Hamburg. Der Unipräsident erhöht den Druck: Um 3,5 Prozent soll die Stadt den Haushalt erhöhen. Sonst drohe der Abbau von Studienplätzen.

Bis kurz vor Mitternacht feierte Uni-Präsident Dieter Lenzen am Freitag mit etwa 150 Wissenschaftlern und Gästen den Triumph: Hamburgs größte Hochschule darf nun den Titel „Exzellenz-Universität“ tragen. Am nächsten Morgen klingt der 71-Jährige etwas heiser, als er im Abendblatt-Interview erklärt, dass die Universität Hamburg trotz der Elite-Krone vor großen – insbesondere finanziellen – Herausforderungen stehe.

Wie fühlen Sie sich am Tag eins nach der Sensation?

Dieter Lenzen Ich bin etwas müde. Eine Erwartungslast ist von mir abgefallen. Die Euphorie ist wunderbar und freut mich sehr, aber ich brauche wohl etwas Zeit, um mich wieder ganz zu sammeln.

Sie sind 2010 gestartet als Präsident einer Uni Hamburg, die als eher mittelmäßig galt. Was bedeutet Ihnen der Exzellenz-Erfolg?

Es ist eine Genugtuung, weil die Universität und die Stadt diese Auszeichnung verdient haben. Die Uni ist lange unter Wert gehandelt worden. Sie hat allerdings auch dazu beigetragen, indem sie ihr Licht ein Stück weit unter den Scheffel stellte. Es war eine nach außen gerichtete Kommunikationsstrategie nötig, um die Stärken der Hochschule besser zu vermitteln. Mit dem Exzellenz-Titel werden wir nun noch besser sichtbar. Entspannt zurücklehnen können wir uns aber nicht.

Warum nicht?

Allein deshalb, weil ab jetzt jedes Jahr Vertreter des Wissenschaftsrats zu uns kommen werden, um zu überprüfen, ob wir die Flügel hängen lassen oder auf der Schiene sind. 2026 müssen wir dann eine große Untersuchung überstehen, um für mindestens weitere sieben Jahre Exzellenz-Universität zu sein.

Was bringt der Exzellenz-Titel der Uni?

Die Auszeichnung ist hoffentlich auch eine Genugtuung für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni, von denen etliche sehr hart für diesen Erfolg gearbeitet und Überstunden angehäuft haben, weil sie sich so stark mit der Mission identifizieren. Der ganze Vorlauf hat ja drei Jahre gedauert. Von dem Titel profitiert auch unser Ansehen. Wahrscheinlich werden nun viele potenzielle Partner auf uns zukommen. Das können Stiftungen, andere Hochschulen, aber auch Geldgeber sein.

Welche Rolle spielen die zusätzlichen Fördermittel?

Wir werden voraussichtlich etwa zehn Millionen Euro zusätzlich im Jahr erhalten. Dieses Fördergeld entspricht etwa 3,28 Prozent un­seres aktuellen Jahresetats von 305 Millionen Euro. Es hilft uns insofern, weil wir damit 24 neue Vorhaben finanzieren können. Es ist aber zu wenig Geld, um das große Rad zu drehen und die Hochschule insgesamt zu stärken. Wichtig ist deshalb auch, dass wir mit dem Exzellenz-Titel gegenüber dem Senat deutlich machen können: Wir haben geliefert. Jetzt ist die Politik am Zug.

Inwiefern?

Der Senat hat im Vorfeld der Exzellenz-Entscheidung bei der Anhörung durch den Wissenschaftsrat finanzielle Zusagen gemacht. Das war ganz wichtig, weil der Wissenschaftsrat schon in seinem MINT-Gutachten 2016 die Meinung vertrat, dass der Haushalt der Universität Hamburg um 3,5 Prozent pro Jahr aufgestockt werden sollte. Wenn man das hochrechnet bis zur Evaluierung 2026, müssten wir in die Nähe von 400 Millionen Euro pro Jahr kommen. Ich halte ein Plus von 3,5 Prozent für eine vernünftige Ansage.

Bisher gilt, dass der Haushalt um 0,88 Prozent bis 2020 wachsen wird.

