Hamburg. Die Grundschule Rungwisch startet ein Konzept, bei dem Kinder in Gruppen zur Schule laufen. So soll der Autoverkehr verringert werden.

Für die einen ist es das Normalste auf der Welt, für die anderen ein Politikum: dass Kinder ihren Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen und nicht von ihren Eltern bis vor die Schuleinfahrt gebracht werden. Die sogenannten Elterntaxis sorgen seit Jahren für Ärger und für eine breite Diskussion darüber, wie man das hohe Verkehrsaufkommen vor den Schulen lösen kann.

Die Grundschule Rungwisch in Eidelstedt hat gestern ein neues Konzept eingeführt, um das Problem zu lösen. Und zwar den sogenannten Schulexpress, eine Idee, die von einer Bremer Initiative bereits 2004 ins Leben gerufen wurde und die seitdem an rund 130 Schulen in Bremen, Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Österreich praktiziert wird – Hamburg war bisher nicht dabei.

Die Zahl der Elterntaxis ist gestiegen

Die Idee ist simpel: In einem Umkreis von circa einem Kilometer rund um das Schulgebäude werden Treffpunkte mit einem Schild markiert, an denen sich die Kinder morgens in Gruppen zusammenfinden sollen und den Weg ab dort gemeinsam gehen. Schüler, die weiter entfernt wohnen, sollen von ihren Eltern – zur Not auch mit dem Auto – zu den Haltepunkten gebracht werden und von dort den Rest der Strecke in der Gemeinschaft zurücklegen.

Elf solcher Stationen haben die Projektorganisatoren im Umfeld der Schule markiert. Um die Motivation weiter zu erhöhen, soll es auch ein Belohnungssystem geben. „Kinder, die zu Fuß zur Schule gekommen sind, können sich vom Klassenlehrer einen Stempel geben lassen. Nach ein paar Wochen wird das dann zusammengerechnet, und die Klasse, die am meisten Zufußgeher hat, wird als Sieger gekürt“, so Schulleiter Erik Eiberger.

Zum offiziellen Start am Dienstag sind Schüler, Lehrer und Eltern in der Turnhalle zusammengekommen. Mit dabei war auch Verena Nölle, die den Schulexpress in Bremen ins Leben gerufen und die die Grundschule Rungwisch bei der Umsetzung begleitet hat. Sie verweist auf gute Erfahrungen an anderen Standorten: „Wir konnten binnen kürzester Zeit den Autoverkehr rund um die Schulen deutlich reduzieren.“

Genau das erhofft sich Schulleiter Eiberger auch durch das neue Konzept: „Die Zahl der Elterntaxis ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen“, sagt er. Die Gründe dafür seien zum einen Ängste, aber auch, dass der Einzugsbereich der Schule immer größer geworden sei. „Durch die freie Schulwahl kommt es eben auch vor, dass Schüler bei uns sind, die nicht im direkten Umfeld wohnen, sondern bei denen die Schule auf dem Weg zur Arbeit der Eltern liegt. Diese Eltern können ihre Kinder nun morgens auch an den Schulexpress-Haltestellen abgeben.“

Genaue Zahlen dazu, wie viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, gibt es nicht. Initiatorin Verena Nölle spricht von bis zu 35 Prozent, anderen Erhebungen zufolge sind es im Schnitt 17 Prozent. Als erwiesen gilt jedoch, dass Elterntaxis die Sicherheit vor Schulen durch regelwidriges Anhalten und riskante Wendemanöver gefährden.

Ähnliche Konzepte an anderen Hamburger Schulen

Auch die Stadt ist mit Projekten und Aktionswochen längst aktiv geworden, wie etwa mit der derzeit laufenden Aktion „Zu Fuß zur Schule“. Schuldirektor Erik Eiberger betonte zwar zu Recht, dass die Grundschule Rungwisch die erste Schule in Hamburg sei, die das Konzept „Schulexpress“ umgesetzt habe. Aber auch andere Schulen haben ähnliche Konzepte entwickelt. An der Grundschule Redder in Sasel etwa gibt es den „Laufbus“, der im Grunde funktioniert wie der Schulexpress. Auch dort treffen sich die Schüler an Treffpunkten und gehen den Weg gemeinsam, wobei zumindest bei den Abc-Schützen eine Mutter oder ein Vater die Kindergruppe begleitet. An anderen Schulen haben sich die Eltern selber organisiert und Treffpunkte für die Kinder vereinbart.

An der Grundschule Rungwisch wurde der Schulexpress-Start mit vielen Aktionen zum Thema Verkehrssicherheit begleitet. In den Gesprächen mit den Projektverantwortlichen wird allerdings deutlich, dass im Vorwege nicht alles problemlos abgelaufen ist. So hatte man geplant, Wegeübergänge mit kindgerechten Fahrbahnmarkierungen zu kennzeichnen. Woanders sei das kein Problem gewesen. In Hamburg sei man damit an bürokratische Hürden gestoßen.

Auch eine offizielle Kooperation mit der Polizei ist nicht zustande gekommen. Ein Sprecher sagte: „Das Auftragen von Markierungen kann vereinzelt zu Irritationen führen. Sie dürfen nicht grundsätzlich einen sicheren Weg suggerieren. Das Kind muss zu jeder Zeit selbstständig richtige Entscheidungen treffen können, das ist der Schwerpunkt der Arbeit unserer Verkehrslehrer. Dauerhafte Markierungen oder Plakate können zu einer Gewohnheit und damit eher Nichtbeachtung führen.“