Hamburg. Radverkehrskoordinatorin weiht Teilstück in der City Nord ein. Bis 2020 soll das Hamburger Veloroutennetz 280 Kilometer umfassen.
Kirsten Pfaue ist in ihrer Begeisterung kaum zu bremsen: „Unterbrechungsfrei, kein Lärm, kein Stau, keine Konflikte. Das ist richtig tolles Radfahren.“ Als Hamburgs Fahrradkoordinatorin am Mittwochmittag auf dem neuesten Teilstück der Veloroute 5 im Pergolenviertel Probe radelt, ist es alles andere als ruhig. Der Krach von den umliegenden Baustellen ist nicht zu überhören, und doch gibt der neue, 1,2 Kilometer lange Radschnellweg am Limaweg schon jetzt eine Vorstellung davon, wie herrlich es ist, den Platz nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen zu müssen. „Es ist ein Projekt mit großer Strahlkraft und das Herzstück der Veloroute 5“, sagt Pfaue. Denn üblicherweise verlaufen die Velorouten auf vorhandenen Wegen und Straßen.
Seit 2016 sind bereits 46 Millionen Euro in Planung und Ausbau der 14 Strecken geflossen, davon 30 Millionen Euro Zuschuss vom Bund und 16 Millionen Euro vom Land. Mit diesem Geld wurden 136 Kilometer ausgebaut, das gesamte Hamburger Veloroutennetz soll einmal 280 Kilometer umfassen. Noch in diesem Jahr werden rund 50 einzelne Maßnahmen begonnen oder fertiggestellt – mit einer Gesamtlänge von rund 20 Kilometern.
Bereits fertig ist der neue Kreisverkehr Harvestehuder Weg/Krugkoppel als Teil der Alster-Fahrradachsen und der Veloroute 4. Noch im Herbst wird auch die Fahrradstraße in der Chemnitzstraße (Veloroute 1) fertig. Ebenfalls noch in diesem Jahr startet der Bau der Velorouten 5/6 am Ballindamm. Der Radverkehr erhält breite Radfahrstreifen (bis zu 2,75 Meter) auf Fahrbahnniveau, Konflikte mit Fußgängern soll es danach nicht mehr geben. Die Gehwege werden sowohl auf der Wasserseite als auch auf der Gebäudeseite verbreitert.
Radschnellwege müssen vier Meter breit sein
Schon 2020 soll das Veloroutennetz fast vollständig ausgebaut sein. Damit sich Radfahrer auf den häufig durch verkehrsarme Straßen geführten Routen gut orientieren können, wird es durchgängig Wegweiser mit Ziel- und Entfernungsangaben nach bundesweitem Standard geben, darüber hinaus aber auch eine Markierung mit Routennummern und Piktogrammen auf den Fahrbahnen und Radwegen. „Velorouten stellen das Grundgerüst des gesamtstädtischen Radverkehrsnetzes dar“, heißt es in der Wirtschaftsbehörde.
Das neue Stück der Veloroute 5 in der City Nord, die von der Innenstadt über Uhlenhorst, Barmbek und Bramfeld bis nach Duvenstedt führt, sticht heraus: Es liegt auf einer völlig neuen Trasse, separiert vom Fußgängerverkehr und weit weg von den stark befahrenen Straßen in der City Nord. Die großen Hauptverkehrsstraßen Jahnring und Hebebrandstraße werden kreuzungsfrei gequert, da die Planer die beiden bereits vorhandenen Brücken (Jahnring und Hebebrandstraße) nutzen. Ursprünglich waren sie für die damals geplante Stadtautobahn im Osten Hamburgs gebaut worden. Gesäumt von Bäumen, ist auf dem vier Meter breiten Radweg genug Platz für Fahrradfahrer in beiden Richtungen, der Abschnitt erfüllt damit die Vorgaben eines Radschnellweges.
Für die Radkampagne „Fahr ein schöneres Hamburg“ wurde der Abschnitt Mittwochabend mit 70 Leuchtballons auffällig illuminiert und offiziell eröffnet. „Wir wollen die Hamburger mit Aktionen wie dem ,Weg der Lichter‘ begeistern“, sagt Kirsten Pfaue. Michael Bigdon, Leiter des Dezernats Wirtschaft, Bauen und Umwelt im Bezirksamt Nord, sagte, die Veloroute sei schon 2010 beim Beginn der Planungen für das Pergolenviertel nahe dem Stadtpark mitgedacht worden. Schon damals sei klar gewesen, dass die Veloroute „konfliktfrei“ geführt werden solle, also abseits bestehender Wege.
