Hamburg. “Skandal“, “Katastrophe“, “E-Scooter-Generve“: Klimaaktivistin Luisa Neubauer diskutiert mit Peter Tschentscher auf dem Rathausmarkt.

Eigentlich war die Diskussion gar nicht als Duell angelegt. Denn zur Konferenz „Zukunft der Mobilität“ im Rahmen der Klimawoche waren am Donnerstag viele Experten ins Igluzelt auf dem Rathausmarkt gekommen: Vertreter der Verkehrsbetriebe, des Bundesverkehrsministeriums und der Städte Zürich und Wien (siehe unten). Bei der Abschlussdiskussion aber kam es vor allem zum Schlagabtausch zwischen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Luisa Neubauer, der bekanntesten deutschen Aktivistin der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ (FFF).

Dabei prallten zwei Grundhaltungen aufeinander: Hier der SPD-Politiker, der das große Ganze im Blick behalten und das Volk bei der Klimawende mitnehmen will und das Klimapaket der Bundesregierung als guten Einstieg in einen Wandel lobt – und dort die Aktivistin, die von Kompromissen auf kleinem GroKo-Nenner nichts wissen will und unter viel Beifall sagt: „Das Klima macht keine Kompromisse“.

Luisa Neubauer: Klimapaket ist ein „Skandal"

Das Klimapaket sei ein „Skandal, mit dem niemand leben kann“, befand Neubauer. „Nicht nur politisch sondern auch real nicht auf dieser Welt.“ Wenn andere Länder es machten wie Deutschland, wäre das „eine Katastrophe“ so die FFF-Aktivistin. Im Zweifel müsse man nun radikal sein – auch in der Verkehrspolitik. „Es ist kein Naturgesetz, dass Autos wichtiger sind als Menschen“, so Neubauer. „Wir müssen aufhören, uns in Stahl zu transportieren.“

Es sei bezeichnend, dass neben den beteiligten Parteien nur noch „die Autoindustrie das Klimapaket abfeiert“, sagte die Aktivistin. Die Gesellschaft müsse sich jetzt fragen, wie sie die motorisierte Individualmobilität radikal abschaffe. Mit E-Scootern jedenfalls löse man die Probleme nicht, die führten nur dazu, dass die Menschen „davon genervt sind“.

Auch Hamburg müsse deutlich ambitionierter werden und die Klimaneutralität nicht erst 2050, sondern 2035 erreichen, forderte die 23-Jährige. „Wenn eine Stadt wie Hamburg es nicht schafft, vor 2050 klimaneutral zu werden, wer dann?“ Natürlich werde man auch „demokratische, politische soziale Kämpfe ausfechten“ müssen. Aber über das Klima lasse sich eben nicht verhandeln.

Bürgermeister Tschentscher lobte das Klimapaket

Das sei alles „zu abstrakt und allgemein“, konterte Bürgermeister Tschentscher – und lobte das Klimapaket der GroKo als „Riesenfortschritt“. Bahnfahren werde billiger, Fliegen teurer, es gebe zwei Milliarden Euro für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und eine Förderung der Wasserstoffmobilität. Zudem werde der Fortschritt regelmäßig kontrolliert. Bereits in einem Eingangs-Statement hatte Tschentscher betont, dass es die Aufgabe von Politik sei, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen und nicht für eines alle anderen zu vernachlässigen.

Es gebe derzeit mehrere Entwicklungen parallel: die Digitalisierung, der wachsende Anspruch an Mobilität, der Trend zu wachsenden Städten – und die Herausforderungen des Klimaschutzes. Bei alldem sei es wichtig, die Menschen mitzunehmen, oder wie Tschentscher dann in der Diskussion sagte: „Wenn Sie Leute gegen die Wand drücken, ernten Sie Widerstand.“ Man müsse auch diejenige einbeziehen, die keine großen finanziellen Möglichkeiten hätten.

Auf den Hinweis des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken, der die Veranstaltung moderierte, dass Deutschland die Klimaziele der versprochenen CO2-Reduktion von 40 Prozent zwischen 1990 und 2020 nicht erreiche, räumte Tschentscher ein: „Wir haben in den letzten Jahren zu wenig getan.“ Nun sei es wichtig, nicht nur über Ziele zu reden, sondern vor allem über die konkreten Maßnahmen, mit denen diese erreicht werden könnten. „Ich bin für einen Wettbewerb über die besten Ideen für konkrete Maßnahmen“, so Tschentscher, der in der Diskussion deutlich emotionaler und energischer auftrat, als es sonst seine Art ist.

CO2-Belastung durch den Verkehr geht nicht zurück

Dabei musste der Bürgermeister auch zugeben, dass die CO2-Belastung durch den Verkehr nicht zurückgehe – vor allem, weil immer mehr Autos unterwegs sind. Hamburg steuere mit dem Ausbau der U- und S-Bahnen und dem „entscheidenden Projekt U5“ gegen und baue zudem seit 2011 das Radverkehrssystem aus. Vergleiche mit Städten wie Kopenhagen oder Wien seien dennoch nicht seriös, weil Hamburg viel weitläufiger sei. Hier könne man nicht jede Strecke mit dem Rad zurücklegen. Insgesamt sei Hamburg mit seinen Anstrengungen auf dem richtigen Weg, so Tschentscher auch in Richtung von Luisa Neubauer: „Wir werden zeigen, wie es geht.“

Auch Hamburgs S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke, der als Vorsitzender des Verbandes deutscher Verkehrsbetriebe (VDV) des Nordens auch Gastgeber der Veranstaltung war, hatte zuvor betont, dass es im Verkehr „noch keine nennenswerten Erfolge bei CO2-Einsparungen“ gebe. „Da bewegt sich so gut wie nichts“, so Arnecke, der zugleich vor einer neuen Stadtbahndiskussion warnte. Um endlich beim ÖPNV-Ausbau voranzukommen, brauche man jetzt Kontinuität.Das sah auch Hochbahn-Chef Henrik Falk so. Man brauche zum Erreichen der Klimaziele schnell Maßnahmen, so Falk. „Da hilft mir die Straßenbahn überhaupt nicht.“

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In einem waren sich die Chefs der Verkehrsbetriebe und Bürgermeister Tschentscher einig: Die Klimabewegung sei ein wichtiger Impuls – auch für die Verkehrswende. Oder wie es S-Bahn-Chef Arnecke am Ende zu FFF-Aktivistin Neubauer sagte: „Sie treiben uns vor sich her.“