwirtschaft sowie Konzertveranstalter den offenen Brief unterzeichnet.
Woran Brosdas Senatorenposten hängen könnte
Wie berichtet, gilt es als nicht sicher, dass Brosda Kultursenator bleiben kann, wenn es zu einer Wiederauflage der rot-grünen Koalition kommt. Ein Grund ist, dass die Grünen mehr Senatsposten verlangen. Auch wenn es vermutlich keine Bestrebungen der Grünen geben wird, das Kulturressort zu übernehmen, könnte Tschentscher bei der Zusammenstellung des Senatstableaus in die Lage kommen, ein oder zwei Namen von SPD-Senatsmitgliedern streichen zu müssen.
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Zwar hat Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks bereits erklärt, dem nächsten Senat nicht mehr angehören zu wollen, und es gilt als sicher, dass auch Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (beide SPD) auf ihr Amt verzichten wird. Doch damit wäre Sozialsenatorin Melanie Leonhard die einzige Sozialdemokratin im Senat neben sechs Männern auf SPD-Ticket, von denen Wirtschaftssenator Michel Westhagemann allerdings parteilos ist. Für eine Partei mit einem fortschrittlichen Anspruch wie die SPD bedeutet das ein sehr ungünstiges Geschlechterverhältnis.
Olaf Scholz hatte Brosda nach Hamburg geholt
Brosda, den der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach Hamburg geholt hatte, war seit 2016 Kultur-Staatsrat und folgte im Jahr darauf der verstorbenen Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) im Amt nach.
Das Lob für den Senator fällt geradezu überschwänglich aus. „Carsten Brosda hat sämtliche kulturelle und kulturwirtschaftliche Bereiche, für die er verantwortlich ist, im Blick: die Musik und die Musikwirtschaft, die Popkultur, die Oper, die beiden Staatstheater Schauspielhaus und Thalia Theater, Kampnagel, die Museen und die freie Szene. So etwas ist in der Kulturpolitik außerordentlich selten“, schreiben die Autoren.
Kulturschaffende gegen "abrupten Führungswechsel"
Die Kultur bekomme einen „immer zentraleren Stellenwert“ bei den „sogenannten weichen Themen, die zu den neuen harten werden“: Klima, Ökologie, Gestaltung der urbanen Lebensräume und Mobilität. Brosda sei ein „Advokat dieser Veränderungen, der sich zukunftsweisend in die Debatte einbringt, und dies nicht nur in Hamburg, sondern im gesamten Bundesgebiet, was auch national nicht unbemerkt geblieben ist“.
Die Autoren des offenen Briefes gehen direkt auf die absehbaren Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen ein. „Es wäre schade, wenn es aufgrund von Machtarithmetik einen abrupten Führungswechsel gäbe. Wenn wir unsere Demokratie verteidigen wollen, gehören dazu auch eine vernünftige Personalpolitik und ein klares Bekenntnis für die Belange der Kultur, die gerade in unruhigen Zeiten eine wichtige Stütze der Zivilgesellschaft darstellt“, heißt es in dem Brief. „Dies sollte nicht parteipolitischen Interessen geopfert werden. Wir bauen auf einen überparteilichen Konsens und hoffen darauf, dass Sie die Kulturpolitik in der Stadt ernst nehmen.“
Brosda äußert sich nur äußerst knapp zum großen Lob
An der Wertschätzung Tschentschers für Brosda besteht kein Zweifel. Der Erste Bürgermeister hatte den gelernten Journalisten nicht nur 2018 in sein erstes Kabinett übernommen, sondern auch dafür gesorgt, dass Brosda auf einem aussichtsreichen Listenplatz für die Bürgerschaft kandidieren konnte. Wer Brosda wähle, sorge dafür, dass er Senator für Kultur und Medien bleiben könne, so Tschentscher in seiner Nominierungsrede im November 2019 auf dem Landesparteitag – vielleicht ein Wink. Brosda wurde mit herausragenden 97,8 Prozent Zustimmung auf Platz 19 gewählt, zog aber jetzt aufgrund der hohen Zahl an Personenstimmen über die Landesliste in die Bürgerschaft ein.
Der Vielgelobte wollte sich nicht explizit zu dem offenen Brief äußern. „Ich freue mich darüber, dass meine Arbeit so geschätzt wird“, sagte Brosda dem Abendblatt lediglich.