Hamburg. Eröffnungstermin 2023 droht zu platzen. Will niemand die Gastronomie übernehmen? Silvester leuchtet der Turm magentafarben.
Eigentlich wollte die Deutsche Funkturm GmbH (DFMG) bereits Anfang 2019 einen Betreiber für den Hamburger Fernsehturm präsentieren. Das ist jetzt fast ein Jahr her – und eine Lösung ist noch immer nicht in Sicht. Die Situation ist mit nur einem Wort zu beschreiben: Stillstand. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte DFMG-Sprecher Benedikt Albers: „Das Ausschreibungsverfahren hat nach intensiven Verhandlungen noch zu keinem nachhaltigen Angebot für den Betrieb des Hamburger Fernsehturms geführt.“ Mit anderen Worten: Die DFMG hat offensichtlich keinen Geschäftspartner gefunden, der künftig die Gastronomie und die Aussichtsplattform des Wahrzeichens betreibt, das seit 2001 für die Öffentlichkeit geschlossen ist.
Stadt und Bund geben 37 Millionen Euro
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte eine Wiedereröffnung für 2023 angekündigt. Das Geld für die umfangreiche Sanierung des rund 277 Meter hohen Heinrich-Hertz-Turms – so die offizielle Bezeichnung – steht bereit. Stadt und Bund stellen rund 37 Millionen Euro zur Verfügung. DFMG-Sprecher Albers räumte zunächst in einer Antwort auf eine Abendblatt-Anfrage ein: „Bei der Betreibersuche liegen wir hinter dem Zeitplan zurück. Ob und inwiefern sich diese Verzögerung auf die geplante Eröffnung 2023 auswirkt, hängt auch von den nächsten Schritten ab, wie beispielsweise der Vergabe der Planungs- und Projektsteuerungsmaßnahmen, bei denen wir gut im Zeitplan liegen.“ In einer weiteren E-Mail beteuerte Albers dann jedoch, dass die DFMG an einer Wiedereröffnung 2023 festhalte. Hinter den Kulissen wird jedoch davon ausgegangen, dass der Zeitplan platzt.
Fernsehkoch Tim Mälzer stieg aus
Fakt ist: Die Suche nach einem Betreiber hat sich für die Telekom-Tochter längst zu einer Farce entwickelt. Mitte April wurde öffentlich, dass sich die Supermarktkette Edeka gemeinsam mit Fernsehkoch Tim Mälzer und Gastronom Patrick Rüther an der Ausschreibung beteiligt hatte. Die beiden betreiben die Bullerei im Schanzenviertel. Aber dann erklärte Edeka-Konzernsprecher Rolf Lange, dass sich das Unternehmen aufgrund „unzumutbarer vertraglicher Rahmenbedingungen“ aus dem Ausschreibungsprozess verabschiedet habe.
Das Absurde: Trotz des angeblichen Ausstiegs verhandelten Edeka, Mälzer und Rüther dem Vernehmen nach weiter mit der DFMG über einen Betreibervertrag. Doch inzwischen scheint diese Option endgültig gescheitert zu sein. Edeka wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Patrick Rüther reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
Im Februar stehen die Bürgerschaftswahlen an. Eigentlich müsste SPD ein großes Interesse daran haben, endlich einen Fortschritt bei dem Prestigeprojekt zu präsentieren. Doch Senatssprecher Marcel Schweitzer wiegelte auf Anfrage ab: „Die Stadt ist nicht Herrin des Verfahrens, weshalb ich Ihnen keinen Stand der Dinge berichten kann.“ Dann sagte Schweitzer noch: „Wir haben weiterhin ein hohes Interesse am Betrieb des Fernsehturmes. Wenn die lange Suche eines Betreibers dazu führt, dass es ein tragfähiges Konzept gibt, ist das aus unserer Sicht gut.“
In der Silvesternacht strahlt Turm in Magenta
Am Silvesterabend wird der Fernsehturm erst einmal ab 17 Uhr bis zum Neujahrsmorgen um 8 Uhr in magentafarbenes Licht getaucht.
Bereits im September 2018 endete die Frist für die drei verbliebenen „Bestbieter“, um ihr Betreiberkonzept einzureichen. Darunter soll damals auch die TV-Turm Alexanderplatz Gastronomiegesellschaft mbh gewesen sein, die den Berliner Fernsehturm betreibt und eigentlich als Favorit für den Hamburger „Telemichel“ galt. Doch die Berliner sind offensichtlich nicht mehr dabei.
Opposition greift Senat an
Die Opposition übt Kritik: „Die Suche nach einem Betreiber für den Fernsehturm ist ein echtes Trauerspiel. Der rot-grüne Senat scheint gar kein Interesse an einer Wiedereröffnung dieses Wahrzeichens zu haben und schaut tatenlos dabei zu, wie die DFMG schon an einer Betreibersuche scheitert“, sagte der CDU-Abgeordnete David Erkalp. „Die Betreibersuche hat sich zu einer Posse entwickelt. Um überhaupt jemanden zu finden, sollte die DFMG ihre Ansprüche gegenüber einem Betreiber herunterschrauben“, so der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses. Die Leidtragenden seien die Hamburger, die wohl noch lange warten müssten, bis sie wieder auf den Fernsehturm fahren könnten.
Unzufrieden ist auch FDP-Fraktionschef Michael Kruse: „Den vollmundigen Ankündigungen zur Wiedereröffnung des Fernsehturms ist bisher nichts gefolgt. Nun wackelt sogar der mehrfach angepasste Zeitplan, denn offenbar gibt es derzeit keine aussichtsreiche Lösung für den Betrieb der Gastronomie auf dem Fernsehturm. Es ist mehr als unverständlich, warum es zu keiner Einigung kommt. Hamburg und der Bund haben Mittel für die Sanierung des ,Telemichels‘ zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug hätte die Telekom als Eigentümerin vom Senat verpflichtet werden müssen, die Gastronomie auch wiederzueröffnen.“ Das sei ganz offenkundig nicht geschehen. Kruse will eine Anfrage zum „Schlamassel rund um dieses Hamburger Wahrzeichen“ stellen.
SPD-Politiker Kahrs weiß es besser
Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Finanzmittel für die Sanierung beschafft werden konnten. Dem Abendblatt sagte er: „Ich habe volles Vertrauen in die DFMG. Ich gehe davon aus, dass es im ersten Quartal einen Betreiber für unseren Fernsehturm gibt. Hier geht Qualität vor Schnelligkeit.“ Da weiß Kahrs offensichtlich mehr als die DFMG.