Hamburg. Pastor Bernd Lohse hat ein neues Buch mit Pilgertouren durch Hamburg geschrieben – auch für die Reeperbahn.
Die Sommersonne steht im Zenit, als Pastor Bernd Lohse über die Reeperbahn geht. Eigentlich geht er gar nicht – er will pilgern. „Das ist ein ganz bewusstes Gehen“, sagt er, „und sogar auf der Reeperbahn möglich.“ Ausgerechnet über die sündigste Meile der Welt führt eine neue Pilgertour, die jetzt das Pilgerzentrum im Norden mit Sitz an der Hauptkirche St. Jacobi erarbeitet hat. Bernd Lohse leitet als Pilgerpastor dieses religiöse Zentrum und begleitet jährlich Hunderte von Pilgern in Norddeutschland und bis nach Skandinavien. Aus der Tasche seiner weißen Sommerhose holt der gelernte Journalist und Theologe auf dem Weg zur „Großen Freiheit“ ein kleines Buch hervor.
Es heißt: „Stattwege. Pilgern durch Hamburg.“ Das Pilgerteam stellt darin fünf Etappen durch die City vor, die auf einer Strecke von gut 15 Kilometern zu besonderen geistlichen Orten führen. „Dabei geht es darum, mit offenen Augen über den Pilgerweg zu gehen und Verborgenes zu entdecken.“ Die Pilgertour über die Reeperbahn ist eine der kurzen Etappen.
Lohse versiert wie ein Stadtführer
Lohse macht am Beatles-Platz halt und erzählt, versiert wie ein Stadtführer, von den grandiosen Anfängen der Band in Hamburg. Kaum einer wisse, dass der Titel „Le it be“ im Altenglischen das christliche „Amen“ bezeichne und der Song eigentlich ein Marienlied sei. Pastor Lohse lehnt sich entspannt an eine der Figuren auf dem Beatles-Platz und zitiert aus dem Welthit: „Wenn ich gerade eine sorgenvolle Zeit habe, kommt Mutter Maria zu mir. Und spricht weise Worte: Lass es geschehen!“ Let it be!
Den Augen des Pilgerpastors bleibt nicht verborgen, wie sich die Reeperbahn in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Bevor er die Große Freiheit erreicht, erinnert er sich an Fotoausstellungen von Günter Zint und an jene Zeit, als Jürgen Roland in der „Ritze“ geboxt hat. „Früher“, sagt Pilgerpastor Lohse, der in Poppenbüttel wohnt, „war die Reeperbahn vielfältig, heute ist sie langweilig und unoriginell.“
Ort zum Nachdenken über Freiheit und Liebe
Allerdings ist sie auch ein Ort, der zum Nachdenken über Freiheit und Liebe einlädt. Wo jeden Abend im Dollhouse Table-Dance geboten wird, fanden im 17. und 18. Jahrhundert handwerklich qualifizierte Glaubensflüchtlinge wie die Mennoniten aus den südlichen Niederlanden eine neue Heimat. Für sie wurde dieser Teil der Stadt zu einem wirklichen Ort der religiösen und wirtschaftlichen Freiheit. „Auch über Liebe könnte man bei dieser Pilgertour nachdenken – und dass Liebe keine Ware ist“, sagt Lohse.
Offene Kirchentüren findet der evangelische Pilgerpastor wenig später in der katholischen St.-Joseph-Kirche an der Großen Freiheit. Das 1721 eingeweihte Gotteshaus ist der erste katholische Neubau in Nordeuropa seit der Reformation Martin Luthers im 16. Jahrhundert. „Es ist ein spiritueller Ort mitten im Rotlichtviertel“, sagt Pastor Lohse und lobt das vielfältige Programm der auch nachts geöffneten Kirche. Die vielen Kirchen in der Hamburger City seien ein besonderer Schatz, fügt er hinzu und steuert, Pardon: pilgert prompt zum nächsten Gotteshaus.
„Besonderer spiritueller Ort auf dem Kiez“
Es ist die St.-Pauli-Kirche am Pinnasberg, bekannt nicht zuletzt durch den Einsatz für Flüchtlinge. „Für mich ist sie ein ganz besonderer spiritueller Ort auf dem Kiez“, sagt Pilgerpastor Lohse und kommt mit zwei Männern ins Gespräch.
Sie sitzen am Rande einer wild wuchernden Wiese, auf der sich Bienen und Hummeln tummeln, und sind ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirchengemeinde. Von der Wiese aus schweift der Blick über die künstlichen Palmen auf dem Park Fiction zum Hafen und zu Blohm+Voss. Abseits vom Rotlicht der Reeperbahn blüht diese grüne Oase am Fuß des nur 19 Grad kühlen Gotteshauses, das der Pilgerpastor gerade betritt.
Auf einem Büchertisch liegen Prospekte und Programme, das Pilgerbuch „Stattwege“ und Kurzzeit-Tattoos zum Aufkleben. Sie zeigen Kreuz, Anker und Herz und symbolisieren Glaube, Hoffnung, Liebe. Mit diesem kleinen Souvenir in der Tasche bleibt die Pilgertour über die Reeperbahn in nachhaltiger Erinnerung.
Das Buch „Stattwege. Pilgern durch Hamburg“ gibt es in allen Innenstadtkirchen sowie dem Mariendom und im Pilgerzentrum St. Jacobi. Es kostet 2 Euro Schutzgebühr.