Hamburg. Netzwerk Zonta kämpft seit 100 Jahren für Frauenrechte. Am Montag sollen viele Gebäude weit sichtbar illuminiert werden.

Was faszinierend aussieht und Teile Hamburgs in ein magisches Licht tauchen soll, hat einen überaus ernsten Hintergrund: Mit der Farbe Orange setzt das internationale Frauennetzwerk Zonta Leuchtzeichen gegen Gewalt und Missbrauch an Mädchen und Frauen. Weltweit. Unübersehbar. Am kommenden Montagabend werden markante Gebäude der Stadt illuminiert – von der Fischauktionshalle, dem Atlantic, dem Grand Elysée sowie dem Hotel Hafen Hamburg bis zur Galerie der Gegenwart und Schmidts Tivoli.

„Zonta says No“, heißt das offizielle Motto. Zonta sagt Nein. Dahinter steht die älteste und größte Frauenorganisation der Erde. Seit der Gründung 1919 in den USA engagieren sich berufstätige, kreative Frauen in gehobenen Positionen für die Stärkung von Frauen und für deren Rechte. Vor der eigenen Haustür quasi, im In- und im Ausland. Ähnlich wie bei Rotary oder Lions mit Frauen wie Männern, kümmern sich die Zontians um soziale und gesellschaftliche Themen. In 1200 Clubs in 63 Ländern sind knapp 30.000 Frauen verbunden.

Wert wird auf unterschiedliche Berufe, Qualifikationen und Perspektiven gelegt. Managerinnen, Geschäftsfrauen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und andere Berufsgruppen sollen das Spektrum der Gesellschaft widerspiegeln, lebhafte Diskussionen bescheren und Initiativen mit Sinn fördern. Jeder Club unterstützt eigene Projekte, hilft benachteiligten Mädchen und wohnungslosen Frauen, steht alleinerziehenden Studentinnen mit Rat und Tat zur Seite. Mit oft gutbürgerlichem Hintergrund treten die Mitglieder Hand in Hand für ihre Ideale und Frauenrechte ein. Niveau, Stil und Prinzipien werden traditionell gepflegt.

Jubiläumsgala in der Handelskammer

Der 100. Gründungstag wird groß gefeiert. Am 12. Dezember steht im Rathaus ein Senatsempfang mit anschließender Jubiläumsgala in der Handelskammer auf dem Programm. 500 Frauen – und Männer – haben zugesagt. Allesamt gute Gründe, einen Blick hinter die Kulissen einer Organisation zu werfen, die eine Menge Handfestes unternimmt, in der Öffentlichkeit indes nicht jedem bekannt ist. Hanseatisches Credo: Handeln ist Trumpf, Reden nicht unbedingt.

Dass sie das eine wie das andere beherrschen, beweisen vier „Zontians“ beim Abendblatt-Termin. In einem Café am Rathaus werden die nur für das Foto genutzten orangefarbenen Schals abgelegt. „Nein, wir stricken nicht, und wir backen auch keine Plätzchen“, sagt Irina Rohpeter augenzwinkernd, wahrscheinlich auch, um etwaige Vorurteile im Keim zu ersticken.

Die 38 Jahre alte Modedesignerin aus Eimsbüttel, im Club Elbufer aktiv, betont die unterschiedlichen Projekte ihrer Organisation, das kreative Clubleben, das starke Netzwerk. „Mich interessiert besonders das soziale Engagement“, ergänzt Johanna Lessmann, mit 79 Jahren an diesem Nachmittag die Älteste im Quartett. „Bei Zonta hat man die Chance, konkret etwas zu bewirken.“ Die promovierte Kunstgeschichtlerin ist seit 1988 im Club Hamburg dabei. Dieser war 1931 der erste in Deutschland und der zweite in Europa.

Thema Gewalt sichtbar machen

Dritte im Bunde ist die Journalistin Angela Meyer-Barg (Club Elbufer). „Jede bringt ihre persönlichen Fähigkeiten ein, um anderen Frauen zu helfen“, weiß sie. Ein fein gewebtes Netzwerk sei kein Widerspruch. „Mit den Leuchtzeichen machen wir das Thema Gewalt sichtbar und regen zum Handeln an“, sagt Gesa Tornow. Die promovierte Juristin, Justiziarin in einem Notariat in der Hamburger Innenstadt, ist 44 Jahre alt und engagiert sich im 2012 gegründeten Club Hafen. Sie ist ebenso wie die Modedesignerin Irina Rohpeter Mutter.

