Hamburg. Ex-Tierpark-Chef Carl Claus Hagenbeck: Investition entspricht nicht dem Stiftungszweck. Alte Konflikte brechen auf.

Große Aufregung um Hamburgs prominenten Tierpark: Nachdem die Stiftung Hagenbeck am Donnerstag bekannt gab, dass sie vier Skelette einer seltenen Dinosauriergattung als neuen Besuchermagneten für den Tierpark und zur Forschung für das Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg (CeNak) erwerben konnte, spricht sich nun überraschend der ehemalige Tierpark-Geschäftsführer Carl Claus Hagenbeck gegen diese hohe Investition aus. Er ist zwar nicht mehr im operativen Geschäft, führt aber die Gesellschaft, der Grund und Boden des Tierparks gehören.

Die Stiftung, deren Zweck ist, dem Wohl des Tierparks zu dienen, reagierte scharf auf das Veto des ehemaligen Chefs: Sie verteidigte nicht nur die Dinosaurier-Investition, sondern griff Claus Hagenbeck direkt an. Er habe „nicht die Interessen des Tierparks im Auge, sondern wird offenkundig von seiner Strategie innerhalb des Familienstreits geleitet.“ Die beiden Familienzweige um Claus auf der einen und Joachim Weinlig-Hagenbeck auf der anderen Seite sind seit Langem zerstritten und prozessieren gegeneinander. Weil aber beide Seiten gleichberechtigt sind, blockiert der Zwist viele Entscheidungen im Tierpark.

Claus Hagenbeck liegen lebende Tiere am Herzen

Der Kauf der Skelette sei nicht im Sinne des ursprünglichen Stiftungszweckes, schrieb Claus Hagenbeck in einer E-Mail an Vorstand und Beirat der Stiftung, die dem Abendblatt vorliegt. Er hatte die Stiftung 1998 mit seiner Nichte Caroline Hagenbeck gegründet. Ihm lägen die lebenden Tiere am Herzen, keine Museen, sagte Hagenbeck dem Abendblatt. Er glaube auch nicht, dass die Dinosaurier zum Anstieg der Besucherzahlen führten: An Dinosauriern sei das Hagenbeck-Publikum nicht interessiert.

Über die Dinos gab es nach Angaben des ehemaligen Tierpark-Geschäftsführers keine Verabredung zwischen der Leitung des Tierparks und der Hagenbeck-Stiftung. Seine Tochter Bettina Hering-Hagenbeck, die mit Friederike Hagenbeck den Tierpark leitet, habe erst über eine E-Mail am Donnerstag und aus dem Abendblatt von der Investition erfahren.

Noch keine Einigung über Spender-Projekte

Den Senior-Chef ärgere besonders, dass Geld in die Wissenschaft von lange ausgestorbenen Lebewesen investiert werde, obwohl Tierparks weltweit gegen die Ausrottung bestehender Tierarten kämpfen. Zudem seien bereits seit dem Jahr 2013 keine Gelder mehr von der Stiftung in den Tierpark geflossen. Eine letzte „geringe Investition“ habe es 2012 gegeben, seitdem werbe die Stiftung um Spenden für Projekte, die jedoch nicht umgesetzt würden.

Dass Projekte am Streit in der Geschäftsführung scheitern, verneint Carl Claus Hagenbeck. Die beiden Geschäftsführerinnen hätten eine Liste mit möglichen Investitionen, die auch der Stiftung vorliege. Eine Einigung dazu stehe jedoch aus, so der ehemalige Chef. Auch der mögliche Ausstellungsort der Dinosaurier-Familie, die Dressurhalle, sei bereits anderweitig verplant. Ab dem kommenden Monat werde eine Cateringfirma das Gebäude für Veranstaltungen nutzen, so Hagenbeck. Zur Zeit werde sie dafür bereits aufgeräumt und gereinigt.

Wissenswertes zum Tierpark Hagenbeck:

  • Hagenbecks Tierpark wurde im Mai 1907 eröffnet
  • Er liegt im Hamburger Stadtteil Stellingen und umfasst eine Fläche von 19 Hektar
  • Im Tierpark gibt es mehr als 1850 Tiere aller Kontinente, darunter eine der größten Elefantenherden Europas
  • Alle Bereiche im Tropen-Aquarium und der Rundweg im Tierpark Hagenbeck sind behindertengerecht
  • Die Mitnahme von Hunden ist nicht erlaubt

