Hamburg. In einem ehemaligen Bunker in Bahrenfeld bauen Physiker zwei neuartige Experimente auf. Drei Meter dicke Wände halten störende Strahlung ab

Es ist eines der größten Rätsel der Physik: Woraus besteht Dunkle Materie? Nach Antworten suchen Hamburger Wissenschaftler bald in einem Labor, das sich auf dem Campus Bahrenfeld in einem ehemaligen Bunker befindet. Nach dem Umbau des Gebäudes für rund eine Million Euro schirmen dessen drei Meter dicke Wände nun elektromagnetische Strahlung ab – eine wichtige Voraussetzung, um Störquellen wie Mobilfunk von zwei neuartigen Experimenten fernzuhalten.

Am Montag stellten die Physikerin Erika Garutti und ihre Kollegen Dieter Horns und Peter Schleper von der Universität Hamburg die frisch eingeweihte Halle vor. Das Professoren-Trio ist Teil eines Teams aus etwa 200 Wissenschaftlern der Uni und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy), die an dem Exzellenzcluster Quantum Universe beteiligt sind, einem von vier „international wettbewerbsfähigen Forschungsfeldern“, für die Hamburgs größte Hochschule im Herbst 2018 den Zuschlag im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder erhalten hatte.

In dem Vorhaben geht es darum, wie sich mithilfe der Teilchenphysik und der Gravitation (Schwerkraft) die Entwicklung des Universums nach dem Urknall verstehen lässt. Zwar spähen Astronomen heute mit haushohen erdgebundenen Teleskopen ins All und ergründen den Kosmos zudem mit Weltraumteleskopen und Raumsonden. Dank verschiedener Hightech-Instrumente können die Wissenschaftler das gesamte Spektrum elektromagnetischer Wellen aus dem All analysieren. Damit lernen Forscher immer mehr über Sterne, Planeten und Gashaufen zwischen Galaxien.

Dunkle Materie soll 25 Prozent des Universums ausmachen

Doch nur etwa fünf Prozent dieser sichtbaren Masse entsprechen der uns vertrauten Materie – wie genau sich der gewaltige Rest zusammensetzt, ist immer noch ein Mysterium. Messungen zufolge werden etwa Galaxien durch eine geheimnisvolle Masse zusammengehalten, die nicht leuchtet, kein Licht reflektiert und sich nur durch ihre Anziehungskraft zu erkennen gibt: Dunkle Materie. Dieser Sternenkitt soll etwa 25 Prozent des Universums ausmachen, schätzen Forscher.

Messungen haben auch gezeigt, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt, nicht in konstantem Tempo, sondern immer schneller. Dafür machen Forscher die sogenannte Dunkle Energie verantwortlich, die anders als gewöhnliche Masse im Kosmos nicht anziehend, sondern abstoßend wirkt und den Untersuchungen zufolge etwa 70 Prozent des gesamten Universums ausmacht.

Seit Jahrzehnten erforschen Physiker, aus welchen Teilchen Dunkle Materie bestehen könnte. Als mögliche Kandidaten gelten etwa schwach wechselwirkende, schwere Teilchen. Nach solchen WIMPs (eine Abkürzung für die englische Bezeichnung „Weakly Interacting Massive Particles“) suchen Forscher bereits seit den 1980er-Jahren.

Suche nach hypothetischen Axionen

Da die Dunkle Materie weitläufig innerhalb der Milchstraße – unserer Heimatgalaxie – verteilt ist, müsste eine sehr große Zahl dieser Teilchen die Erde durchqueren. Doch in einer Vielzahl von Experimenten gab es bisher keine eindeutige Entdeckung, erklärte Physiker Michael Grefe, Mitglied des Clusters Quantum Universe. Eher ein Nischendasein führten Grefe zufolge lange sogenannte Axionen als Kandidaten für die Dunkle Materie.

Weil es bei der Suche nach WIMPs bisher keinen Durchbruch gegeben hat, nimmt nun die Suche nach den hypothetischen Axionen wieder an Fahrt auf. „Langfristig möchten wir die Uni Hamburg gemeinsam mit Desy zu einem weltweiten Zentrum für die Suche nach Axionen etablieren“, sagte Erika Garutti. Ihr Team und Wissenschaftler um Dieter Horns bauen in dem ehemaligen Bunker die zwei neuartigen Experimente auf. Die Anlagen sollen Axionen registrieren, die auf ihrem Weg durch die Milchstraße zufällig die Erde durchqueren.

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    Bei dem ersten Experiment namens MADMAX sollen 80 Scheiben mit einem Durchmesser von einem Meter in einem sehr starken Magnetfeld platziert werden. Die Hoffnung der Forscher: Axionen könnten an den Scheibenoberflächen Mikrowellen erzeugen, die mit empfindlichen Detektoren messbar wären. Der Prototyp wird derzeit weiterentwickelt und soll 2022 auch am Forschungszentrum CERN in Genf getestet werden, bevor die Anlage dann voraussichtlich im gleichen Jahr in Hamburg Daten sammeln soll.

    Im Mittelpunkt des zweiten Experiments namens BRASS steht ein Gerät mit zweieinhalb Meter Durchmesser, das eine elektromagnetische Welle erzeugen soll, sobald ein Axion auf seine Oberfläche trifft. BRASS soll schon ab 2020 Daten zusammentragen.