Hamburg. Autonomes Zentrum entstand 1989. Die Linke gratuliert, die CDU möchte, dass die Aktivisten “mit 30 endlich von zu Hause ausziehen“.

Seit 30 Jahren will die Rote Flora den Herrschenden in Hamburg das Leben schwer machen, doch die finden das Autonomenzentrum gar nicht mehr schlimm – und teilweise sogar richtig gut. Besonders die Grünen halten ihre schützende Hand über das linke Projekt. „Die Rote Flora ist ein Stück Kultur dieser Stadt“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft, Antje Möller.

Die SPD stellt sehr viel nüchterner fest, dass sich die Flora auch nach 30 Jahren nicht in die Stadtgesellschaft integriert habe. Vor dem Hintergrund des friedlichen Verhaltens in den vergangenen Monaten sei eine Räumung aktuell aber kein Thema, sagt der SPD-Innenpolitiker Sören Schumacher. Diese Linie hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor ein paar Monaten schon vorgegeben.

Seit 1989 "besetzt"

Nach eigenem Selbstverständnis halten die Rotfloristen das ehemalige Theatergebäude im Schanzenviertel seit dem 1. November 1989 besetzt. Tatsächlich dulden die Eigentümer - zunächst die Stadt, dann von 2001 bis 2014 ein privater Immobilienunternehmer und seitdem die Lawaetz-Stiftung - die Nutzung durch die linken Initiativen. Tschentscher hatte die Übernahme durch die städtische Stiftung als Finanzsenator eingefädelt.

Nach den Krawallen während des G20-Gipfels im Juli 2017 schien die Räumung des Zentrums nahe. Führende Vertreter der Roten Flora hatten die Demonstration „Welcome to Hell“ mitorganisiert, die zum Ausgangspunkt der Gewalt wurde. Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gab den Betreibern der Roten Flora eine Mitschuld an der Eskalation. Doch Monate später setzte sich im G20-Sonderausschuss der Bürgerschaft die Erkenntnis durch, dass die Rote Flora selbst kaum zu den Krawallen beigetragen hatte. Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erklärte, die Flora habe bei den Ausschreitungen keine aktive Rolle gespielt.

Einladung zur "G30-Geburtstagsparty"

Flora-Veteran Andreas Blechschmidt erinnerte kürzlich in einer Streitschrift daran, dass eine Vollversammlung des Zentrums die Gewalt damals scharf als „Mackergehabe und Unverantwortlichkeit“ kritisiert habe. Andere Teile der linksradikalen Szene hätten der Roten Flora daraufhin „kriecherischen Opportunismus“ vorgeworfen. Tatsächlich ist die Autonomenhochburg ein Stachel im Fleisch der zumeist anti-Israel-eingestellten Szene: Das weitaus größte Transparent am Gebäude während der G20-Proteste trug die Aufschrift: „Gegen jeden Antisemitismus“.

Die Einladung zur „G30-Geburtstagsparty“ der Flora klingt wenig nach Aufbruch: „Viele haben sich engagiert, ausprobiert aber auch verausgabt und aufgerieben in politischen Auseinandersetzungen zwischen Hausmeisterei und Weltrevolution.“ Blechschmidt bestätigt im dpa-Interview: „Es ist mühseliger geworden. Es ist wie eine Großraum-WG, wo man sich über Putzpläne und schlecht aufgeräumte Partys ärgert.“ Das Haus werde von bis zu 400 Menschen genutzt. Zu den Vollversammlungen kämen maximal 100. Der Altersdurchschnitt sei deutlich Ü30, es gebe Aktivisten, die inzwischen mehr als 70 Jahre alte seien.

Selbst Gegner fordern nicht mehr die Räumung

„Trotz mancher Schwankungen und Rückfälle hat sich die Flora in den vergangenen Jahren von der militanten Szene eher entfernt“, konstatiert der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Carl Jarchow. Wenn der relativ befriedete Zustand anhalte, werde das Thema im bevorstehenden Bürgerschaftswahlkampf keine besondere Rolle spielen.

Auch die Gegner des Zentrums in der Bürgerschaft fordern nicht mehr die Räumung. „Mit 30 Jahren sollte man endlich mal von zu Hause ausziehen“, meint CDU-Fraktionschef André Trepoll väterlich. AfD-Chef Dirk Nockemann bekundet: „Unsere Freude über das Jubiläum hält sich in Grenzen - wir hoffen, es wird das Letzte.“

Glückwunsch von der Linksfraktion

Die Linksfraktion gratuliert der Roten Flora zum 30. Jubiläum. In ihrem Glückwunsch spannt die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider einen weiten Bogen: „Eine Stadt, die der gutbürgerlichen Gesellschaft für fast eine Milliarde Euro mit der Elbphilharmonie einen Kulturtempel errichtete, muss kulturelle Freiräume wie die Rote Flora, ihre politische Widerständigkeit und ihre „Unverträglichkeit“ ertragen.“

Wie das spektakuläre Konzerthaus am Hafen lockt die Flora Touristen an. Sie bleiben vor dem Gebäude stehen, sehen sich die Plakate an, machen Selfies. „Hier ist es anders als im Rest der Stadt. Hier gefällt es mir besser: Man spürt, man braucht nicht reich zu sein, um glücklich zu sein. Dieser Ort ist für alle offen“, meint Christine Moral aus Grenoble. Sebastian Scharnagl aus Selb in Bayern sagt: „Du siehst die Yuppies auf ihren Fahrrädern vorbeifahren und nebendran schlafen die Obdachlosen. Man lebt hier in einer Gemeinschaft, es wirkt offen, ehrlich durchmischt.“ In den umliegenden Restaurants und Kneipen heißt es: Die Nachbarschaft zur Roten Flora sei entspannt. „Früher war es ein bisschen wilder, bei G20 haben wir zwei Tage geschlossen, aber jetzt ist alles ruhig, sehr ruhig“, sagt Osman Khan, der Betreiber eines pakistanischen Restaurants am Schulterblatt

Flora-Bewohner: "Dankbar für Dach über dem Kopf"

Seit zwei Jahren wohnt Basti unter dem Vordach der Flora. Der 42-Jährige ist dankbar dafür: „Ich habe hier ein Dach über dem Kopf. Der Roten Flora wünsche ich, dass sie nochmal 30 wird.“ Über das Vordach ist ein großes Banner zur Unterstützung der Kurden in Syrien gespannt: „Rojava bleibt!“ Neben der Eingangstür hängt ein Plakat: „Einladung zum Laternenumzug für Klein und Groß.“