Hamburg. Dadurch sollen auch alte Menschen geschützt werden, bei denen die Impfung weniger effektiv ist. Was Sie noch wissen sollten.
Eine Influenza kann bei manchen Menschen Komplikationen wie Lungenentzündung und Herzinfarkt auslösen und sogar tödlich verlaufen. Daher macht die Hamburger Gesundheitsbehörde vor jeder Grippesaison mit einer Plakatkampagne in S- und U-Bahnen auf die Grippeschutzimpfung aufmerksam und bietet Beratungen und Impftermine an. Angesprochen werden vor allem über 60-Jährige – aber auch chronisch Kranke und Schwangere.
Da bei gesunden Kindern, die an Grippe erkranken, in der Regel keine schwerwiegenden Komplikationen auftreten, sprechen die Ständige Impfkommission (STIKO) und das Robert-Koch-Institut (RKI) für sie bislang keine ausdrückliche Impfempfehlung aus. Die Stiftung Warentest, die die Empfehlungen seit 2012 durch unabhängige Experten überprüfen lässt, sieht das anders. Sie lehnt eine generelle Impfung der Über-60-Jährigen ab, da sie bei ihnen nicht ausreichend wirke. Stattdessen plädiert sie für die allgemeine Impfung gesunder Kinder – und wird bei dieser Forderung von dem Hamburger Kinderkardiologen Dr. Stefan Renz unterstützt.
Sollten Eltern ihre Kinder impfen lassen?
Der Vorsitzende der Hamburger Kinderärzte findet es bedauerlich, dass sich die Impfempfehlungen nur auf chronisch kranke Kinder und eventuell deren Geschwister bezieht. „Wir würden es begrüßen, wenn alle Kinder geimpft würden. Gerade sie verbreiteten die Viren über ihre zahlreichen, engen Sozialkontakte sehr stark und sind damit die größten Multiplikatoren.“ Eltern, die Angst vor Nebenwirkungen haben, kann er beruhigen: „Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle, im Höchstfall ein bisschen Fieber – alles bei Weitem nicht so schlimm wie eine Grippe.“
Bei der ersten Grippeimpfung sollten Kinder zweimal geimpft werden. Weil die Immunisierung bei ihnen besonders gut anschlage, entwickele mehr als die Hälfte eine zuverlässige Immunität gegen das Virus – auch, wenn der kursierende Grippestamm nicht genau dem Virus entspreche, aus dem der Impfstoff entwickelt würde. Damit gehe von ihnen auch keine Ansteckungsgefahr für Ungeimpfte und Risikogruppen mehr aus. Statt mit einer Spritze ist für Kinder und Jugendliche von zwei bis 17 Jahren die Grippeimpfung auch mit einem Nasenspray zugelassen. Dessen Wirksamkeit wurde zwischendurch aber angezweifelt. „Bei mir gibt es daher einen Piks“, so Renz.
Während das kindliche Immunsystem mit einer breiten Palette unterschiedlicher Antikörper optimal auf die Grippeimpfung reagiert, ist die Effektivität bei über 60-Jährigen deutlich niedriger. „Ihr Immunsystem bringt nur noch wenige Antikörper-Varianten hervor. Eine Impfung möglichst aller Kinder kann die Zahl der an Grippe Erkrankten daher deutlich senken und wäre auch der beste Schutz für alte Menschen“, betont Renz. In anderen EU-Ländern werde das schon längst praktiziert. Neben Finnland, Lettland und Malta, der Slowakei und Slowenien werden auch im Vereinigten Königreich Kinder gegen Grippe geimpft; in manchen Ländern bereits ab sechs Monaten, in anderen ab zwei Jahren.
Warum sollen sich gesunde Ältere impfen lassen?
Da bei Menschen ab 60 Jahren das Immunsystem und die Antikörperproduktion schwächer werden, kann eine Grippeinfektion bei ihnen deutlich heftiger und bedrohlicher ablaufen. Sie haben ein erhöhtes Risiko, dass die Erkrankung bei ihnen einen schweren Verlauf nimmt, zu Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Herzinfarkt führen oder sogar tödlich verlaufen kann. „Die Sterblichkeit bei Grippe liegt bei 0,5 Prozent, das bedeutet, dass fünf von 1000 Patienten sterben – und es sind immer die älteren, und zwar zwischen der siebten und der 13. Kalenderwoche“, sagt Professor Martin Scherer, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Gleichzeitig sprächen Ältere aber nicht mehr so gut auf dem Impfstoff an, könnten also trotz einer Impfung an Grippe erkranken. Daher stehe für Menschen ab 65 Jahren ein Wirkstoffverstärker zur Verfügung. Dieser könne bei manchen Patienten Sinn machen, so Scherer, sei aber nicht generell erforderlich.
