Hamburg. Arasch R. soll den Anschlag im Gefängnis beauftragt haben. Er bekam lebenslänglich. Nun könnte das Urteil aufgehoben werden.
Es war ein spektakulärer Prozess, bei dem der Ex-Mongols-Rocker Arasch R. im Juni vom Landgericht Hamburg zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Das Gericht befand ihn für schuldig, aus dem Gefängnis heraus einen Mordanschlag auf den Hells-Angels-Anführer Dariusch F. in Auftrag gegeben zu haben. Auch R.s Freundin Lisa S. wurde bei dem Prozess verurteilt – sie soll den Mercedes gefahren haben, aus dem die beinahe tödlichen Schüsse abgefeuert wurden.
Knapp vier Monate später erfährt der Fall jedoch eine erstaunliche Wendung: Wegen eines Verfahrensfehlers ist es sehr wahrscheinlich, dass der Prozess neu aufgerollt werden muss. Die zuständige Kammer hatte versäumt, das schriftliche Urteil rechtzeitig einzureichen. Es ging genau einen Tag zu spät bei der Geschäftstelle ein. Die "Welt" hatte zuerst über den Fall berichtet.
Schüsse auf Hells-Angels-Boss: Schütze festgenommen
Die Verteidiger von Arasch R. waren in Revision gegangen und hatten unter anderem die versäumte Frist gerügt. Sie haben nun eine reelle Chance, dass der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufhebt und es zu einer neuen Hauptverhandlung kommt.
Mittlerweile wurde auch der mutmaßliche Schütze, der die Schüsse auf den Hells-Angels-Boss abgegeben hatte, festgenommen, was zusätzlich Bewegung in den Fall bringt. Er wurde aus Bulgarien nach Deutschland ausgeliefert und sitzt derzeit in Untersuchungshaft, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Mittwoch dem Abendblatt.
Berechnungsfehler führte zu Fristversäumnis
Zum Versäumnis der Frist sei es aufgrund eines Berechnungsfehlers gekommen, erläuterte Wantzen. Die Strafkammer habe das Urteil nach einer mündlichen Urteilsverkündung in einem bestimmten Zeitrahmen zu verschriftlichen und unterschrieben bei der zuständigen Geschäftsstelle einzureichen. Die Länge der sogenannten Absetzungsfrist hängt dabei von der Länge des Prozesse ab.
Im aktuellen Fall betrug die Frist neun Wochen – die Kammer ging jedoch fälschlicherweise von elf Wochen Bearbeitungszeit aus. Das Urteil hätte also spätestens am 5. August vorliegen müssen, wurde von der Kammer jedoch erst am 6. des Monats unterschrieben. "Das ist ein ärgerlicher Fehler, der nicht passieren darf", sagte Gerichtssprecher Wantzen. Der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann bedaure den Fehler sehr, ließ er über seinen Sprecher erklären.
Arasch R. wegen anderer Delikte bis Ende 2021 in Haft
Die Folgen des Verfahrensfehlers schätzt man bei Gericht abgesehen vom Verwaltungs- und Kostenaufwand in diesem Fall als gering ein. Denn: Auch eine Aufhebung des Urteils würde nichts an der momentanen Inhaftierung von Arasch R. ändern, da er wegen diverser Drogen- und Waffendelikte noch bis Ende 2021 zwei mehrjährige Haftstrafen absitzt.
Zudem hoffe man auf einen ähnlichen Prozessverlauf, da sich in der Hauptverhandlung nicht auf Zeugenaussagen, sondern auf sogenannte objektive Beweismittel berufen wurde, so Wantzen. Dazu gehörten etwa Geodaten, Handyauswertungen und ein Gesprächsmitschnitt aus dem Besucherraum der JVA Billwerder zwischen Arasch R. und seiner Freundin. Diese Beweismittel seien reproduzierbar.
Urteil gegen Freundin von Fehler nicht betroffen
Sollte es zu einem neuen Verfahren gegen R. kommen, wolle man zudem versuchen, dieses in den Prozess um den festgenommenen mutmaßlichen Schützen zu integrieren.
Das Urteil gegen die Freundin von Arasch R., die zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, ist von dem Verfahrensfehler nicht betroffen – ihre Anwälte waren nach der Urteilsverkündung nicht in Revision gegangen.