Hamburg. Zwei junge Hamburger Klima-Aktivisten erklären, wie die Großdemo mit Greta Thunberg am Freitag geplant wird.
Die Bändchen an ihren Handgelenken weisen sie als Teilnehmer an „Fridays for Future“-Aktionen der vergangenen Jahre aus. Annika Rittmann (17), die im April ihr Abitur am Gymnasium Blankenese machen will und Jesko Hennig (19), der im dritten Semester Politikwissenschaften in Hamburg studiert, stehen nun erneut vor einer großen Herausforderung. Am Freitag organisieren sie die Demonstration „HamburgWähltKlima“ auf dem Heiligengeistfeld. In der Abendblatt-Redaktion sprachen sie über ihre Ziele.
Hamburger Abendblatt: Sie wollen am Freitag wieder Zehntausende auf die Straße bringen, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Wie organisiert man eine solche Veranstaltung?
Jesko Hennig: Besonders intensiv über die sozialen Netzwerke und über Info-Gruppen. Wir verteilen zudem Flyer und kleben Plakate. Was häufig unterschätzt wird, ist der persönliche Kontakt auf der Straße. Mit Leuten reden, sie überzeugen, warum diese Demo wichtig ist.
Annika Rittmann: Wir brauchen ganz viel Zeit und Geduld. Welche Route ist sinnvoll? Welche Technik brauchen wir? Welche Technik braucht die Band? Da muss man ganz viele Mails schreiben und viel telefonieren.
Was heißt in diesem Fall ‚man‘?
Rittmann: Die Organisation liegt bei der Hamburger Ortsgruppe von „Fridays for Future“ mit ungefähr 150 Mitgliedern. Dort gibt es dann Untergruppen für die Teilbereiche wie Finanzen, Presse, Kampagnen und so weiter. Und eine Gruppe behält den Gesamtüberblick.
Am Freitag spielt bei der Demo erneut mit Fettes Brot eine der bekanntesten Hip-Hop-Bands Deutschlands. Schreibt ihr denen einfach eine Mail?
Hennig: In der Regel schreibt man an die Agentur, die die Auftritte organisiert oder füllt auf der Homepage der Band ein Formular aus. Das fühlt sich recht anonym an, aber häufig bekommt man dann eine sehr herzliche Mail zurück.
Rittmann: Wir profitieren davon, dass dieses Thema gerade sehr präsent ist. Es gibt einen Kreis von Bands, die uns super unterstützen.
Mit wie vielen Teilnehmern rechnet ihr bei der Demo?
Hennig: Wir haben jetzt 30.000 angemeldet. Der Klimawandel beschäftigt die Leute sehr.
Ein großes Zugpferd der Demo ist die schwedische Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg. Wie habt ihr sie dazu bewegen können, dass sie erneut nach Hamburg kommt?
Rittmann: Wir haben an das Team von Greta geschrieben. Das ist ein längerer Prozess, sie hat einen vollen Terminplan. Aber Hamburg ist eine schöne Stadt, zudem entfaltet Hamburg mit dem Flughafen und dem Hafen für das Thema Klima eine große Wirkung.
Und es sind Wahlen …
Hennig: Richtig. Es sind die einzigen Landtagswahlen, die für 2020 angesetzt sind. Es sind die ersten Wahlen eines Jahrzehnts, das für das Klima zukunftsweisend sein wird. Wir müssen es jetzt schaffen, Hamburg auf die kommenden Jahrzehnte in Sachen Klima auszurichten.
Rittmann: Das Thema Klimaschutz ist in Hamburg viel zu kurz gekommen. Es gibt zwar einen Klimaplan, aber der ist nicht konform mit dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, den Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Hennig: Das kriegen wir auch nicht hin, wenn wie bislang nur rumgetuckert wird. Da muss ordentlich Zug reinkommen.
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Ist die Demo als Unterstützung im Wahlkampfendspurt für die Grünen zu sehen?
