Kobe. Die japanische Hafenstadt Kobe hat sich nach dem verheerenden Erdbeben neu erfunden und in eine Metropole der Medizin verwandelt.
Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, dass ein Erdbeben der Stärke 7,2 die japanische Hafenstadt Kobe verheerte. Rund 20 Sekunden lange erzitterte am 17. Januar 1995 die Erde: 6434 Menschen starben, rund 61.000 Gebäude versanken in Trümmern. Wer heute durch Kobe schlendert, sieht nichts mehr von den Zerstörungen. Wolkenkratzer aus Stahl und Glas ragen in den gewitterwolkenverhangenen Sommerhimmel, breite Schneisen führen durch die City, große Einkaufszentren saugen die Menschen wie Staubsauger von den Straßen.
Und trotzdem hat die Katastrophe die Stadt radikal verändert: Bis zum frühen Morgen des 17. Juni 1995 war Kobe die größte Hafenstadt Asiens und weltweit die Nummer zwei. Doch der Hafen wurde schwer beschädigt, heute belegt er unter den Welthäfen Rang 40.
Trotzdem ist die Stadt nicht in Depression versunken – ganz im Gegenteil. Kobe hat sich neu erfunden und sich in eine Metropole der Medizin verwandelt. Um die Wirtschaft anzukurbeln, den Wohlstand zu mehren und die medizinische Versorgung zu verbessern, hat Kobe Port Island erschaffen. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) besuchte am Donnerstag mit seiner Delegation diese Insel im Hafen. Dort liegt das Biomedical Innovation Cluster – eine Kombination aus Forschungseinrichtungen, klinischen Instituten und innovativen Unternehmen.
Forschungsstadt mit 359 Unternehmen
Was 2001 mit 18 Unternehmen klein begann, hat sich in eine Forschungsstadt mit 359 Unternehmen und 11.000 Beschäftigten verwandelt, in der auch deutsche Firmen beheimatet sind. „Das ist ein sehr gutes Konzept“, lobt Hinrich Habeck, Geschäftsführer vom norddeutschen Forschungsverbund Life Science Nord, die Idee von Kobe. „Bis zur Zulassungsbehörde findet sich alles auf einem Gelände.“
Die enormen Investments zahlen sich aus: Die Arbeitslosigkeit in Kobe liegt bei unter zwei Prozent. Und im vergangenen Jahr bekam der hiesige Stammzellenforscher Tasuku Honjo den Medizinnobelpreis verliehen. Mit ihm traf sich Tschentscher vor der Eröffnung einer gemeinsamen Konferenz von Life Science Nord und der japanischen Forschungsstiftung FBRI. Dabei lobte Honjo, der erst im Juli die Hansestadt besucht hatte, die gemeinsamen Anstrengungen: „Hamburg und Kobe haben eine ähnliche Kombination und arbeiten gut zusammen. Das sollten wir ausbauen.“ Habeck lobte, es sei bemerkenswert, wie gut diese Brücke über 9000 Kilometer funktioniert. Beispielsweise forschen das Fraunhofer-Institut und die Kober Kollegen gemeinsam an einer Stammzellentherapie für Demenzkranke.
Gravitationskraft erzeugen
Mit seiner Größe von rund 150 Hektar ist Port Island mit der HafenCity vergleichbar – allerdings erinnert das Viertel architektonisch eher an eine lose Schuhkartonsammlung. Aber der Delegation ging es weniger um Architektur als vielmehr um Ideen und Impulse. Die gab es schon am Morgen beim Besuch der Firma Sysmex in Kobe. Sysmex betreibt in Hamburg ihr europäisches Hauptquartier. Mit insgesamt 700 Beschäftigten im Norden zählt Thilo Rohlfs, Wirtschaftsstaatssekretär in Schleswig-Holstein, Sysmex zu den „wichtigen Arbeitgebern im Norden“.
Längst forscht das Biotech-Unternehmen auch vor Ort und stärkt damit den Biomedizin-Standort Hamburg. „Es ist wichtig, Gravitationskraft zu erzeugen“, sagt Habeck: „Wir helfen norddeutschen Unternehmen in die Welt – und Weltunternehmen, im Norden Wurzeln zu schlagen.“ Ein Termin im übernächsten Jahr dürfte die Gravitationskraft Hamburgs weiter stärken: Dann findet in der Hansestadt ein großer Kongress mit 5000 Stammzellenforschern statt – erstmals in Europa.