Hamburg. Hamburger Fotograf begleitet Frank-Walter Steinmeier seit mehr als zwei Jahren. So ist ein beeindruckendes Buch entstanden.
Er hat mit Johannes Rau Skat gespielt und sich neben Horst Köhler auf einer Berghütte die Zähne geputzt. Mit Joachim Gauck ist er gesegelt und mit Frank-Walter Steinmeier in Südtirol gewandert. Christian Irrgang ist ein leiser Beobachter, ein stiller Schatten der vier bundesdeutschen Staatsoberhäupter. Der Fotograf aus Volksdorf ist der Hamburger, der den Bundespräsidenten am nächsten kam. Und über alle vier hat er opulente Bildbände gemacht. Das Buch über Steinmeier erscheint am heutigen Montag.
Irrgang hat den früheren Außenminister, SPD-Kanzlerkandidaten und Fraktionschef seit dem Einzug ins Schloss Bellevue im März 2017 begleitet. Jetzt hat der Erste Mann im Staate die Hälfte seiner Amtszeit absolviert, und der Bildband zeigt die Amtsgeschäfte, Begegnungen, Auftritte und Reisen sowie die kleinen Fluchten des Menschen Steinmeier in einen Alltag. „Ich habe rund 100 Tage fotografiert und 23.400-mal den Auslöser gedrückt“, bilanziert der Fotograf aus Volksdorf. Ausschließlich in Farbe und digital. „Das entspricht etwa 650 Kleinbildfilmen. Und aus 1480 Aufnahmen habe ich die 130 ausgesucht, die jetzt im Buch enthalten sind.“ Aus ästhetischen Gründen werden manche in Schwarz-Weiß gezeigt.
Irrgang war oft an Steinmeiers Seite
So war Christian Irrgang dabei, als Steinmeier sich die Haare schneiden ließ oder die damaligen Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) zum Gespräch über die Regierungsbildung im Schloss Bellevue antraten. Irrgang verfolgte die Visite beim japanischen Kaiserpaar ebenso wie den Besuch auf der Kieler Woche. Flog in der Präsidenten-Maschine mit in die USA und fing die gelöste Arbeitsatmosphäre ein. Wartete im Schloss Bellevue, als der türkische Präsident Erdogan seinen Amtskollegen bei der Aufstellung fürs Foto zurechtwies.
In Stil und Methode orientiert sich Irrgang, der seine Ausbildung am Lette-Verein in Berlin absolviert hat, an den amerikanischen White-House-Fotografen, die in großen und authentischen Bildern ihre Präsidenten zeigen. Dies gelingt aber nur, wenn das Gegenüber dem Lichtbildner vertraut und Nähe zulässt. „Ich arbeite möglichst unauffällig, der Bundespräsident soll meine Anwesenheit vergessen.“
Der 62-Jährige möchte Situationen abbilden und keine inszenierten Porträts. „Es geht immer um die Frage ‚Will ich Freund des Fotografierten sein oder möchte ich gute Bilder haben?‘“ Für ein scharfes Bild brauche er mehr als eine Armlänge Distanz, und vor dem geistigen Auge erscheine immer der Sucherrahmen. Und so hat er häufig hinter Steinmeier, den er immer mit „Herr Bundespräsident“ angesprochen hat, gestanden und fotografiert. „Ich habe dann gesehen, was er sieht. Zum Beispiel die vielen Kollegen bei öffentlichen Terminen oder die Menschen, denen es nicht um ein Gespräch mit dem Präsidenten geht, sondern um ein Selfie.“
Wichtige Ratgeberin
In den drei vorangegangenen präsidialen Bilderbögen über Rau, Köhler und Gauck kamen die Gattinnen und die Lebensgefährtin zwar vor, aber die Hauptrolle spielten die Männer. In diesem Buch geht es jetzt in einem Kapitel allein um die Partnerin, Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender. Ihr Motto: „Mein Mann hat das Amt, und ich habe eine Rolle.“ Und die füllt die Verwaltungsrichterin mit Freude, Engagement und Sympathie aus. So hält sie die Rede zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“, und ihr Mann hört in der ersten Reihe zu. Nimmt Menschen beim Bürgerfest in den Arm und isst protokollarisch fehlerfrei mit der Queen zu Mittag. Klönt mit Kindern auf der Hamburger Hallig und trotzt dem Regen auf den Galapagos-Inseln. Ist ihrem Mann seit Studientagen an der Uni Gießen eine Gefährtin auf Augenhöhe. „Ich glaube, wir lieben uns wirklich“, sagt Elke Büdenbender in dem Buch.
Christian Irrgang glaubt das sofort, denn er war mit der heute 57-Jährigen auch allein auf Reisen. „Frau Büdenbender lacht viel, ist sehr herzlich, neugierig und zugewandt. Sie ist für ihren Mann eine wichtige Ratgeberin, das Paar hat eine gemeinschaftliche Vorstellung von der Ausübung des Amtes. Deshalb ist es absolut gerechtfertigt, dass ihr Name im Buchtitel erscheint und die Unterzeile ,Paarlauf für Deutschland‘ heißt.“
Die Texte stammen von den Journalisten Andreas Borchers („Stern“) und Julia Schaaf („FAZ“), Autor Daniel Kehlmann hat ein Geleitwort geschrieben. Das Vorwort hat der Luxemburger Jean Asselborn verfasst, dienstältester Außenminister der EU sowie langjähriger Amtskollege und Freund Steinmeiers. „Asselborn möchte am 28. Oktober dabei sein, wenn wir das Buch im Schloss Bellevue vorstellen“, sagt Irrgang.
Für ihn wird es wohl die letzte Bundespräsidenten-Bilderfolge sein. „Der finanzielle und organisatorische Aufwand ist zu groß. Wenn allerdings eine Frau ins Amt kommt, dann könnte ich noch mal schwach werden.“