Hamburg. „Dialog mit dem Ende“ heißt die Ausstellung in Altona. Für eine Woche ist die Schau ab Sonntag im Leuchtfeuer Lotsenhaus zu sehen.

Vielleicht ist dies der berührendste Moment: Ein betagter Mann sitzt an einem Tisch, hinter sich ein Regal mit einer Batterie von Ordnern. Und dann spricht er diesen einen Satz: „Ich bin am Leben vorbeigegangen.“ Er hätte so gerne eine Familie gegründet, aber irgendwie habe es nie geklappt. Und nun sei er im Alter allein.

Der 88-Jährige zählt zu den insgesamt 14 Protagonisten eines Films mit einer Länge von 37 Minuten. 14 Frauen und Männer, die eines vereint: Sie sprechen über den Tod. Nicht abstrakt, sondern sehr persönlich, sehr intim. Denn es geht um ihr eigenes Sterben.

„Dialog mit dem Ende“ heißt die Ausstellung, die ab Sonntag für eine Woche im Leuchtfeuer Lotsenhaus in Altona (Museumsstraße) zu sehen ist. Die Assoziation mit „Dialog im Dunkeln“ ist gewollt. Denn Initiator Andreas Heinecke hat höchst erfolgreich in der Speicherstadt den „Dialog im Dunkeln“ entwickelt, wo blinde Menschen seit nunmehr 19 Jahren Besuchergruppen durch eine völlig abgedunkelte Ausstellung führen. Ergänzt wurde das Angebot inzwischen durch den „Dialog mit der Stille“ und den „Dialog mit der Zeit“.

Krebserkrankung zwang ihn zur Beschäftigung mit dem Tod

Und nun also das Ende. Der Tod. Das Sterben. Der promovierte Philosoph musste sich mit diesem Thema beschäftigen, als er vor Jahren schwer an Krebs erkrankte: „Damals blieb mir gar nichts anderes übrig, als mit dem Thema Ende in einen Dialog zu treten.“

Nur: Wie stell man das Thema Tod dar? Plastisch wie der Mediziner Gunther von Hagens mit seiner umstrittenen Wanderausstellung „Körperwelten“, wo er konservierte tote Körper zeigt? Dramatisch wie in den Sammlungen bekannter Kriegsfotografen?

„Dialog mit dem Ende“ geht einen ganz anderen Weg. In Sitzecken mit Monitoren und Hörstationen wird der Film in Endlosschleifen eingespielt. An Schautafeln hängen die Bilder der Protagonisten. Film wie Fotos sind Meisterwerke. Intensiv, emotional – und doch nie ins Sentiment abgleitend.

Zweieinhalb Jahre Arbeit

Heinecke hat für dieses Projekt genau die richtigen Mitstreiter gefunden. Steffen Baraniak, geboren in Leipzig, ausgebildeter Kunstschmied, dann Student für Kunstgeschichte und freie Kunst in Hamburg, ein brillanter Fotograf, der sich in seinen Arbeiten immer wieder intensiv mit Menschen am Rande der Gesellschaft beschäftigt. Und Sylvie Hohlbaum, freie Filmemacherin, Regisseurin und Dozentin an der Hamburger Medienakademie.

Zweieinhalb Jahre hat das Trio an der Umsetzung dieses Projekts gearbeitet, unterstützt von der Homann Stiftung und der Körber Stiftung.

Im „Haus am Park“ in Bergedorf lief die Ausstellung bereits im Frühjahr. Nun laden Film und Fotos in Altona ein, sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen. Und es geht keineswegs nur um hochbetagte Menschen. Eine erst 25-jährige Frau spricht offen über ihr lebensbedrohliches Krebsleiden. Sie nerven die Spielfilme über ihre Krankheit: „Jeder endet mit einem Happy End. Warum? Das regt mich auf.“ Eine ebenfalls schwer erkrankte 52-Jährige sagt: „Der Tod ist wie ein kleiner Berater an meiner Seite.“ Und der eingangs erwähnte Mann spricht ganz offen über einen Besuch in Ohlsdorf: „Vor zwei Jahren war ich im Krematorium und habe mir den Ofen angesehen, in dem ich landen werde.“

Achtsamkeit für das Leben

Manche Protagonisten des Films werden in den kommenden Tagen durch die Ausstellung führen, mit Besuchern über den Tod reden. Denn in einem sind sich alle einig: Es muss Schluss sein, dieses Thema zu tabuisieren.

Dies entspricht dem Leitgedanken des Lotsenhauses. „Die Beschäftigung mit dem Tod macht achtsamer für das Leben“, sagt die Theologin Peggy Steinhauser, Leiterin der 2007 gegründeten Einrichtung, die - einzigartig in Deutschland – Bestattung, Bildung und Trauerbegleitung vereint. In den Kursen zum Trauerbegleiter bittet sie die Teilnehmer stets, sich vorzustellen, sie hätten nur noch eine begrenzte Zeit zu leben: „Welchen Einfluss hat das auf ihr Leben jetzt? Was wäre ihnen noch wichtig?“

Joachim Schoss, Gründer von Scout24, beschäftigt sich seit 17 Jahren intensiv mit diesen Fragen. Im November 2002 hatten ihn die Ärzte nach seinem Motorradunfall in Südafrika – ein betrunkener Autofahrer hatte ihn gerammt – schon aufgegeben. Im Film spricht er über seine Nahtod-Erfahrungen: „Ich kam in einen dunklen Tunnel, der am Ende ein sehr warmes, willkommen heißendes Licht hatte.“ Schoss, der den rechten Arm und das rechte Bein verlor, sagt, dass er im Traum seine drei Kinder gesehen habe, die ihn angebettelt hätten zu bleiben. Ein „Dialog mit dem Ende“ ohne das Ende.

Die Ausstellung ist vom 13. bis 20. Oktober zu sehen, 10 bis 19 Uhr, Lotsenhaus, Museumstraße 31, Eintritt frei.