Für wen ist der Impfschutz noch wichtig?
Die Hamburger Gesundheitsbehörde verweist darauf, dass auch medizinisches Personal in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen sowie Personal aus Einrichtungen mit Publikumsverkehr geimpft sein sollten. „Wer selbst geimpft ist, schützt nicht nur sich, sondern auch andere vor einer Ansteckung“, so ein Sprecher. Bei einer Impfung müsse bedacht werden, dass der Impfschutz erst nach zehn bis 14 Tagen wirksam werde. Auch sollte geklärt werden, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt.
Kann die Grippeimpfung krank machen?
„Das ist unmöglich. Der Impfstoff enthält nur abgetötete Erreger“, sagt Professor Martin Scherer. Auftreten könnten lediglich Rötungen oder Schwellungen an der Einstichstelle – oder ein allergischer Schock bei Menschen mit einer Hühnereiweiß-Allergie. Wer von einer Grippeerkrankung als Folge der Impfung berichte, habe eher die Symptome falsch gedeutet. Eine Grippeimpfung schütze nur vor Influenza-, nicht aber vor Erkältungsviren. Den Unterschied zwischen Erkältung und Grippe erklärt er so: „Eine Erkältung bahnt sich langsam an: erst Kratzen im Hals, dann Schnupfen und schließlich Reizhusten. Bei einer Grippe kommt auf einmal: hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Man fühlt sich ,wie vom Zug überfahren‘.“
Schützt der Impfstoff in jedem Fall vor der Grippe?
Wie gut die Impfung gegen Grippeviren schützt, hängt immer davon ab, welche Virusstämme im jeweiligen Jahr kursieren. Weil die Produktion des Impfstoffs lange dauert, muss die Weltgesundheitsorganisation bereits sechs Monate vor jeder Grippesaison entscheiden, gegen welche Virusvarianten der Impfstoff schützen soll. Dabei orientiert sie sich an den Grippeerregern in Australien. Der Impfstoff ist also in manchen Jahren besser und in anderen weniger gut auf die aktuellen Viren abgestimmt. In der Regel schützt er laut RKI vor gut der Hälfte der Influenzaerkrankungen. Diese sollen bei Geimpften, die es trotzdem trifft, milder und mit weniger Komplikationen verlaufen.
Womit wird geimpft?
Seit der vergangenen Saison ist ein Vierfach-Impfstoff Standard. Er enthält Bestandteile von je zwei Erregern der Grippeviren Influenza A und Influenza B. Der Vierfach-Impfstoff soll grundsätzlich einen besseren Schutz bieten als der früher übliche Dreifach-Impfstoff. In dieser Saison können sich auch Menschen, die gegen Hühnerei allergisch sind, impfen lassen: Es gibt jetzt einen Impfstoff, der nicht auf Hühnereiweiß basiert.
Wie hoch ist die Impfquote in Hamburg?
Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz führt keine Statistik über die Zahl der Grippeimpfungen der Hamburger Bevölkerung. Sie verweist aber darauf, dass in den Gesundheitsämtern der Bezirke die Nachfrage um etwa ein Drittel gestiegen sei. Wurden dort in der Saison 2014/ 2015 lediglich 264 Menschen geimpft, waren es in der vergangenen Saison 698.
Kinderkardiologe Renz fordert Gesamtzahlen für ganz Deutschland: „Bislang sammelt das RKI Informationen darüber, wie viele Menschen sich impfen lassen. Diese Zahlen sind aber nicht repräsentativ. Daher brauchen wir ein nationales Impfregister.“
Ist genug Impfstoff in Hamburg vorhanden?
Der Bestand der verfügbaren Impfstoffdosen in Apotheken und Arztpraxen wird weder in der Gesundheitsbehörde noch beim Robert-Koch-Institut zentral erfasst.