Hamburg. Jede vierte IT-Stelle in Hamburg kann nicht besetzt werden. Die Lage könnte sich eher zuspitzen als entspannen.
Der Hamburger Senat hatte sich viel vorgenommen beim Thema „Digitalisierung der großen Stadt“. Um die technische Modernisierung der Verwaltung zügig voranzubringen, gründete man Anfang 2018 ein neues Amt IT und Digitalisierung (ITD) – und stellte mit Christian Pfromm einen „Chief Digital Officer“ ein, der mit 290.000 Euro Jahresgehalt deutlich mehr verdient als der Hamburger Bürgermeister.
In dem von Pfromm geleiteten neuen Amt werden seither alle wesentlichen städtischen Aktivitäten der Stadt zu diesem wichtigen Zukunftsthema gebündelt – sei es zur Digitalisierung von Hafen, Logistik und Verkehr, bei der Software-Modernisierung in den Behörden oder bei den wachsenden Angeboten an die Bürger, Behördenangelegenheiten auch online zu erledigen, wie es das Projekt „Digital First“ vorsieht.
Allerdings stößt der Senat bei dem Vorhaben offenbar auf ein Problem, das auch der Wirtschaft bisweilen Sorgen bereitet: Es gibt nicht genug IT-Fachleute. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass von den 134 Stellen, die es im neuen Amt ITD gibt, erst 105 besetzt werden konnten. Diese Zahlen nennt der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Kreuzmann.
In Bewerbungsverfahren konnte demnach zuletzt etwa jede vierte IT-Stelle der Stadt nicht besetzt werden. Dass die Lage sich in absehbarer Zeit eher zuspitzen als entspannen könnte, zeigt der recht hohe Altersdurchschnitt der bei der Stadt angestellten IT-Kräfte, der 47 Jahre beträgt. Bis 2026 werden laut Senatsantwort rund 21 Prozent der IT-Kräfte in den Ruhestand gehen.
Hochschulen finden nicht genug Informatikprofessoren
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollten die Hamburger Hochschulen bis zum Jahr 2020 insgesamt 1500 neue Informatik-Studienplätze schaffen. Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Kreuzmann, wie viele davon denn bereits eingerichtet seien, nennt der Senat keine Zahl – weist aber auf Probleme bei dem Vorhaben hin. „Zeitliche Verzögerungen bei den Berufungen ergeben sich derzeit insbesondere, weil angesichts der laufenden Digitalisierung viele Hochschulen national und international eine große Zahl an Informatikprofessuren ausschreiben“, so der Senat.
„Die Hamburger Hochschulen wollen dabei trotz des starken Wettbewerbs keine Abstriche bei der Qualität der Berufungen in Kauf nehmen. In der Folge verzögert sich auch der Aufbau von weiteren Studienanfängerplätzen.“ Mithin: Es mangelt nicht nur an Fachkräften, auch die Ausbildung des dringend benötigten IT-Nachwuchses gestaltet sich offenbar schwieriger als zunächst angenommen.
„Seit nunmehr bald zwei Jahren beschäftigt die Stadt einen Chief Digital Officer doch der vom Senat teuer eingekaufte Experte ist immer noch dabei, das neue Amt IT und Digitalisierung aufzubauen“, moniert CDU-Politiker Kreuzmann. Auch weil viele der 134 Stellen noch nicht besetzt seien, lägen „zahlreiche IT-Projekte nicht im Budget oder im Zeitplan“. Das Fehlen von Experten und „Hinweise auf eine dauerhafte, strukturelle Überlastung der Fachabteilung sind besorgniserregend“, so Kreuzmann. „Umso mehr freuen wir uns auch, dass der Senat unsere Forderungen vom Frühjahr 2018 nach einer IT-Fachkräftestrategie samt Einführung eines Dualen Studiengangs umsetzt. Weniger verstehen wir allerdings, warum er erst jetzt damit anfängt.“
Rund zwei Drittel der Bewerber sind Quereinsteiger
Als „lächerlich“ bezeichnete der CDU-Politiker eine nach seiner Aussage im Personalbericht hervorgehobene „Aufstockung des IT-Traineeprogramms“, wenn es dabei lediglich um eine Erhöhung der Plätze von fünf auf sechs gehe, von denen aber lediglich drei besetzt seien. Offenbar gestaltet sich auch die Besetzung der Traineestellen schwierig. „Um genügend qualifizierte Bewerbungen für das Traineeprogramm zu erhalten, wird es über verschiedene Kanäle beworben“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage. „Dazu gehören Veröffentlichungen in Jobportalen, die Zertifizierung des Programmes, der Webauftritt Hamburg.de sowie die Teilnahme an Recruiting-Veranstaltungen.“
Auch die stellvertretende Senatssprecherin Julia Offen räumte die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften für die Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben ein. „Das Amt ITD steht im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg und bundesweit in Konkurrenz mit sehr attraktiven Arbeitgebern“, sagte Offen dem Abendblatt. „Rund zwei Drittel der aktuellen Bewerber kommen nicht aus der Verwaltung, sondern sind Quereinsteiger.“
Allerdings sei es auch nicht geplant gewesen, alle neuen Stellen auf einmal zu besetzen. „Die Stellenbesetzung ist von Anfang an in mehreren Wellen geplant worden“, so Offen. „Das bedeutet, dass immer mehrere Stellen zeitgleich ausgeschrieben und anschließend besetzt werden und somit kein gleichmäßiger Personalaufbau erfolgt.“