Hamburg. Moshe Peter Loth sorgte im Gericht für Aufsehen, als er den Angeklagten umarmte. Laut „Spiegel“ war Loth aber nie im KZ Stutthof.

Es war eine Geste, die weltweit für Aufsehen sorgte. Bei der Verhandlung im Saal 300 des Hamburger Landgerichts umarmte Moshe Peter Loth den ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof, Bruno D., angeklagt zur Beihilfe am Mord in 5230 Fällen.

Loth (76) war für diesen Prozess aus seiner Heimat Florida angereist, um als Zeuge auszusagen. Der Nebenklage schloss er sich als KZ-Überlebender an. Loth bekennt sich seit 2015 zum Judentum, zu diesem Zeitpunkt nahm er „Moshe“ als zweiten Vornamen an.

Vor Gericht sagte er aus, dass er als Ende 1943 geborener Säugling mit seiner Mutter ins KZ Stutthof bei Danzig gebracht worden sei. Sein Großvater, ein überzeugter Nazi, habe seine jüdische Frau und die Töchter an die Nazis verraten. Am Ende seiner Aussage sagte Loth auf Englisch: „Passen Sie auf, ich werde ihm jetzt vergeben.“ Dann ging er zur Anklagebank und umarmte den im Rollstuhl sitzenden Bruno D. (93).

Großmutter ist nicht im KZ gestorben

Laut „Spiegel“ gibt es nun Zweifel an biografischen Details, die Loth angab. So sei seine Großmutter evangelischen Ursprungs gewesen, nicht Jüdin. Sie sei laut Standesamt-Unterlagen in ihrer Heimatstadt Fürstenwerder nahe Danzig gestorben. Und nicht in einer KZ-Gaskammer ermordet. Loth hatte 2001 für seine Großmutter ein entsprechendes Gedenkblatt in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem angelegt.

Die Mutter wurde allerdings wie von Loth geschildert im KZ Stutthof inhaftiert, sie war zum Zeitpunkt ihrer vierwöchigen Inhaftierung im dritten Monat schwanger. Laut „Spiegel“ gebe es jedoch keine Belege für eine zweite Inhaftierung in Stutthof, dann also mit ihrem Sohn. Das Magazin schreibt weiter: „Diese zweite Haft in Stutthof hat es vermutlich nie gegeben. Wenn doch, müsste sie aus ganz anderen Gründen angeordnet worden sein, als von Loth behauptet: Seine Mutter kann dort nicht als Jüdin, die sie gar nicht war, festgehalten worden sein.“

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Zweifel gibt es laut „Spiegel“ auch daran, dass Loth in einer psychiatrischen Klinik seines Geburtsortes Tiegenhof, knapp 20 Kilometer von Stutthof entfernt, Opfer grausamer NS-Experimente gewesen sei. Das Magazin mutmaßt eine Verwechslung mit der Nervenheilanstalt Tiegenhof bei Posen, wo die Nazis Tausende ermordeten.

Loth hat keine persönlichen Erinnerungen

Allerdings hatte Loth auch beim Prozess in Hamburg erklärt, dass er keine persönlichen Erinnerungen an die KZ-Zeit habe, er wisse nur aus Erzählungen, was ihm als Kleinkind widerfahren sei. Darauf verweisen auch seine Anwälte gegenüber dem „Spiegel“. Ihr Mandant habe „sein ganzes Leben nach seiner wahren Identität gesucht“. Die offenbar nicht korrekten Angaben gegenüber der Gedenkstätte Yad Vashem werde er zeitnah korrigieren. Weiter heißt es in der Stellungnahme der Anwälte: „In Bezug auf die Behauptung, dass man mit ihm als Säugling möglicherweise Experimente gemacht habe, verweist Herr Loth auf Narben am Hinterkopf, deren Herkunft er sich nicht erklären kann.“

Ein Urteil gegen Bruno D. wird für Ende Februar erwartet. In dem Prozess hatten mehrere ältere KZ-Überlebende übereinstimmend die Grausamkeiten des Wachpersonals geschildert. Ein besonders sadistischer SS-Offizier habe einen Vater und dessen Sohn aufgefordert, sich zu entscheiden. Einer schlage den anderen tot – oder er würde einen der beiden erschießen. Der Vater befahl seinem Sohn, ihn zu erschlagen. „Er tat es. Danach wurde der Sohn erschossen“, sagte der KZ-Überlebende.