Familienstreit verhindert Investitionen

Dass die sonst in der Öffentlichkeit zurückhaltend agierende Stiftung auf die Vorwürfe des Ex-Chefs so scharf reagiert, ist ein Novum. In dem vom Vorsitzenden Rolf-Hermann Henniges und seinem Vize Cord Crasselt unterzeichneten Schreiben wird betont, dass sich die Stiftung im Familienstreit neutral verhalte. „Uns geht es um das Wohl des Tierparks.“ Aber, so heißt es weiter: „Wir sehen seit Jahren mit großer Sorge, dass der unerbittlich geführte Familienstreit zu einem großen Investitionshindernis im Tierpark geworden ist. Unsere Sorge wird vom Hamburgischen Senat geteilt.“

Diese vier Dinosauerierskelette sollten zukünftig im Tierpark Hagenbeck ausgestellt werden.
Diese vier Dinosauerierskelette sollten zukünftig im Tierpark Hagenbeck ausgestellt werden. © Michael Zapf

Dringend notwendige Investitionen und Modernisierungen unterblieben, weil sich die Familienstämme nicht einigen könnten. „Das ist der Grund, warum die Stiftung Hagenbeck seit Jahren keine Großprojekte im Tierpark mehr fördern konnte, wie sie das in der Vergangenheit beim Bärengehege, beim Tropen-Aquarium sowie beim Eismeer gern getan hat.“ Immer wieder habe die Stiftung in den vergangenen Jahren Initiativen gestartet und dazu aufgefordert, „mit uns zusammen Großprojekte zur Realisierung im Tierpark zu entwickeln“.

Carl Hagenbeck wäre für die Dino-Skelette

Es stimme auch nicht, „dass wir seit Jahren den Tierpark überhaupt nicht mehr förderten. Herr Dr. Claus Hagenbeck weiß, dass wir laufend Futtermittel für den Tierpark bereitstellen oder Medikamente zur Bekämpfung der gefährlichen Herpes-Virus-Erkrankung bei den Elefanten und vieles andere mehr.“

Die inhaltliche Kritik an den Dinosaurier-Skeletten ist für die Stiftung nicht nachvollziehbar. „Der Tierparkgründer Carl Hagenbeck, auf den sich Dr. Claus Hagenbeck sonst gern bezieht, hätte keine Sekunde gezögert, diese Attraktion für den Tierpark zu sichern. Carl Hagenbeck war schon Anfang des 20. Jahrhunderts ein ,Dino-Fan’. Das beweisen die von ihm angefertigten Dinosaurier-Plastiken, die im Tierpark stehen.“, heißt es in dem Schreiben.

Auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hatte sich für die Dino-Familie ausgesprochen und sprach von einer „besonderen Attraktion für den Tierpark“. Die vier Dinosaurierskelette der Gattung Suuwassea wurden 2009 im US-Bundesstaat Wyoming entdeckt und sind rund 150 Millionen Jahre alt.

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Führer Geschäftsführer kritisiert Claus Hagenbeck

Auch der frühere Geschäftsführer Joachim Weinlig-Hagenbeck nahm am Freitag Stellung – und verteidigte die Stiftung. Sie werde „auch in Zukunft alles in ihrer Macht stehende dafür tun, dass ihr geliebter Tierpark fortbesteht“. Weiter schreibt er: „Es schmerzt mich, dass Herr Dr. Hagenbeck den Namen meiner verstorbenen Frau Caroline Hagenbeck nennt, um auch in ihrem Namen ein einzigartiges Projekt diskreditieren zu wollen. Sie hätte sofort die Chancen erkannt, die sich aus einer Präsentation der einzigartigen Dinosauriergruppe bei uns im Tierpark ergeben.

Der andauernde Streit bei den Hagenbecks dreht sich auch um die Frage, ob die von beiden Gesellschaftern vor fünf Jahren beschlossene Liquidation der Hagenbeck Veranstaltungs-GmbH rückgängig gemacht werden muss. Die gegenseitige Blockade auf Gesellschafter-Ebene führte in der Praxis dazu, dass kaum mehr Veranstaltungen bei Hagenbeck stattfanden.

Die Doppelspitze geht auf den Tierpark-Gründer zurück

Noch brisanter ist, dass in dem Zivilverfahren die Zukunft von Friederike Hagenbeck an der Spitze des Unternehmens auf dem Spiel steht. Der Vorwurf: Die junge Geschäftsführerin, Tochter von Ex-Hagenbeck-Chef Joachim Weinlig-Hagenbeck, soll das Arbeitsverhältnis zu Co-Chefin Bettina Hering-Hagenbeck, der Tochter von Claus Hagenbeck, beschädigt haben – indem sie Bettinas Ehemann Stephan Hering-Hagenbeck in seiner Funktion als zoologischen Direktor „schlecht behandelt“ habe. Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Die traditionelle Doppelspitze in der Geschäftsführung der Betreiber GmbH geht auf Tierpark-Gründer Carl Hagenbeck zurück, der den Zoo an seine Söhne Heinrich und Lorenz vererbt hatte.