Hamburg. Karsten G. tötete die demente und fast blinde alte Dame, um an ihr Geld zu gelangen – sie hatte ihn als Alleinerben eingesetzt.

Er gerierte sich als aufopfernder Freund, als einer, der allein das Wohl seiner langjährigen Bekannten im Sinn hatte. Doch tatsächlich hat Karsten G. die 91 Jahre alte Ellen L. getötet, um an ihr Vermögen zu gelangen. Zu dieser Überzeugung kam am Montag das Schwurgericht, das den Hamburger zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilte. Karsten G. habe die 91-Jährige aus Habgier und heimtückisch getötet, sagte der Vorsitzende Richter.

Der 75-Jährige habe die betagte Blankeneserin umgebracht, „als sie ihre Existenzberechtigung, nämlich als Geldquelle, verloren hatte. Ihr Weiterleben machte aus Sicht des Angeklagten keinen Sinn mehr.“

Karsten G.: Nicht nur Mörder, sondern auch Betrüger

Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung, die Freispruch beantragt hatte, kündigte gleich nach dem Urteil an, Revision einlegen zu wollen. Der Angeklagte selber folgte der fast zweistündigen Urteilsbegründung äußerlich unbewegt. Er hatte in dem 31 Verhandlungstage dauernden Prozess nichts zu den Vorwürfen oder zu seinem Werdegang gesagt. Die Verteidigung hatte jedoch in seinem Namen die Anschuldigung, Karsten G. sei für den Tod der alten Dame verantwortlich, zurückgewiesen.

Zusätzlich zu dem Mord sah die Kammer den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in 37 Fällen überführt. Immer wieder hatte er für seine Zwecke Geld von den Konten der Blankeneserin abgehoben, obwohl er dazu nicht berechtigt war. Mit dem Geld habe Karsten G., der selber nur eine kleine Rente bekam, sein Leben finanziert, „auf Kosten der erblindeten und dementen Frau“, so der Richter. „Es war jahrelanger Lug und Trug.“

Mord an dementer 91-Jähriger aus Geldnot

So verschwanden nach und nach rund 94.000 Euro von Giro- und Sparkonten der alte Dame, bis so gut wie nichts mehr da war. Das Mordmotiv sei schließlich Geldnot gewesen. „Zuletzt stand ihm das Wasser bis zum Hals“, sagte der Richter. Nun habe Karsten G. an das Erbe der Frau kommen wollen, und sie deshalb getötet.

Ellen L. hatte ihn Jahre zuvor als ihren Alleinerben eingesetzt. Die Immobilie, die sie viele Jahre bewohnt hatte, verkaufte er für rund 210.000 Euro. Gegenüber seinem Umfeld hatte sich Karsten G. oft, obwohl er sein Biologiestudium nicht abgeschlossen hatte, unter anderem als „Professor für Biologie“ dargestellt. Dazu der Richter: „Sein Gutmenschentum war Fassade, sich aufzuspielen als Professor und Bildungsbürger nichts anderes als Hochstapelei.“

"Schwerer Todeskampf" für das arg- und wehrlose Opfer

Ellen L. war in den letzten Jahren ihres Lebens auf intensive Pflege angewiesen und saß im Rollstuhl. Zudem war sie so gut wie blind und litt an Demenz. „Eigentlich hätte sie längst in ein Pflegeheim gehört, um Leben und Sterben in Würde zu ermöglichen“, sagte der Vorsitzende Richter. „Doch genau das hat der Angeklagte aus Eigennutz verhindert.“

Karsten G. habe die Frau umgebracht, sie vorher geknebelt. Das Opfer sei arg- und wehrlos gewesen. „Wie sollte sie auf die Idee kommen“, so der Vorsitzende, „dass ihr langjähriger Freund, dem sie absolut vertraute, ihr Alleinerbe, dass ausgerechnet er an sie herantreten würde, um sie zu ersticken.“ Es müsse ein „schwerer Todeskampf“ für die betagte Frau gewesen sein, die zuletzt keine 50 Kilo mehr wog. „Sie hat um ihr Leben gekämpft.“

Zunächst war ein natürlicher Tod festgestellt worden

Nach ihrem Tod hatte Karsten G. sie ins Bett gelegt und das Pflegepersonal, das wenig später kam, „abgewimmelt“, so der Richter, mit der Begründung, Ellen L. würde den Pflegedienst „nicht mehr brauchen“. „Empathie, Herz, Verantwortung sieht anders aus“, sagte der Richter dazu.

Zunächst war das Sterben der 91-Jährigen vom Hausarzt als natürlicher Tod gewertet worden. Doch eine Pflegedienstmitarbeiterin war misstrauisch und alarmierte die Polizei. Mehr als ein Jahr nach dem Tod von Ellen L. vom 7. September 2017 wurde Karsten G. im Dezember 2018 schließlich festgenommen, nach aufwendigen Ermittlungen.

Etliche Hinweise zeigten auf Karsten G.

„Es gab Menschen, die nicht weggeschaut, sondern Courage bewiesen haben“, sagte der Richter dazu. Dies sei zum Beispiel die Pflegedienstmitarbeiterin gewesen, die den Tod gemeldet hatte; die Ermittler, „die ein richtiges Gespür hatten“. Auch ein Nachbar habe wertvolle Hinweise zur Ermittlung der Todesumstände der alten Dame gegeben. „Ihr Schicksal hat ihn nicht kaltgelassen.“

So hatten schließlich etliche Hinweise in Richtung von Karsten G. gezeigt, so unter anderem sein kriminelles Vorleben mit mehreren Verurteilungen wegen Betruges, seine Geldnot und die zahlreichen Abhebungen vom Konto der Rentnerin. Dabei hatte Ellen L. ihn zwar als verfügungsberechtigt in Gesundheitsfragen und schließlich auch als Alleinerben eingesetzt, aber nicht in finanziellen Betreuungsfragen.

Verschiedene Darstellungen des Todes

Vor allem aber hatte der Mann kurz nach dem Tod unterschiedliche Darstellungen dazu gegeben, wie er die Blankeneserin angeblich tot vorgefunden habe. Zunächst hatte er geschildert, dass sie am Esstisch und zusammengesunken in ihrem Rollstuhl gesessen habe. Später hatte er behauptet, er habe sie auf dem Fußboden, unter ihrem Rollstuhl liegend, vorgefunden.

Diese Version hatte er womöglich gewählt, um Verletzungen zu erklären, die in der Rechtsmedizin festgestellt wurden. So hatte die 91-Jährige Einblutungen in den Bindehäuten, einen Riss des Zungenbändchens und einen frischen Bruch des Sprungbeins.

Gericht bescheinigt Karsten G. "kriminelle Energie und Kaltblütigkeit"

Karsten G., so stellte das Gericht fest und so formulierte es der Vorsitzende Richter, „verfügt über die notwendige kriminelle Energie und Kaltblütigkeit, um die Tat zu begehen. Und er hatte ein Motiv“, weil die 91-Jährige als Geldquelle „aufgebraucht“ gewesen sei.

Zudem sei es für den mehrfach wegen Betruges vorbestraften Angeklagten „nicht persönlichkeitsfremd“, auf Kosten anderer zu leben.