Rittmann: Nein, auch die Grünen haben es nicht geschafft, für die Umsetzung dieses Ziels genügend zu tun. Unser Appell an die Bevölkerung lautet ganz allgemein: Geht wählen! Die Parteien sollen sich durch unseren Druck gezwungen fühlen, dieses Thema endlich aufzugreifen. Und die Demo ist ein Signal: Wir Hamburger stehen für Klimaschutz. Und wenn der neue Senat keinen konsequenten Klimaschutz macht, dann sitzen wir euch im Nacken, dass ihr nicht konsequenzlos unsere Zukunft vertrödeln könnt.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es inzwischen viele entschiedene Gegner der „Fridays for Future“-Bewegung gibt. Sie fürchten eine soziale Spaltung in der Gesellschaft. Denn höhere Preise für Benzin, Flüge oder bestimmte Lebensmittel belasten vor allem ärmere Schichten.
Hennig: Wir werden manchmal missverstanden mit unserer Monothematik. Aber wir wollen nicht Klimaschutz um jeden Preis, wir wollen beim Klimaschutz alle mitnehmen.
Rittmann: Leider spielt die Politik oft die einen gegen die anderen aus. Dann heißt es, wir können entweder klimafreundlich oder sozial sein. Das ist falsch, wir können beides.
Hennig: Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Ich werfe niemanden vor, dass er oder sie ein Dieselauto fährt, solange dies viel billiger ist als ein Elektroauto oder öffentlicher Nahverkehr. Es ist die Aufgabe der Politik dies zu ändern.
Bei der Aktion am 20. September haben 100.000 Menschen demonstriert. Es gab Teilnehmer, die hatten richtig Angst in dem Gedränge am Jungfernstieg, manche sind in Geschäfte geflohen. Gab es zwischendurch die Furcht vor einer Massenpanik?
Hennig: Meine Schwester ist zwölf, die hatte auch Angst bei der Demo. Ja, es gab ein paar Schreckmomente, wir hatten ja nie mit so vielen Teilnehmer gerechnet. Ein Problem war auch, dass die Funknetze zusammengebrochen sind.
Rittmann: Aber wir haben aus dem 20. September gelernt. Der Jungfernstieg war zu klein. Auch deshalb gehen wir jetzt an das Heiliggeistfeld. Es gibt Zelte, wo sich Leute zurückziehen können. Wir werden von Sicherheitsexperten beraten. Es gibt Ordner, die dafür sorgen, dass nicht zu viele Leute in einem Bereich sind. Es wäre übrigens gut, wenn noch Leute für diesen Dienst kommen würden, man kann sich über unsere Website anmelden, es gibt vorab noch eine Einweisung. Diese Bitte geht in erster Linie an Erwachsene.
Hennig: Aber niemand muss sich fürchten. Unser Sicherheitskonzept ist auf viel, viel mehr Teilnehmer als die angemeldeten 30.000 ausgelegt.
Wie wird das Ganze eigentlich finanziert?
Rittmann: Ausschließlich über Spenden. Bei der Demo wird gesammelt, aber auch über Online-Portale wie betterplace.org.
Das klingt für die Organisatoren fast nach einem Vollzeitjob …
Hennig: Ja, man muss Prioritäten setzen. Ein Vollzeitstudium und „Fridays for Future“ in dieser Form geht nicht. Vor allem vor dem 20. September 2019 war die Organisation so intensiv, dass ich zu fast nichts anderem mehr gekommen bin. Zum Glück hatte meine Dozentin Verständnis dafür, sodass ich eine Hausarbeit etwas später abgeben durfte.
Rittmann: Bei mir haben sich einige Fehlstunden angesammelt durch die Demonstrationen. Ich lasse mir auch nicht von meinen Eltern Entschuldigungen schreiben, das halte ich für inkonsequent. Mit den Konsequenzen muss ich leben. Aber ich gebe meine Hausaufgaben dennoch rechtzeitig ab, bereite mich auch intensiv auf die Klausuren vor. Wir bestreiken ja auch die Schule, nicht die Bildung.