Die vier Damen am Tisch, das beweist sich rasch, verfügen über Aussagekraft wie Bodenhaftung. Unabhängig von durchaus vitalen gesellschaftlichen Aktivitäten sei Zonta von einem lauschigen Damenkränzchen meilenweit entfernt. Einige Grundsätze gleichen denen bei Lions oder Rotary. Die Zontians legen Wert auf Persönlichkeiten aus möglichst vielen Bereichen des Berufslebens. Und sie treffen sich in der Regel einmal monatlich an verschiedenen Orten: Restaurants, Hotels, Galerien, Museen, bisweilen privat. Im Mittelpunkt stehen Vorträge, Diskussionen, Projekte. Meist wird gemeinsam gegessen. Zwar hören die Damen den Begriff Anwesenheitspflicht nicht gerne, dennoch besteht sie. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Und die Präsidentinnen müssen regelmäßig wechseln. Das bringt immer neuen Schwung.

Da man erst als gestandene Berufstätige aufgenommen werden kann, sind die jüngsten Mitglieder Anfang 30. Mit 98 Jahren Seniorin in Hamburg ist Julia Dingwort-Nusseck, früher erste Frau im Präsidium der Deutschen Bundesbank. International bekannte Mitstreiterinnen waren oder sind die ehemalige philippinische Staatspräsidentin Corazon Aquino, die norwegische Schauspielerin Liv Ullmann oder Königin Silvia von Schweden.

Kleine Schritte

Es eint der Wille, in kleinen Schritten Gleichberechtigung und Stärkung der Frauenrechte voranzutreiben – weltweit und in jeder Hinsicht. Stichworte sind Bildung, Kampf gegen Kinderehen und Gewalt, auch häuslicher Art, für ein selbst bestimmtes Leben. Die Clubs initiieren eigenen Projekte oder beteiligen sich an bestehenden Hilfsaktionen. Gute Beispiele sind „Stop“ („Stadtteile ohne Partnergewalt“), das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“, „Dolle Deerns“, ein Schutzraum für Mädchen in Wilhelmsburg, „Madame Courage“ zur Unterstützung alleinerziehender Studentinnen oder „Kemenate“, ein Tagestreff für obdachlose Frauen in Eimsbüttel.

Auch begabten Wirtschaftswissenschaftlerinnen wird hilfreich zur Seite gestanden. Die Fakten sind alarmierend. Daher besteht Handlungsbedarf. Im Schnitt jede dritte Frau hierzulande ist von sexueller und anderer körperlicher Gewalt betroffen. 25 Prozent der weiblichen Bevölkerung Deutschlands erleiden diese Torturen in der Partnerschaft. Und 42 Prozent widerfährt psychische Gewalt. Man muss nicht weit blicken, um Unrecht zu entdecken.

Eben deswegen sagt Zonta Nein. Der 25. November, Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, ist Anlass, das Augenmerk auf solche Probleme zu richten. Und zwar in der Farbe Orange. Der 2008 von den Vereinten Nationen gestarteten Aktion „Orange the World“ mit einem entsprechend illuminierten Rathaus in New York wird in Hamburg am 25. November zum dritten Mal gefolgt, mit wachsender Beteiligung und Aufmerksamkeit. Der Aufruf: „Beleuchte deine Stadt.“

Bäckerinnung unterstützt Aktion mit 400.000 Papiertüten

„Wir setzen ein Zeichen und lassen Hamburg orange erstrahlen“, sagen die vier Zontians quasi unisono. Schirmherrin ist die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Mehrere Dutzend Firmen, Institutionen und Vereine machen mit.

Im Stadtteil Steilshoop werden am Montag mehr als 30 Gebäude beleuchtet. Läden in der Waitzstraße in Groß Flottbek machen mit, neun Budni-Filialen, das Museum der Arbeit, Hamburg Wasser, das Casino Esplanade und die Frauenklinik an der Elbe. Der Norddeutsche Regatta Verein, der Hamburger und Germania Ruder Club sowie der Ruderclub Allemannia von 1866 sorgen an der Alster für ein kleines Leuchtfeuer. Überall gilt das Prinzip: Jeder Unterstützer bezahlt die Illumination selbst und unterstützt dadurch im Kleinen das große Ganze. Weggucken fällt schwer.

Der 25. November soll ein Signal sein, auf die Problematik Aggression gegen Frauen hinzuweisen. Vielfältige Aktivitäten sind geplant. So verpacken Geschäfte der Hamburger Bäckerinnung ihre Waren in 400.000 Papierbeuteln mit der Aufschrift „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. Unter dem Strich hoffen die hanseatischen Zontians neue Unterstützer für ihre Ideale zu finden. Männern übrigens wird die Mitgliedschaft laut Satzung nicht grundsätzlich verwehrt. Zumindest in Hamburg hat sich bisher jedoch keiner in den Club von Frauen für Frauen getraut. Ist dies die Ursache, dass Hamburgs Rathaus am Montag nicht auf der offiziellen Liste der Leuchtobjekte steht? Und dass die Hauptkirchen im Dunkeln bleiben? Aber es ist ja noch Luft nach oben.