Hamburg. Die Partei setzt auf neuen Drittelmix, Erbpacht und eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Kritik von SPD und VNW.

Die letzte Folie, auf die Katharina Fegebank verwies, konnte man durchaus als dezenten Gruß an ihren SPD-Kontrahenten Peter Tschen­tscher begreifen, der bekanntermaßen mit „Die ganze Stadt im Blick“ wirbt. „Wir wollen Hamburg als Stadt für alle“, überschrieb die Zweite Bürgermeisterin das Wohnungsbau-Konzept, das sie mit Parteichefin Anna Gallina und Fraktionschef Anjes Tjarks am Montag in der Grünen-Geschäftsstelle vorlegte.

Der Unmut über den Koalitionspartner, der am Freitag im Rathaus das Konzept für eine attraktivere Innenstadt vorgestellt hatte, hatte sich noch nicht gelegt. Tjarks sprach von einem „Plagiat“, nannte mehrere Punkte, wo die SPD „einfach abgeschrieben“ habe. Zudem sei es ein „unfreundlicher Akt“, als Partei ein solches Konzept im Rathaus vorzustellen. „Wir sind nicht mehr sechs Monate vor der Wahl.“ Auch Anna Gallina kritisierte: „Das ist nicht das erste Mal, dass die SPD länger braucht, um Ideen, die wir entwickelt haben, gut zu finden.“

Wohnungsbaukonzept für Hamburg birgt Brisanz

Dies dürfte allerdings mit dem Wohnungsbaukonzept, mit dem die Grünen 5000 statt bisher 4000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr bauen wollen, kaum passieren. Denn es birgt an mehreren Stellen Brisanz, vor allem bei der Forderung, städtische Grundstücke ausnahmslos über das Erbbaurecht zu vergeben. Zwar will auch die SPD Grundstücke verstärkt über Erbpacht vergeben, aber eben nicht ausschließlich. Denn viele Wohnungsbaugenossenschaften sind strikt gegen diese Lösung.

„Dies ist eine wohnungspolitische Sackgasse, die dazu führen kann, dass in den kommenden zehn Jahren allein von den VNW-Wohnungsunternehmen bis zu 10.000 bezahlbare Wohnungen nicht errichtet werden“, kritisiert Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), auf Abendblatt-Anfrage. Der Grund: „Wer ein Grundstück lediglich im Rahmen des Erbbaurechts nutzen kann, benötigt doppelt so viel Eigenkapital für die Finanzierung seiner Neubauprojekte.“

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Allerdings werben die Grünen dafür, dass Erbpachtverträge über 100 Jahre abgeschlossen werden. Dies gebe, so Tjarks, den Investoren ausreichend Garantie. In den neuen großen Quartieren wie dem Kleinen Grasbrook oder der Science City in Bahrenfeld sollen alle Verträge zum gleichen Zeitpunkt abgeschlossen werden und damit in 100 Jahren wieder auslaufen. Aus Sicht der Grünen könnte in diesen Quartieren über den Zeitraum eines Jahrhunderts bezahlbarer Wohnraum garantiert werden.

Für politische Diskussionen wird auch das Plädoyer der Grünen für eine Änderung im Drittelmix sorgen. Bislang gilt in Hamburg, dass jeweils zu einem Drittel frei finanzierte Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und öffentlich geförderte Wohnungen entstehen sollen. Die Grünen wollen den Drittelmix künftig lageabhängig aufstellen. In begehrten Quartieren sollen nach dem Willen der Spitzenkandidatin Katharina Fegebank künftig 50 Prozent geförderter Wohnraum entstehen, in angrenzenden Quartieren 40 Prozent, nur in wirtschaftlich benachteiligten Vierteln noch 30 Prozent. „Damit wollen wir dafür sorgen, dass wir dort gute stabile Quartiere erhalten“, sagte Parteichefin Anna Gallina.

Die Grünen wollen den Bau mit Holz fördern

Auch hier meldet der VNW Bedenken an: „Eine starre Quote für Stadtviertel kann dazu führen, dass angesichts hoher Grundstückspreise und dramatisch gestiegener Baukosten viele Wohnungsbauprojekte nicht mehr umgesetzt werden könnten. Pauschale Vorgaben erschweren den Wohnungsbau und machen ihn an vielen Orten unmöglich.“

Der dritte Punkt aus dem Forderungskatalog betrifft die Nachhaltigkeit. Die Grünen wollen den Bau mit Holz fördern, dies sei viel klimafreundlicher als der Bau mit Beton. Den höheren Preis für diese Bauweise möchten die Grünen über eine Erhöhung der Förderzulage durch die Investitions- und Förderbank (IFB) Hamburg kompensieren.

SPD-Fraktionschef lehnt die Pläne der Grünen ab

Die Grünen setzen zudem auf die Gründung einer neuen städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Die Saga leiste zwar, so Tjarks, einen enormen Beitrag für bezahlbare Wohnungen und sei ein „Glücksfall für die Stadt“, aber eben nicht spezialisiert auf Mieter, die von Obdachlosigkeit bedroht seien. Die neue Gesellschaft soll sich nach dem Willen der Grünen auch um Stiftungen kümmern, die in den Wohnungsbau investieren möchten. „Diese Stiftungen suchen sichere Anlageformen, mit denen sie noch eine jährliche Rendite von 2 bis 2,5 Prozent erzielen können“, sagte Tjarks.

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    SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf lehnt die Pläne der Grünen ab: „Wir haben mit der Saga und Fördern & Wohnen bereits zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften. Eine weitere Gesellschaft bräuchte Personal, Bestand und Kapital. Was wir brauchen, sind Wohnungen und nicht Parallelstrukturen mit neuen Posten. Bis diese Dinge geregelt sind, sind drei Jahre vergangen, ohne dass eine einzige neue Wohnung gebaut wurde. Den Wohnungsbaumotor anzuhalten, um Experimente vorzunehmen, ist mit der SPD nicht zu machen.“