Hamburg. Mindestens ein Jahr später soll der 177 Millionen Euro teure Neubau am Schlump fertig sein – wegen Ärgers mit einer Handwerksfirma.
Es ist eines der ehrgeizigsten und wichtigsten Projekte der Universität Hamburg und der hiesigen Wissenschaftspolitik: Für 177 Millionen Euro entsteht auf dem Campus Bundesstraße ein spektakulärer Neubau, in den die bislang über die Stadt verstreuten Geowissenschaften (etwa Bodenkunde, Meereskunde, Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft) sowie die renommierten Klimaforscher mit ihrem Exzellenzcluster CliSAP (Climate System Analysis and Prediction) einziehen werden. Auf falsche Bescheidenheit wurde bei der Namensgebung für den Neubau verzichtet: Nichts weniger als das „Haus der Erde“ soll am Schlump entstehen.
Es galt von Anfang an auch als ein wichtiges Signal für die Ziele der Hochschule, noch mehr Exzellenzcluster einzuwerben und vielleicht sogar „Exzellenz-Universität“ zu werden. Diesen begehrten Titel, verbunden mit vielen Fördermillionen, hat die Uni nun am Freitag erlangt. „Himmlisch“, jubelte Uni-Präsident Dieter Lenzen. Doch das „Haus der Erde“ kämpft derweil mit sehr irdischen Problemen: Es wird teurer und mindestens ein Jahr später fertig als geplant. Statt im Oktober 2019 soll es nun erst am 18. Dezember 2020 an die Uni übergeben werden – das geht aus Antworten des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Thilo Kleibauer hervor.
Handwerksunternehmen verweigert Leistung
„Grund für die Überschreitung des vereinbarten Übergabetermins ist die Leistungsverweigerung des Auftragnehmers für die Gewerke Sanitär, Lüftung und Kälte“, schreibt der Senat. Der Firma sei daraufhin im Februar 2019 gekündigt worden. Das Ganze hatte eine Vorgeschichte: Bereits 2017 war dem Büro, das für die Planung der Technischen Gebäudeausstattung (TGA) verantwortlich war, wegen Planungsmängeln gekündigt worden. Daraufhin sollten die beauftragten Handwerksunternehmen im Rahmen ihrer Werk- und Montageplanung diese Mängel beheben. Doch die betreffende Sanitärfirma bekam die Probleme auch nicht in den Griff und verweigerte die Leistung schließlich ganz.
Auch der neue Übergabetermin ist noch unsicher, so der Senat: „Konkrete Angaben zur Zeitschiene können erst nach der erneuten Überarbeitung der mangelhaften Planung getätigt werden.“ Nicht endgültig absehbar sind daher auch noch die konkreten Auswirkungen auf die Kosten. Klar ist, dass es allein wegen der Verzögerungen und der nötigen Neuplanung zu Kostensteigerungen kommen wird. Dem stünden aber auch Schadenersatzansprüche gegen die gekündigte Sanitärfirma sowie den TGA-Planer gegenüber. Beide könnten „noch nicht abschließend beziffert werden“, so der Senat.
Erstmals kommt es zu Strafzahlungen wegen Verzögerung
„Die Verschiebung des Umzugs ist natürlich misslich“, sagte Uni-Präsident Lenzen dem Abendblatt. „Ein paar Monate könnte man verschmerzen. Aber wenn es sich viel länger hinzieht, wäre das ein Problem, da wir zwischenzeitlich viele Berufungen gemacht und den neuen Mitarbeitern das ,Haus der Erde‘ als ihren neuen Arbeitsplatz vorgestellt haben. Die Leute warten natürlich darauf, denn die stellen sich in die alten Gebäude keine neuen Geräte mehr rein, sondern warten darauf, dass es in dem Neubau losgeht.“
Nach Kleibauers Informationen ist zudem bereits klar, dass das „Haus der Erde“ Hamburg ein Novum bescheren wird: Erstmals werde es im Rahmen eines Mieter-Vermieter-Modells zu Strafzahlungen wegen Verzögerungen kommen. In diesem Fall muss die mit der Realisierung des Projektes beauftragte städtische Firma GMH (Gebäudemanagement Hamburg GmbH) die Uni als Mieterin für die verspätete Übergabe entschädigen – wobei noch eine weitere Zweckgesellschaft als offizielle Vermieterin dazwischengeschaltet ist. Die Strafe beträgt 0,1 Prozent des Bauvolumens pro Kalendertag der Überschreitung des Übergabetermins, ist jedoch auf fünf Prozent des Bauvolumens gedeckelt. Demnach dürfte sie bei knapp neun Millionen Euro liegen.
CDU wirft Senat vor, Probleme verschwiegen zu haben
„Wieder gibt es bei einem großen Bauprojekt des Senats massive Probleme im Zeitplan, die zu deutlichen Mehrkosten führen“, kritisiert Kleibauer. Besonders übel stößt ihm auf, dass der Senat in seiner Übersicht über den Stand großer Bauprojekte Anfang des Jahres die Probleme mit keinem Wort erwähnt hat, obwohl er nun auf Anfrage einräumt, seit November darüber informiert gewesen zu sein.
„Der Bericht zum Bau-Monitoring an die Bürgerschaft verkommt zur Farce, wenn Risiken im Terminplan und Planungsmängel beim ,Haus der Erde‘ dort bewusst verschwiegen werden“, so der CDU-Finanzexperte. Der Senat verteidigt sich hingegen damit, dass das Bau-Monitoring auf Angaben von Ende September 2018 beruht habe.
Auf Kleibauers Nachfrage, bei welchen Mieter-Vermieter-Modellen noch Verzögerungen drohen, räumt der Senat zudem ein, dass auch beim Neubau des „MIN-Forums“ (MIN steht für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften) „von einer Verschiebung des vertraglich vereinbarten Übergabetermins auszugehen ist“. Grund seien Probleme mit dem Baugrund. Auch das MIN-Forum ist Teil des neuen Campus Bundesstraße, in dessen Zentrum das marode Geomatikum steht – das nach Abschluss der Neubauten modernisiert werden soll.
Insgesamt sollen in den kommenden Jahren bis zu 500 Millionen Euro in den Neubau und die Sanierung von Uni-Gebäuden investiert werden. Mit Blick auf das Haus der Erde und das MIN-Forum fordert Thilo Kleibauer: „Hier muss der Senat jetzt zeitnah und transparent über Stand und Kosten der Unibauten informieren.“