Hamburg. Verbietet das Bauen! Der provokante Vorstoß von Stadtplaner Daniel Fuhrhop erntet heftige Kritik – aber auch Zustimmung.

Wird in Hamburg zu viel gebaut? Diese Ansicht vertritt der Buchautor, Blogger („Verbietet das Bauen“) und Stadtplanungsexperte Daniel Fuhrhop. Im Abendblatt-Interview forderte Fuhrhop, lieber in den Bestand zu investieren. Neubau sei extrem klimaschädlich, viel besser seien intelligente Lösungen zum Wohnungstausch und zu optimierter Ausnutzung der Wohnfläche. Das Abendblatt dokumentiert die Stimmen zu dem Interview aus der Wohnungswirtschaft und aus der Politik.

Für Sönke Struck, Vorstandschef der Nord-Vertretung des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), ist die Forderung ‘Verbietet das Bauen’ „ein Schlag ins Gesicht derer, die seit langem eine Wohnung in Hamburg suchen. Und sie ist ein Affront gegenüber den Partnern im ‘Bündnis für das Wohnen’, die sich seit Jahren dafür engagieren, dass in Hamburg bezahlbarer Wohnraum entsteht.“

Auch Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) sagt, dass „den Stopp des Wohnungsbaus in Hamburg kann nur jemand fordern kann, dem soziale Folgen egal sind“. Ergebnis werde sein, dass noch mehr Menschen nicht in den Metropolen leben können und ins Umland abwandern müssen. "Klimaschutz kann aber nur funktionieren, wenn Menschen aller Schichten mitgenommen werden. Als das Projekt einer wohlhabenden Gesellschaftselite wird Klimaschutz scheitern", so Breitner. Der Schutz des Klimas sei den im VNW organisierten Wohnungsunternehmen ein wichtiges Anliegen. "Im vergangenen Jahrzehnt wurden durch die Wohnungswirtschaft allein in Hamburg 6,5 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert. Davon flossen rund 1,3 Milliarden Euro in die Modernisierung. Hinzu kamen Investitionen für Abriss und energetisch hochwertigen Neubau. In der Folge sank der Flottenverbrauch um gut ein Fünftel."

Lars Seidel, Geschäftsführer von Grossmann & Berger, hält es „für richtig und wichtig, in Bestandsobjekte zu investieren, und absolut sinnvoll, abzuwägen, ob ein Neubau lohnt“. Es gebe bereits viele Bestrebungen, bestehende Wohngebäude aufzuwerten. Ein seit Jahren aktuelles Thema für Bestandshalter sei beispielsweise der Dachgeschossausbau, durch den neuer Wohnraum geschaffen werden könne. "Hier tut sich bereits viel. Teilweise rechnen sich die nötigen und verpflichtenden Sanierungsmaßnahmen bei Bestandsobjekten jedoch nicht. Dann kann es sein, dass sich ein Neubau letztendlich mehr lohnt – sowohl in puncto Ökobilanz, als auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit." Dennoch müsse in klimafreundliches Bauen und alternative Baumaterialien mehr investiert werden. "Es gibt bereits einige fortschrittliche Ansätze, Rohstoffe beim Abriss von Gebäuden weiter zu verwerten". Auch das „Modulare Bauen“ sei ein Schritt in die richtige Richtung, Gebäude nachhaltig und recyclingfähig zu konzipieren, so Seidel.

Jens P. Meyer, stadtentwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion hält die Forderung für „absurd“: „Wenn weniger Wohnungen gebaut werden, würden die Immobilien-Preise weiter explodieren. Das würde all jenen schaden, die auf der Suche nach bezahlbaren vier Wänden in der Stadt sind.

Auch die Star-Architekten Hadi Teherani („Ich finde diese Aussage grausam. Wir leben in einer Demokratie, da sollte jeder selber entscheiden können, wie groß sein Haus oder Wohnung ist.“) und André Poitiers („Wir müssen bauen. In den Quartieren muss nachverdichtet werden und Wohnraum geschaffen werden, der den Bedürfnissen und Ansprüchen von alten Menschen entspricht", sagt Poitiers. "Dann würden diese auch aus ihren großen Häusern und Wohnungen ausziehen und dort könnten Familien einziehen") sehen Fuhrhops Thesen kritisch. Allerdings spricht sich Poitiers wie Fuhrhop dagegen aus, dass Grünflächen für Neubauprojekte geopfert werden.

Zustimmung kommt von Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke: „Provokante Thesen, aber in konkreten Einzelfällen sind sie oft richtig. Den City-Hof zu sanieren statt abzureißen wäre nachhaltig gewesen." Solange der Markt über Wohnungen bestimme, wird es keine leistbaren Mieten geben. "Egal, wie viele neue Wohnungen gebaut werden. Fuhrhop schwimmt und denkt gegen den Strom, das ist gut so."

Richard Winter, Niederlassungsleiter vom Immobiliendienstleister bei Jones Lang LaSalle, hält die „Anziehungskraft der Metropolen für ungebrochen. "Wie in der Gründerzeit im 19. Jahrhundert erfordert der jährliche Zuzug von 10.000 Menschen und mehr die Schaffung neuer Gebäude und Stadtquartiere. Nur so kann die Wohnungsknappheit beseitigt werden. Daneben wächst auch die Anzahl der Bürobeschäftigten kontinuierlich. Dafür braucht es Gewerbeflächen". Die Ausweisung neuer Baugebiete und Schaffung von Stadtquartieren sei das Gebot der Stunde.