Hamburg. Zentrale Briefwahlstelle an der Mönckebergstraße ermöglicht jetzt schon Stimmabgabe für die Bürgerschaftswahl.
Hans-Henri Schultz und seine Frau Gisela sind am Dienstagmorgen aus Kirchwerder in die Innenstadt gekommen, um noch schnell ein paar Dinge für ihren bevorstehenden Mallorca-Urlaub zu besorgen. Beim Flanieren auf der Mönckebergstraße entdecken die beiden einen Komplex aus Baucontainern, auf dem in weißen Buchstaben auf rosa Hintergrund groß die Botschaft steht: „JETZT HIER WÄHLEN – Briefwahlstelle zur Bürgerschaftswahl“. Spontan entschließen sich die beiden, genau das zu tun.
Im Inneren, das mit Linoleum-Fußboden und Leuchtstoffröhrenlicht stark an eine Behörde erinnert, zeigen der Koch im Ruhestand und seine Frau ihre Personalausweise vor, bekommen ihre Wahlunterlagen ausgehändigt und können innerhalb weniger Minuten ihre Stimmen für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 abgeben.
Bürgerschaft erhofft sich höhere Wahlbeteiligung
Die zentrale Briefwahlstelle auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ermöglicht Wahlberechtigten aus allen Stadtteilen erstmals ihre Stimme bereits vor der Wahl mitten in der Innenstadt abzugeben. Ob beim Einkaufen oder in der Mittagspause: Von Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, sowie an Sonnabenden von 10 bis 18 Uhr kann hier gegen Vorlage des Personalausweises oder Reisepasses über die Zukunft der Hansestadt entschieden werden. Und zwar noch bis Freitag, 21. Februar, um 16 Uhr. Die Auszählung der Briefwahlstimmen erfolgt dann – wie die der Stimmzettel aus den stadtweit 1283 Wahllokalen – erst am Wahltag, dem 23. Februar, nach 18 Uhr.
Eröffnet wurde das Wahllokal besonderer Art am Dienstagmorgen von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und Landeswahlleiter Oliver Rudolf. „Beim Nachmittagsbummel am Sonnabend kurz wählen gehen – so etwas hat es in der ganzen Bundesrepublik noch nicht gegeben“, sagte Veit bei der Eröffnung. Genau wie bei vergangenen Wahlen besteht auch dieses Mal wieder die Möglichkeit, seine Briefwahlunterlagen bei Ausgabe in einer der 13 Bezirkswahldienststellen auch direkt auszufüllen und abzugeben. Neu ist aber, dass Bürger aus allen 17 Wahlkreisen jetzt an ein und demselben Ort mitten in der City wählen gehen können. Die Bürgerschaft erhofft sich von dem neuen Service in der Innenstadt eine höhere Wahlbeteiligung. „Wir sehen, dass das Interesse an der Briefwahl steigt“, sagt Veit.
Zahl der Briefwähler steigt in Hamburg seit Jahren
Die Zahl der Briefwähler steigt in Hamburg seit Jahren. Waren es zur vergangenen Bürgerschaftswahl 2015 noch 245.000 oder 31 Prozent der Wähler, die davon Gebrauch machten, stimmten bei der Bundestagswahl 2017 schon 37 Prozent der Hamburger Wahlberechtigten per Brief ab. Die Beliebtheit dieser Art zu wählen könnte auch damit zu tun haben, dass seit 2009 die Begründungspflicht entfallen ist. Vorher musste ein Grund vorliegen, um sich den Gang zum Wahllokal zu ersparen. In der Bundesrepublik wurde die Briefwahl erstmals 1957 eingeführt. Mit einer zunehmenden Mobilität der Bürger, trat die Beschränkung auf die Stimmabgabe am Wahltag im Wahllokal zunehmend in Konflikt mit dem Prinzip des Allgemeinen Wahlrechtes, das grundsätzlich allen Bürgern das Recht zu wählen zusichert.
Doch die Briefwahl ist nicht unumstritten. Zur Europawahl im Mai vergangenen Jahres hatte Bundeswahlleiter Georg Thiel kritisiert, dass dadurch der Grundsatz der gleichen Wahl gefährdet werden könnte, weil dieser auch eine Gleichzeitigkeit beinhalte. Durch die Briefwahl werde die Möglichkeit zur Stimmabgabe aber über Wochen gestreckt. Außerdem könnte das Prinzip der geheimen Wahl bei der Stimmabgabe zu Hause leichter unterlaufen werden.
Projekt hat rund 350.000 Euro gekostet
Zumindest die geheime Wahl ist im Containerbau am Gerhart-Hauptmann-Platz gesichert. Die zehn Wahlkabinen sind jeweils mit einem Sichtschutz aus Pappkarton versehen. An den zwölf Arbeitsplätzen sitzen eigens für die Briefwahlstelle zeitweise eingestellte und speziell geschulte Mitarbeiter. Rund 1000 Hamburgern sollen sie am Tag die Wahlunterlagen aushändigen und, falls nötig, auch gleich erklären, wie diese richtig ausgefüllt werden müssen.
„Wir hoffen, dass die Leute uns die Bude einrennen“, sagt Tom Oelrichs, Bezirkswahlleiter für Hamburg-Nord, der das Projekt geplant und umgesetzt hat. Rund 350.000 Euro habe es gekostet. Der Containerbau sei nötig gewesen, da man kurzfristig kein geeignetes Ladenlokal in der Innenstadt finden konnte. Der improvisierte Komplex scheint die Hamburger aber nicht abzuschrecken. „Es ist super angelaufen“, sagt Oelrichs. Bereits am Tag vor der Eröffnung hätten reihenweise Passanten versucht, ihre Stimme abzugeben. Am Dienstag seinen dann schon in der ersten Stunde rund 60 Bürger gekommen, um ihre Kreuzchen zu machen und hätten auch immer wieder ungefragt angemerkt, dass sie das Angebot sehr begrüßen.
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Auch Hans-Henri Schultz gefällt die Möglichkeit, während seines Einkaufs wählen zu gehen. „Ich habe bisher immer am Wahltag in meinem Wahllokal gewählt“, sagt der 70-Jährige. Für die Zukunft könne er sich aber vorstellen, das Angebot in der City öfter zu nutzen. Schließlich hätte es auch nur wenige Minuten gedauert. Wie auch immer er beim nächsten Mal seine Kreuzchen macht, eins sei aber jetzt schon sicher; er mache sie. Denn, so Schultz: „Nichtwählen und dann meckern – das geht gar nicht.“