Bedingt durch Inflation und steigende Personalkosten bedeutet dieser Aufwuchs in Wahrheit ein Minus. So kann es nicht weitergehen. Wir kämen dann gar nicht darum herum, Studienplätze abzubauen. Wir müssen jetzt mit der Stadt über die Finanzierung des größeren Teils der Universität sprechen, über den Normalbetrieb neben der Spitzenforschung also, der im Zuge des Exzellenzwettbewerbs gelobt worden ist, aber nicht durch die Exzellenz-Förderung mitfinanziert wird. Mit einer Aufstockung der Grundfinanzierung um 3,5 Prozent wäre es allerdings auch nicht getan.

Warum reichte das nicht?

Wir sollten sicherstellen, dass diverse zusätzliche Kosten abgesichert werden. Das gilt etwa für Sanierungen und neue Gebäude, die durch steigende Baukosten teurer werden können, und für Maßnahmen wie die jüngst gegründete Informatikplattform ahoi.digital, die auch zusätzliche Professuren mit sich bringt. Solche Innovationen, die auf unbestimmte Zeit abgesichert werden sollten, müssen künftig eingepreist werden. Dass wir dies zuletzt abfangen konnten, hing mit Rücklagen aus dem Hochschulpakt (HSP) zusammen, die nun fast aufgebraucht sind. Die neuen Leistungen des HSP-Programms werden wohl in etwa den bisherigen Summen entsprechen, doch die neuen Fördergelder sind an Bedingungen für das Land geknüpft, etwa daran, die Zahl der Studienplätze oder die Zahl der Absolventen zu erhöhen. Die staatlichen Hamburger Hochschulen werden auch mit dem Senat verhandeln müssen, welche Hochschule diese Bedingungen am ehesten erfüllen kann.

Wie ist Ihr Eindruck: Ist Bürgermeister Peter Tschentscher gewillt, ein Plus bei der Grundfinanzierung um 3,5 Prozent anzustreben?

Ich finde, das ist alternativlos, wenn man nicht als vertragsbrüchig dastehen will. Der Bürgermeister hält sich derzeit womöglich zurück, weil er möchte, dass zunächst Katharina Fegebank (Grüne) als zuständige Wissenschaftssenatorin die Verhandlungen führt. Unsere Verwaltung klärt derzeit mit der Wissenschaftsbehörde die Zahlengerüste. Auf dieser Grundlage wird man die tatsächlichen Bedarfe im Herbst genauer klären können.

Was muss die Uni Hamburg tun, um besser zu werden?

In der Forschung möchten wir noch mehr Motivation für einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen, Drittmittel zu beantragen. Das hat aber seine Grenzen, denn solche fortwährenden Anträge kosten unsere Forscher viel Zeit und Mühe. Zweitens werden wir die forschungsorientierte Lehre stärken, sodass sich mehr Studierende an Forschung beteiligen können. Mit Blick auf die Forschungsinfrastruktur wollen wir die vielen, verstreuten Instrumente für mehr Nutzer zugänglich machen, indem wir diese Geräte in Plattformen zusammenführen. Unsere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist bisher im Vergleich zu anderen Universitäten eher klein. Deshalb möchten wir mehr Kooperationen mit Hamburger Unternehmen in Gang bringen. Ausbaufähig ist auch die Internationalisierung unserer Lehre: Wir müssen mehr englischsprachige Studiengänge einrichten und dazu beitragen, dass ein größerer Teil unserer Studenten als bisher auch Auslandssemester absolviert.

Ihre Amtszeit endet im Februar 2022. Sie wären dann 74 Jahre alt. Würden Sie gerne weitermachen?

Ich muss aufpassen, dass ich meinen Job gesundheitlich hinbekomme bis 2022. Im Moment bin ich kerngesund, aber das ist ja nicht selbstverständlich. Es kommt jetzt für mich darauf an, unsere Exzellenz-Vorhaben auf die Schiene zu bringen, sodass sie gut laufen. Dann wird man eine Frau oder einen Mann finden müssen, die oder der Lust darauf hat, meine Arbeit weiterzuführen.

Sie kündigen also Ihren Abschied an …

Ich habe wenig Privatleben gehabt in diesen zehn Jahren hier in Hamburg, weil es einen Achttausender zu bezwingen galt, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich möchte auch schlicht wieder Fische angeln und Bücher schreiben. An der Wand kleben allein sechs Buchprojekte – bisher nur als Inhaltsverzeichnisse. Irgendwann möchte ich da mal weiterkommen. Außerdem habe ich Enkel­kinder, die ich gerne häufiger sehen würde.