Viele Diskussionen
Es habe viele Diskussionen gegeben – mit Ämtern, der City Nord und den Kleingärtnern. Der Kampf um die Parzellen war lange geführt worden. Die Kleingärten wurden schließlich nachverdichtet, immerhin seien 170 erhalten geblieben, sagt Bigdon. Im Pergolenviertel, das in zehn Baufelder unterteilt ist, werden in absehbarer Zeit 3500 bis 4000 Menschen wohnen – laut Bigdon ist es das größte Bauvorhaben im Bezirk Nord.
Der asphaltierte Radweg sieht recht schlicht aus – abgesehen von einer Reihe weißer Markierungen in Form stilisierter Räder. Die Gesamtkosten für den Ausbau belaufen sich auf rund 3,5 Millionen Euro. „Die sind gut investiert“, sagt Bigdon, sie würden dazu führen, dass sich der Mobilitätsmix zugunsten des Radverkehrs verbessere. Er sei froh, dass der Veloroutenabschnitt schon fertig sei, ehe der Hochbau ringsrum beendet ist: „Dann können die Leute, die hier einziehen, auf ein Auto verzichten.“
Derselbe Radschnellweg-Ausbaustandard wie im Pergolenviertel ist auch auf weiteren Velorouten vorgesehen – beispielsweise auf der Veloroute 11 auf der Elbinsel Wilhelmsburg sowie auf der Veloroute 10 in Harburg (Bereich Am Radeland), ebenso am Harburger Binnenhafen. Insgesamt wird der Radverkehr auf elf Kilometern Länge von Harburg entlang der neuen IBA-Wohnungsbauquartiere über Wilhelmsburg in die Innenstadt im Radschnellwegstandard geführt.
Aktion wirbt für Radfahren in der Stadt
Federführend bearbeiten die sieben Bezirksämter die Routenabschnitte in ihren Bezirken, unabhängig davon, ob es sich um Hauptverkehrs- oder Bezirksstraßen handelt. Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) hat nach Angaben von Christian Füldner, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, jedoch die Federführung bei den Velorouten 12, 13 und 14 (die beiden letzten sind Ringverbindungen), außerdem ist der LSBG verantwortlich für alle Ampeln an den Routen.
Die Stadt unternimmt weitere Anstrengungen, um die Infrastruktur für den Radverkehr zu verbessern. Laut Füldner werden jährlich insgesamt 30 bis 40 Kilometer Radwege modernisiert (inklusive Velorouten), außerdem werden sukzessive die Stellflächen für Räder erweitert. Für den Ausbau der Bike+Ride-(B+R-)Stationen werden bis zum Jahr 2025 insgesamt 30 Millionen Euro bereitgestellt. 2025 soll es rund 28.000 Stellplätze für Fahrräder an den S- und U-Bahn-Haltestellen geben. Noch in diesem Jahr wird der Bau eines Fahrradparkhauses an der U-Bahn-Haltestelle Kellinghusenstraße begonnen – dort sind 600 Abstellplätze vorgesehen. Bis 2022 soll zudem das StadtRad-System auf 350 Stationen mit 4500 Rädern weiter ausgebaut werden.
Um für den Radverkehr zu werben, startet am Freitag die Aktion Stadtradeln. Teams und Einzelpersonen treten an beim Wettbewerb um die meisten Kilometer (www.stadtradelnde/hamburg). Derzeit sind 460 Teams und rund 4000 Teilnehmer gemeldet. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), Schirmherr der Kampagne, legt sich gleich am Freitag ins Zeug. Er radelt von zu Hause in Bergedorf in die Umweltbehörde in Wilhelmsburg. Im Thörls Park in Hamm macht Kerstan gemeinsam mit Georg Sommer, Vorsitzender des Fahrrad-Clubs ADFC, um 8.30 Uhr Halt. Der ADFC verteilt ein kleines Radler-Frühstück – auf zwei Smoothie-Bikes können sich die Teilnehmer einen frischen Obstsaft erstrampeln. Für geübte Radler eine leichte Übung.