Hamburg. Rund 450 Menschen haben durch das Teilhabechancengesetz einen Job gefunden. Doch es gibt auch kritische Sichtweisen.
„Als das Jobcenter mich anrief und mir von der Stelle bei limpo erzählte, da fragte ich mich, ob die wirklich mich meinen.“ Mathias Redzko war zu diesem Zeitpunkt im Frühjahr schon viele Jahre arbeitslos. Kleinere Arbeitsgelegenheiten, sogenannte Ein-Euro-Jobs, hatte er zwischendurch zwar immer mal wieder. „Aber das sind keine richtigen Jobs, man verdient auch kein richtiges Gehalt.“ Einen „richtigen“ Vollzeitjob habe er sich daher schon gar nicht mehr zugetraut, so der 39-Jährige. „Da wird von einem erwartet, von Anfang an zu funktionieren.“
So wird die Geschichte in einer gemeinsamen Mitteilung der Behörde für Arbeit und Soziales, der Bundesagentur für Arbeit und des Jobcenters team.arbeit.hamburg erzählt. Für diese Institutionen ist Mathias Redzko ein Vorbild: Er hat den Sprung geschafft, er hat jetzt endlich wieder einen „richtigen“ Job. Seit Anfang Mai ist er bei der Gebäudereinigungsfirma limpo in Rothenburgsort im Büro tätig.
Linkspartei schimpft über "PR-Aktion"
Als er an diesem Dienstagvormittag in der Betriebshalle der Firma zwischen der Arbeitssenatorin und den Chefs von Jobcenter und Arbeitsagentur stand und vor mehr als einem Dutzend Journalisten, TV-Teams und Fotografen berichten sollte, wie das so gelaufen ist mit seinem neuen Job, war ihm der Rummel um seine Person doch sichtlich unangenehm. „Ich weiß auch nicht“, sagte er schüchtern auf die Frage, warum er denn so lange arbeitslos war? „Ich habe mich immer bemüht, aber es hat halt nicht geklappt.“
Der Termin war kaum beendet, da schimpfte die Fraktion der Linkspartei in der Bürgerschaft schon über die „PR-Aktion“ im Gewerbegebiet. „Angesichts einer stagnierenden Zahl von fast 17.000 Langzeitarbeitslosen in Hamburg finde ich es schon fast zynisch, wenn die Chefs von drei Behörden ihre Zeit dafür verwenden, einzelne Erfolgsgeschichten zu präsentieren“, teilte die Abgeordnete Carola Ensslen mit.
Dabei blendete sie allerdings aus, dass diese „PR-Aktion“ unter anderem genau dazu diente, das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Mathias Redzko ist nämlich über ein neues Instrument der Arbeitsmarktpolitik an seinen Job gekommen, das bislang kaum bekannt ist und für das daher die Werbetrommel gerührt werden sollte: das Teilhabechancengesetz.
Chance für 3200 Langzeitarbeitslose
Die seit Jahresbeginn geltende Rechtslage ermögliche es erstmals, ganz reguläre, nach Tarif bezahlte Beschäftigungsverhältnisse zu fördern, sagte Arbeitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) bei dem Termin in Rothenburgsort. „Wir investieren in Arbeit statt in Arbeitslosigkeit“, so die Senatorin. „Unser gemeinsames Ziel ist es, auch den Menschen Perspektiven zu ermöglichen, die es ohne Unterstützung absehbar schwer hätten, einen regulären Arbeitsplatz zu finden.“
Zielgruppe sind Menschen, die älter als 25 Jahre sind und mindestens sechs Jahre arbeitslos waren. Für sie zahlt das Jobcenter bis zu fünf Jahre lang Lohnkostenzuschüsse, die von 100 Prozent in den ersten beiden Jahren auf 70 Prozent im fünften Jahr abschmelzen. Im Idealfall werden die Mitarbeiter dann ganz regulär weiterbeschäftigt. Rund 3200 Langzeitarbeitslose kämen in Hamburg für diese Art der Förderung infrage, so das Jobcenter, in dem ein eigenes Team dafür zuständig ist, diese Menschen und die passenden Jobangebote zusammenzubringen. So wie bei Mathias Redzko.
„Mich hat beeindruckt, dass er 20 Minuten vor dem vereinbarten Termin hier war“, berichtete limpo-Geschäftsführer Manuel Wessel über das erste Treffen. „Das kenne ich von Vorstellungsgesprächen ganz anders.“ Und weil er auch sonst schnell den Eindruck gewann, dass Redzko in sein Team passen würde, stellte er ihn ein. Dreieinhalb Monate später fühlte er sich bestätigt: „Wir sind froh, dass wir ihn haben.“
Landesarbeitsgemeinschaft übt Kritik
Das hörte Dirk Heyden gern. 450 Langzeitarbeitslose hätten seine Leute seit Jahresbeginn mithilfe des neuen Gesetzes in reguläre Arbeit vermittelt, so der Chef des Jobcenters. „Bis Jahresende werden wir 600 Menschen in Arbeit gebracht haben, im kommenden Jahr sollen 400 weitere dazukommen.“ Kritik der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit (LAG), wonach Hamburg im Ländervergleich Schlusslicht bei der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes sei, wies Heyden zurück. Dabei würden andere Förderprogramme ausgeblendet, die es nur in Hamburg gebe. Rechne man diese mit, hätten rund 900 ehemals Langzeitarbeitslose einen geförderten Job, damit liege man bundesweit im Mittelfeld.
Dahinter steckt ein grundsätzlicher Streit: Die in der LAG vereinten Beschäftigungsträger sehen das neue Gesetz kritisch, weil es zu sehr auf den privaten Arbeitsmarkt setze. Für den seien viele Langzeitarbeitslose aber nicht geeignet, so die Träger, die ihrerseits mehr staatliche Förderung verlangen. Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur, hielt dagegen: Es gehe nicht nur darum, Menschen aus dem „dauerhaften Transfersystem herauszuholen“. Sondern das neue Gesetz helfe auch vielen Firmen, die nach Fachkräften suchten.