Hamburg. Wo die Insekten in Hamburg auftauchen, was die Stadt dagegen tut. Spezialfirma musste fünfmal so viele Bäume absaugen wie geplant.

Er sieht aus wie ein recht unscheinbarer Schmetterling. Doch der Eichenprozessionsspinner hat nicht nur einen sperrigen Namen, sondern ist auch sonst kein ganz umgängliches Tierchen. Zumindest nicht zwischen Mai und Juli. In dieser Zeit hält der Thaumetopoea processionea – wie er in der Fachsprache heißt – die Hamburger Behörden ganz schön auf Trab.

Der Grund: Während seiner Entwicklung zum Schmetterling durchläuft der Nachtfalter eine Phase, die für den Menschen gefährlich werden kann. Im sogenannten dritten Raupenstadium entwickeln die Tierchen nämlich kleine Brennhärchen, die das Nesselgift Thaumetopoein enthalten, das zu Reizungen der Haut und in den Atemwegen führen und auch allergische Reaktionen auslösen kann. Experten sprechen von einer Massenvermehrung in den vergangenen Jahren. Auch in Hamburg sind die Zahlen weiter angestiegen. Rund 140.000 Euro hat die Stadt in diesem Jahr bereits für die Bekämpfung der Tiere ausgegeben.

Um sich einen Überblick zu verschaffen, hat die Hamburger Umweltbehörde gemeinsam mit den Bezirken zusammenzutragen, wo und wie viele Bäume in Hamburg von dem Falter befallen sind. Demnach sind in dieser Saison rund 460 Bäume auf öffentlichen Straßen und Grünanlagen gemeldet worden. Befallen sind beispielsweise schon die Boberger Dünen, der Öjendorfer Park, der Hauptfriedhof Altona und der Stadtpark sowie weitere Orte (siehe Karte).

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„So viele Meldungen wie in diesem Jahr hatten wir vorher noch nie“, sagt etwa Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Hamburg-Mitte. „In dieser Saison waren bereits rund 100 Bäume befallen. Das ist deutlich mehr als in den Vorjahren.“ Vor einigen Wochen habe man deshalb zwei Spezialfirmen mit der Sichtung und Entfernung, beziehungsweise Absaugung der Nester beauftragt“, so Weiland weiter.

Baumkontrollen wurden intensiviert

Zuletzt sei besonders der Öjendorfer Park betroffen gewesen, der Spielplatz habe sofort kurzzeitig gesperrt werden müssen. Dieser sei inzwischen wieder freigegeben – die Kontrollen gingen aber weiter. Auch der Bezirk Hamburg-Nord, insbesondere der Stadtpark, ist gefährdet. „118 Bäume waren in dieser Saison bislang betroffen“, sagt Bezirksamtssprecher Jan-Peter Uentz-Kahn. „Das ist eine deutliche Erhöhung gegenüber den Vorjahren.“ Man habe die Baumkontrollen intensiviert. Hauptsächlich hätten sich die befallenen Bäume zwischen der Otto-Wels-Straße und dem Stadtparksee befunden, vereinzelt auch im Sierischen Gehölz und östlich des Stadtparksees. Sperrungen seien allerdings noch nicht erforderlich gewesen und nach derzeitigem Stand auch nicht in Betracht gezogen worden.

Dass sich der Eichenprozessionsspinner überhaupt in Hamburg aufhält, ist ein vergleichsweise neues Phänomen. Das erste Mal wurde er 2012 in der Hansestadt entdeckt. Ursprünglich kommt der Nachtfalter aus Süddeutschland. „Er ist ein wärmeliebendes Insekt, das bis in die 90er-Jahre hinein größtenteils in Bayern und Baden-Württemberg vorgekommen ist“, sagt Gerlinde Nachtigall vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig, das die Verbreitung in den vergangenen Jahren dokumentiert hat.

Milde Witterung ist ein Faktor

Was also hat diese Tierart nach Hamburg verschlagen? „Sicherlich spielt die milde Witterung der vergangenen Jahre im Norden dabei eine Rolle. Dazu kommt eine Massenvermehrung, die bei den Eichenprozessionsspinnern seit den 1990er-Jahren beobachtet wird.“ Ein Phänomen, das auch bei anderen Arten hin und wieder vorkomme. Unklar sei jedoch, ob und wann sich die Population etwa durch Krankheitserreger wieder verkleinere. Natürliche Fraßfeinde gebe es darüber hinaus kaum. „Bis dahin bleibt den zuständigen Behörden nur, die Nester im Sommer abzusaugen und/oder im Frühjahr die jungen Larven zu bekämpfen.“, so Nachtigall weiter.

