Hamburg. Hamburg führt einzigartiges Modell ein. Muslimische, alevitische, christliche und jüdische Lehrkräfte gleichberechtigt beteiligt.
Fausts Gretchenfrage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ in Goethes gleichnamigem Drama hat die Hansestadt jetzt eindeutig beantwortet: Den Religionsunterricht an Hamburgs staatlichen Schulen erteilen künftig auch nicht-christliche Lehrer – Muslime, Juden, Aleviten. Die flächenmäßige Einführung dieses bundesweit einzigartigen Modells werde jetzt an den Schulen der Hansestadt vollzogen, kündigte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Freitag an. 1500 Lehrkräfte stehen zur Verfügung. Während in einigen Bundesländern 13 verschiedene Religionsunterrichte erteilt werden, sind in Hamburg die Religionen unter einem Dach vereint.
„Es wird zwar kein ganz anderer Religionsunterricht“, sagt der gelernte evangelische Religionslehrer Rabe, „aber ein besserer.“ Schließlich würden die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt berücksichtigt. Nach einer Erprobungsphase mit Partnern aus verschiedenen Religionsgemeinschaften unterrichten also nicht mehr allein evangelische Lehrkräfte den „Religionsunterricht für alle“. Gleichberechtigt stehen nunmehr auch jüdische, muslimische und alevitische Lehrer abwechselnd vor den Schulklassen. Sie haben alle ein vollständiges Studium und das reguläre Referendariat absolviert oder entsprechende Zusatzausbildungen an der Universität Hamburg erworben und lassen daher an ihrer Qualifikation keine Zweifel.
Katholische Kirche war zunächst kritisch
Die katholische Kirche stand dem Projekt zunächst kritisch gegenüber. Das Erzbistum hält aber das neue Modell für „anschlussfähig“ und wird sich an neun Schulen probeweise für die Dauer von drei Jahren daran beteiligen. Katholische und evangelische Religionslehrer werden dabei gemeinsam die Inhalte abstimmen. „Unser Ziel ist es, Bestandteil dieses weiterentwickelten Religionsunterrichts zu werden und darin auch das katholische Christentum durch katholische Lehrkräfte authentisch abzubilden“, sagt Christoph Haep vom Erzbistum.
Traditionell war der Religionsunterricht in Hamburg evangelisch geprägt, weil die Protestanten die Mehrheit stellten. „Inzwischen hat sich aber die Gesellschaft grundlegend gewandelt. Jeder zweite Hamburger Jugendliche hat heute Migrationshintergrund“, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs bei der Vorstellung des Konzepts in der Altonaer Kurt-Tucholsky-Schule. Bereits seit 30 Jahren habe die evangelische Kirche freiwillig Vertreter anderer Weltreligionen in die Gestaltung des Religionsunterrichts für alle einbezogen. Es sei „großartig“, dass die Schüler künftig abwechselnd von Lehrkräften unterschiedlicher Religionsgemeinschaften unterrichtet würden. Das werde den Dialog weiter stärken.
Positive Resonanz
Der Senat musste auch deshalb den Religionsunterricht neu ordnen, weil die Staatsverträge mit islamischen, alevitischen und jüdischen Religionsgemeinschaften das Recht auf Religionsunterricht an staatlichen Schulen festschreiben.
Die Resonanz bei den neuen Mitstreitern ist durchweg positiv. Fatih Yildiz, Vorsitzender der Schura/Rat der islamischen Gemeinschaften, spricht von einem „wichtigen Schritt in einer multireligiösen Stadt“. Sedat Simsek, Vorsitzender der DITIB, verweist auf die gut ausgebildeten muslimischen Lehrkräfte. Und Stefanie Szczupak, Vorstand der Jüdischen Gemeinde, sagte, der Religionsunterricht für alle helfe den Schülern, das Judentum als aktuellen und relevanten Teil der Vielfalt Hamburgs zu begreifen.
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Zeynep Baris-Yalcinkaya ist Religionslehrerin an der Stadtteilschule Wilhelmsburg und Alevitin. Sie hat für das neue Anforderungsprofil eine zweijährige Zusatzausbildung am Lehrerinstitut absolviert. Für die Praxis gibt die Lehrerin dieses Beispiel: „Wenn im Unterricht über das Thema Gerechtigkeit gesprochen wird, beleuchten die verschiedenen Religionslehrer die einzelnen Perspektiven aus ihrer Religion.“ So sei für Aleviten das Einvernehmen der Menschen untereinander („Rızalık“) besonders wichtig – also die lange Suche nach einem Kompromiss.
Vertreter der Konfessionslosen gehen auf Distanz zu dieser Form von Religionsunterricht. Das Säkulare Forum Hamburg e. V. fordert einen „angemessenen Mitwirkungsstatus bei Vorbereitung und Durchführung“ im Hamburger Modell.