Hamburg. Leichterer Berufseinstieg greift: 2600 junge Leute starten in Hamburg eine Ausbildung als Erzieher oder Sozialpädagoge – Rekord.

20 Jahre lang war Britta Auster in der Gastronomie tätig, hat ein Restaurant geleitet und große Events organisiert. Doch dann kamen die Zweifel: „Willst du das noch 20 Jahre machen? Gibt es nicht irgendetwas, das dir noch fehlt?“ Und weil sie ihren Sohn ohnehin täglich in die Kita brachte und in der Zeit die Erzieher oft für bessere Arbeitsbedingungen streikten, sattelte sie tatsächlich noch einmal um: Seit zweieinhalb Jahren absolviert die heute 45-Jährige eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Erzieherin: Zwei Tage pro Woche besucht sie die Berufsschule in Altona, drei Tage arbeitet sie im Waldkindergarten der Rudolf-Ballin-Stiftung im Volkspark.

Die neue Herausforderung sei ihr erst wie „ein riesengroßer Berg“ vorgekommen, den es zu bezwingen gelte, erzählt Britta Auster. „Aber jetzt denke ich: Ich hätte es viel eher machen sollen. Es macht so viel Freude und gibt einem so viel zurück. Ich kann gut alt werden in dem Job.“

Regelrechter Ansturm

Mareike van Hoorn ging es ähnlich. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin war nach ihrem Abschluss in der Hotellerie tätig und organisierte dort auch Familien-Events. Weil ihr die Arbeit mit Eltern und Kindern lag, wechselte sie Anfang 2018 zum Kita-Träger Sternipark und hat dort eine duale Weiterbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin (SPA) absolviert: Während sie in einer Krippengruppe an der Rothenbaumchaussee eingearbeitet wurde, absolvierte sie parallel elf Theorie-Seminare. Nun will sie auch noch die Weiterbildung zur Erzieherin dranhängen. „Die Begeisterung springt über“, sagt die 32-Jährige über ihren neuen Job. Vor allem das Gärtnern mit den Kindern bereite ihr viel Freude.

Britta Auster und Mareike van Hoorn sind nur zwei Beispiele dafür, dass die vielen unterschiedlichen Bemühungen des Senats, den enormen Bedarf an Erziehern und Sozialpädagogen an Kitas und Schulen zu decken, offenbar Erfolg zeigen. Schulsenator Ties Rabe (SPD) berichtete am Dienstag im Rathaus von einem regelrechten Ansturm: Rund 2600 neue Schüler erwarte er an den sozialpädagogischen Berufsschulen – gut 1000 mehr als im Jahr 2013. „Unsere Reformen der Aus- und Weiterbildung greifen“, sagte Rabe. „Voraussichtlich werden damit in diesem Jahr so viele junge Menschen eine entsprechende Aus- und Weiterbildung beginnen wie noch niemals zuvor.“

Ausbildungszahlen steigern

Von den 2600 neuen Schülern streben 1200 den Beruf Sozialpädagogische Assistenz (SPA) an – damit sei dieser „mit Abstand der beliebteste Ausbildungsberuf in Hamburg“, sagte Rabe. 1400 junge Menschen machen zudem eine Weiterbildung zur Erzieherin oder im Bereich der Heilerziehungspflege.

Um die Ausbildungszahlen zu steigern, hatten Schul- und Sozialbehörde die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich kräftig verändert. Einige Beispiele: Wer bislang SPA werden wollte, brauchte dafür den mittleren Schulabschluss oder Abitur, musste dann eine in der Regel fünfjährige Aus- und Weiterbildung absolvieren und bekam dafür „keinen Cent“ so Rabe. Seit 2018 reicht dagegen der erweiterte Hauptschulabschluss für die SPA-Ausbildung. „Allein dank dieser Maßnahme hat sich die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mehr als verdoppelt“, sagte Rabe. Hätten 2016 noch knapp 600 junge Menschen die Ausbildung begonnen, seien es heute rund 1200. Allerdings lernen diese Schüler ein halbes Jahr länger: „Die Anforderungen der Abschlussprüfung wurden nicht verändert“, betonte Rabe.

Finanzielle Verbesserungen

Neu ist auch, dass Abiturienten bereits nach einem viermonatigen Praktikum direkt mit der Weiterbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin beginnen können und nach drei Jahren fertig ausgebildet sind. Wer den Mittleren Schulabschluss hat, kann die bisher fünfjährige Aus- und Weiterbildung auf vier Jahre verkürzen.

Zudem gibt es auch finanzielle Verbesserungen: Haben angehende Erzieher oder SPA früher gar nichts verdient, bekommen jetzt nahezu alle entweder das Azubi-Bafög (bis zu 735 Euro im Monat) oder das „Meisterbafög“ in Höhe von 768 bis zu 1238 Euro im Monat. Neu ist auch, dass angehende Erzieher eine berufsbegleitende Ausbildung wählen können, die vergütet wird – bei 20 Stunden Berufstätigkeit im Monat können bis zu 1480 Euro verdient werden.

Dank dieser Maßnahmen könne der Bedarf an 500 zusätzlichen Erziehern pro Jahr in den Kitas derzeit sogar übererfüllt werden, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). 2019 würden 600 neue Stellen geschaffen. In den 1100 Kitas in Hamburg werden rund 90.000 Kinder betreut. Auch der Schulsenator hofft auf neue Fachkräfte. Allein für die Ganztagsbetreuung an den Grundschulen, die von rund 55.000 oder 84 Prozent der Schüler besucht werden, würden jedes Jahr 100 neue Mitarbeiter benötigt.

Flucht vor dem Krieg

In einem dieser Bereiche wollen auch Merhawi Tesfay und Dalia Aledl einmal arbeiten. Der 35-Jährige aus Eri­trea und die 36-Jährige aus Syrien waren 2015 vor den Kriegen in ihrer Heimat nach Deutschland geflohen. Da ihre jeweiligen Abschlüsse als Grundschullehrer und Sportlehrerin hier nicht ohne Weiteres anerkannt werden, befinden sie sich beide derzeit in „Anpassungs-Qualifizierungen“.

Dalia Aledl betreut bei der Diakonie nebenbei Migrantenfamilien. Nächster Schritt für beide ist die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz. Eine Voraussetzung erfüllen beide bereits: Sie sprechen schon nach wenigen Jahren hervorragend Deutsch.