Berlin. Zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Presse-Agentur hebt Bundespräsident Steinmeier die Bedeutung von Qualitätsjournalismus hervor.
In einem historischen Kammermusiksaal, in dem später Weltstars wie David Bowie, U2 und Depeche Mode ihre Alben aufnahmen, schlägt der Bundespräsident nachdenkliche und mahnende Worte an. Frank-Walter Steinmeier ist am Montag zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin-Kreuzberg gekommen, um die Bedeutung freier und unabhängiger Medien für die Demokratie zu würdigen.
Der Nachrichtenagentur dpa, die Millionen Leser an dem Kürzel mit den drei Buchstaben hinter Meldungen und Korrespondentenberichten aus Deutschland und aller Welt kennen, gebühre Dank. „Wenn wir heute, sieben Jahrzehnte nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und der Gründung der dpa, nach den Gründen für das Gelingen dieses demokratischen Weges nach den Abgründen der Diktatur fragen, dann ist die Deutsche Presse-Agentur ein Teil der Antwort“, sagte Steinmeier. „Sie hat viel zum Gelingen dieser Demokratie beigetragen.“
Doch diese Demokratie sei bedroht. Steinmeier verurteilte Angriffe auf Journalisten und Politiker als Attacken auf die Demokratie. Zu seinem Entsetzen seien beide zunehmend Ziele von Angriffen, so der Bundespräsident. „Physische Gewalt bis hin zum Mordversuch oder gar Mord, wie jetzt bei Walter Lübcke – das sind Anschläge auf unsere politische Kultur, auf den inneren Frieden und auf die Demokratie.“
Medien müssen sich selbst Messlatte anlegen
Vor rund 300 Gästen aus Medien und Politik, darunter Julia Becker, die Verlegerin der Funke Mediengruppe, zu der auch das Hamburger Abendblatt gehört, beschrieb das Staatsoberhaupt den Umgang mit dem Fall Lübcke als eine Art Lackmustest für die Demokratie. Der Kasseler Regierungspräsident und CDU-Politiker war am 2. Juni erschossen worden. Ein in Untersuchungshaft sitzender 45-Jähriger, der jahrelang Kontakte in die rechtsextreme Szene hatte, hat die Tat gestanden.
„Am Fall Lübcke wird sich zeigen, ob unser Land und seine Institutionen aus den Morden des NSU gelernt haben“, sagte Steinmeier. „Vieles deutet darauf hin, dass wir es hier mit einer neuen Qualität des Rechtsterrorismus zu tun haben, dem wir mit aller Entschiedenheit und unter Einsatz aller staatlichen Mittel entgegentreten müssen.“
Steinmeier betonte, die Medien müssten aber auch sich selbst eine hohe Messlatte anlegen. Die Demokratie brauche keinen Journalismus, der Geschichten erfinde oder manipuliere, „sondern Demokratie braucht einen Journalismus, der recherchiert, der prüft, der analysiert, bevor er publiziert“.
Im Fegefeuer von News und Fake News sei die Demokratie „mehr denn je auf verlässliche Quellen angewiesen“, genauso wie auf eine Gewichtung und Einordnung von Nachrichten. Steinmeier rief Verleger und Eigentümer zu Investitionen auf, damit guter, anspruchsvoller Journalismus eine Zukunft habe.
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), erklärte, der Nachrichtenmarkt richte sich immer stärker am rasanten Takt der Live-Ticker aus und sei mit den sozialen Medien noch anfälliger für skandalisierende Nachrichten und auch für Desinformation geworden. Mit journalistischen Kardinaltugenden wie Sorgfalt,
Unvoreingenommenheit, der Trennung von Bericht und Meinung, Ausgewogenheit und Differenziertheit vermittele die dpa Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Medien. „Und genau das ist es, womit wir Populisten Paroli bieten können, während sie ihre Zerrbilder der Realität als alternative Fakten in den Raum werfen“, sagte Grütters.
Guter Journalismus braucht Selbstbewusstsein
ZDF-Chefredakteur Peter Frey rief in einer Diskussionsrunde zum Thema „Pressefreiheit in Gefahr? Demokratie in Gefahr?“ die Medien angesichts zunehmender Anfeindungen zu Selbstbewusstsein auf. „Wir dürfen uns nicht in die Defensive drängen lassen. Guter Journalismus braucht auch Selbstbewusstsein.“
Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hält mehr Transparenz der Medien gegenüber den Bürgern für nötig. Diese kritisierten heute oft, dass in den klassischen Medien die Themen, für die sie sich interessieren, viel seltener vorkommen als in den von ihnen genutzten Online-Medien. „Dieses Gefälle muss man den Menschen erklären.“
Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Springer-Chef Mathias Döpfner, zeigte sich besorgt über die Erosion der Institutionen in Deutschland. Diese sei nicht nur in der Politik, sondern auch in den Medien zu sehen. „Wir feiern heute den 70. Geburtstag der dpa. Wir wissen alle, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir den 100. noch feiern können.“
Die Nachrichtenagentur dpa war am 18. August 1949 gegründet worden. Sie versorgt als Marktführer in Deutschland Medien, Unternehmen, Parteien, NGOs und Behörden mit redaktionellen Angeboten. Gesellschafter der dpa sind 180 deutsche Medienunternehmen. (HA)