Hamburg. Der immer schnellere Wandel am Arbeitsmarkt erfordere mehr Tarifbindung, mehr Weiterbildungsrechte und höhere Mindestlöhne.
Die am heutigen Freitag präsentierten Zahlen zum Hamburger Arbeitsmarkt zeigen eine Zunahme auf über eine Million Erwerbstätige in der Stadt – eine erfreuliche Entwicklung, sagt Berthold Bose, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt müsse aber trotz aller Hoffnung machenden Aspekte auch kritisch betrachtet werden. So bereiteten insbesondere die anhaltende Flucht der Arbeitgeber aus der Tarifbindung und der immer noch zu niedrige Mindestlohn Probleme.
2019 betrug die Arbeitslosenquote 6,0 Prozent. Im Jahresmittel waren laut Agentur für Arbeit in Hamburg 64.774 Menschen ohne Job. Das war die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1993.
Ver.di: Immer mehr Rentner müssen arbeiten
„In Zeiten des Umbruchs am Arbeitsmarkt durch Digitalisierung und durch eine anstehende klimagerechte Produktion rückt jetzt aber das Thema Sicherheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer mehr in den Focus", sagt Bose. "Wie lange behalte ich meinen Arbeitsplatz? Kann ich später von meiner Rente leben? Um solchen Besorgnissen zu begegnen, muss Hamburg eine Tarifbindung zum Standard machen und den Mindeststundenlohn von 12 Euro zahlen.“
Bose fordert dafür die Änderung des Vergabegesetzes, das die Vergabe öffentlicher beziehungsweise städtischer Aufträge an Privatfirmen regelt. Besonders kritisch sieht die Gewerkschaft, dass trotz einer nach wie vor guten Wirtschaftslage und insgesamt geringer Arbeitslosigkeit der Anteil der Beschäftigten in prekären und befristeten Beschäftigungsverhältnissen weiter steigt. Außerdem müssten immer mehr Rentnerinnen und Rentner arbeiten, um sich ein Leben in Hamburg überhaupt leisten zu können, so die Analyse der Gewerkschaft.
Ver.di nimmt Arbeitsminister in die Pflicht
Die Bundesagentur für Arbeit müsse mit allen zuständigen Stellen eng zusammenarbeiten, hier sei Bundesminister Hubertus Heil (SPD) in der Pflicht. Er hatte angekündigt, neue Sicherheiten zu schaffen, um die Arbeitswelt von morgen erfolgreich zu gestalten. "Gute Worte, denen jetzt Taten folgen müssen", fordert Bose. Und: Vor dem Hintergrund der massiven Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung müsse das Recht auf Qualifizierung einen hohen Stellenwert erhalten.
Das im Frühjahr in Kraft tretende neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz dürfe nicht dazu führen, dass hiesige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der rasanten Entwicklung am Arbeitsmarkt abgehängt würden. Auch für Hamburg stelle das Gesetz eine kulturelle und logistische Herausforderung dar. Die Veränderung der Arbeitswelt gehe nicht gegen, sondern nur mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sagt Bose.