Hamburg. Vom Senat eingesetztes Nachhaltigkeitsforum kritisiert rot-grüne Landesregierung und fordert grundlegenden Politikwechsel.

Das vom Senat eingesetzte Nachhaltigkeitsforum übt scharfe Kritik an den bisherigen Fortschritten der Landesregierung auf diesem Gebiet und fordert einen grundlegenden Politikwechsel. „Das Programm der nächsten Hamburger Regierung muss vollständig auf das Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerichtet sein“, sagt Delia Schindler, eine der beiden Sprecherinnen des Forums. Das bedeutet: Jedes Gesetz und jede vom Senat getroffene Maßnahme soll in einem systematischen Check auf ihre Folgen für die Umwelt und den sozialen Zusammenhalt geprüft werden, insbesondere auch auf den CO2-Ausstoß und den Klimawandel.

„Aus Reden muss endlich Handeln werden“

„Zudem muss Nachhaltigkeit in Hamburg endlich Chefsache werden“, fordert Schindler. Alle Maßnahmen sollten zentral im Rathaus zusammen geführt werden. „Wir sind es leid, dass eine untergeordnete Stelle in der Umweltbehörde für die Nachhaltigkeitspolitik der ganzen Stadt zuständig sein soll.“ Die Bürger könnten erwarten, dass „die Herausforderungen und Bedrohungen der Lebensqualität durch den Klimawandel, die Ressourcenverknappung und zunehmende soziale Verwerfungen“ zur vorrangigen Aufgabe der Politik würden. Es gebe eine lange Historie hohler Versprechen von der Stadt. „Wir meinen: Aus Reden muss endlich Handeln werden“, so Schindler.

Der Senat hatte das Nachhaltigkeitsforum vor zwei Jahren selbst einberufen, um die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde zu begleiten. In dem Forum wirken mehr als 25 Organisationen aus Umwelt und Wirtschaft, Kultur und Bildung sowie Sozialverbände und Gewerkschaften mit. Ausdrückliche Aufgabe des Gremiums ist es, der Politik Empfehlungen zu geben.

Für Ende 2018 angekündigtes Monitoring noch nicht beschlossen

Hamburg hatte sich zur Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Uno verpflichtet, habe aber „weder personell, noch finanziell oder strategisch bisher die Voraussetzungen dafür geschaffen“, kritisiert das Forum. Zwar gebe es gute Projekte, erforderlich sei aber eine strategische statt einer projektorientierten Schwerpunktsetzung. Ein Monitoring- und Berichtssystem mit Zielen und Indikatoren, das der Senat bis Ende 2018 angekündigt hatte, sei bis heute nicht beschlossen, kritisiert das Forum. Es plädiert für einen überschaubaren Kernkatalog von wenigen Indikatoren mit klaren Zielwerten und Fristen sowie darüber hinaus Spezialindikatoren für einzelne Bereiche. In der Vorlage aus der Umweltbehörde seien 105 Indikatoren genannt – aber ohne quantitative, nachprüfbare Zielsetzungen und ohne Fristen, kritisiert Jochen Menzel vom Zukunftsrat Hamburg. „Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie müssen messbare Ziele und Fristen sein.“ Als übergreifende Indikatoren schlägt das Forum den ökologischen Fußabdruck für die Stadt und den Hamburger Wohlfahrtsindex vor.

Solidarität mit Fridays for Future

„Wir müssen Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammendenken“, sagt Katja Karger, DGB-Vorsitzende in Hamburg und zweite Sprecherin des Forums. Nicht zuletzt müsse die Stadt auch das eigene Beschaffungswesen sowie die Bautätigkeit an Nachhaltigkeitskriterien knüpfen – ebenso wie die Wirtschaftsförderung. Kai Hünemörder, Leiter des Zentrums für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik der Handwerkskammer, ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft noch stärker eingebunden und beteiligt wird. „Die Aktivitäten von breiten Teilen der Jugend sind eine Kraftquelle, die man nicht zu gering schätzen kann“, sagte er mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung. „Wenn wir uns nicht rasch gemeinsam auf den Pfad der Nachhaltigkeit begeben, ist der Zusammenbruch der alten Wohlstandsidylle programmiert.“

Stabsstelle im Rathaus hätte mehr Durchschlagskraft

Die Forderung des Forums ist klar: Nach der Bürgerschaftswahl müsse die neue Landesregierung eine Stabsstelle in der Senatskanzlei einrichten, weil Nachhaltigkeit alle Bereiche betreffe und so viele Themen, bei denen es zu Zielkonflikten komme, besser moderiert werden könnten. „Das hätte eine ganz andere Durchschlagskraft“, sagt Karger. „Die Umweltbehörde ist immer in einer Bettelposition.“