Der Name Eichenprozessionsspinner kommt übrigens daher, dass sich die Tiere – wie bei einer Prozession – in Gruppen auf die Nahrungssuche in den Baumkronen der Eichen begeben. Dass das auch für die Bäume gefährlich werden kann, weiß Mathias Aßmann, Sprecher der niedersächsischen Landesforsten. „Auch in Niedersachsen ist der Eichenprozessionsspinner auf dem Vormarsch.“ Sowohl von Osten als auch von Westen kommend breite er sich immer weiter aus. „Wird eine Eiche mehrere Jahre in Folge von dem Eichenprozessionsspinner kahl gefressen, kann sie absterben. Deswegen müssen wir dann eingreifen.“ In den Wäldern sei es jedoch nicht möglich, die Nester abzusaugen. „Hier müssen wir dann mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten“, so Aßmann weiter.

Vorkommen ist sehr unterschiedlich

Dieses Vorgehen wird im Stadtgebiet weitestgehend vermieden. „Der großflächige Einsatz von Insektiziden tötet alle Insekten im Umkreis und ist aus unserer Sicht angesichts des Artenschwunds und des Insektensterbens kritisch zu sehen und allenfalls punktuell sinnvoll“, sagt Björn Marzahn, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde.

Das Vorkommen des Eichenprozessionsspinners ist von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich. Im Gegensatz zu Bergedorf mit 162 befallenen Bäumen ist Eimsbüttel (nur sechs Fälle) bisher weitestgehend verschont geblieben.

Auch in Schleswig-Holstein ist die Lage noch vergleichsweise überschaubar. „In Schleswig-Holstein ist der Eichenprozessionsspinner seit einigen Jahren vereinzelt im Süden des Landes und meist außerhalb des Waldes und vorwiegend an Bäumen an Straßen und Autobahnen aufgetreten“, so ein Sprecher des Umweltministeriums. Im Jahr 2019 habe es einen ersten kleinen Befall in einer Waldfläche der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten im Südosten des Landes gegeben.

Ende des Monats wird sich das Problem von allein lösen

Was aber bedeutet die stellenweise starke Ausbreitung für Wald- und Parkbesucher? Tipps und Hinweise hat die Stadt Hamburg in einem Infoschreiben zusammengefasst (Download unter www.hamburg.de/pflanzenschutz/eichenprozessionsspinner). Darin heißt es etwa, dass man befallene Gebiete und abgesperrte Bereiche meiden solle. Sollte das nicht möglich sein, sollten freie Körperstellen bedeckt werden. Wichtig: Die Raupen sollten auf keinen Fall berührt werden, auch sollte man vermeiden, sich in der Nähe der befallenen Bäume ins Gras zu setzen.

Die Mitarbeiter der Fachfirmen, die mit der Absaugung beauftragt werden, tragen zum eigenen Schutz Ganzkörperschutzanzüge. Eine dieser Firmen ist das in Elmenhorst ansässige Unternehmen Hagen Baumpflege, das in Hamburg für die Bezirke Bergedorf und Nord zuständig ist. Und das bedeutet in diesem Jahr: jede Menge Arbeit. Laut Geschäftsführer Frank-Christoph Hagen sehen die Rahmenverträge pro Bezirk eigentlich das Absaugen von 30 bis 50 Bäumen vor. „Bis jetzt waren es allerdings schon etwa fünfmal so viele.“ Besonders viele Einsätze habe es im Stadtpark gegeben. Man habe inzwischen mit einem zweiten Team nachrüsten müssen. „Wir kommen teilweise kaum hinterher. Wenn sich die Population in den nächsten Jahren weiter so stark ausbreitet, haben wir tatsächlich ein Problem.“

Für dieses Jahr aber wird sich das Problem von alleine lösen. Denn spätestens Ende des Monats wird die für den Menschen gefährliche Entwicklungsphase vorbei sein. Die Umweltbehörde rechnet damit, dass die Bekämpfungsmaßnahmen bald abgeschlossen werden können.