Hamburg/Edinburgh. Am ersten Tag der vierwöchigen Tour durch Schottland stehlen Unbekannte ihr Motorrad. Die Urlauberin ist nicht das einzige Opfer.
Lady Tink ist etwas ganz Besonderes. Mit ihrem glänzenden Äußeren macht sie optisch viel her. Und sie hat jede Menge Power. Vor allem aber ist Lady Tink eine treue Begleiterin – und Balsam fürs Herz und für die Seele.
Lady Tink ist ein Motorrad. Für sehr viele Menschen mag es sich um einen schnöden Gegenstand handeln, einen fahrbaren Untersatz, nichts, dem man emotionalen Wert zumessen würde. Uschy Schneeclaus aber verbindet mit der limetten-grünen Triumph seit zehn Jahren eine tief empfundene Beziehung. 2009, als die damals 48-Jährige zum zweiten Mal an Krebs erkrankt war und eine äußerst schwere Operation bevorstand, erfüllte sie sich einen langgehegten Wunsch, kaufte das Bike und taufte es Lady Tink – in Anlehnung an die Fee Tinker Bell in „Peter Pan“. „Ich überlegte damals: Wenn ich das hier überlebe, sehe ich sie wieder. Es war etwas, auf das ich mich freuen wollte. Seitdem hängt mein Herz an Lady Tink.“ Da ist es ein Drama, wenn das Gefährt abhandenkommt. Ein schmerzlicher Verlust.
Polizei in Edinburgh richtet Ermittlungsgruppe ein
Schneeclaus wurde Opfer von Dieben – während eines lang geplanten vierwöchigen Motorradurlaubs mit ihrem Ehemann Roman, bei dem das Paar auf der sogenannten „Route 500“ durch Schottland touren wollte. Wie die Hamburgerin erfahren sollte, haben sich Täter offenbar auf Bikes von Urlaubern spezialisiert. Allein in den ersten Tagen ihrer Reise hörte die Abendblatt-Redakteurin von drei weiteren Motorrad-Diebstählen bei deutschen Touristen. Die Polizei in Edinburgh hat sogar eine besondere Ermittlungsgruppe mit Namen „OpSoteria“ gegründet. Und für die Medien in der schottischen Metropole sind die Motorrad-Diebstähle mittlerweile ein spezielles Thema. Auch Uschy Schneeclaus und ihrer Lady Tink widmeten die Zeitungen mehrere Artikel, ebenso wie einem weiteren deutschen und einem Schweizer Touristen, denen eine BMW und eine Triumph gestohlen wurden.
„Es war der 1. Juni, unsere erste Nacht unseres Urlaubs auf schottischem Boden in Edinburgh“, erzählt Schneeclaus. Sie und ihr Mann hatten in einem kleinen Hotel eingecheckt und ihre Bikes auf dem dortigen Hotelparkplatz abgeschlossen. Abends waren sie zum Essen gegangen. „Auf dem Weg zurück ins Hotel tätschelte ich Tink noch ein bisschen und sagte ihr Gute Nacht.“
Überwachungskamera filmt den Diebstahl
Am nächsten Morgen war die Maschine verschwunden. Eine Überwachungskamera hatte aufgezeichnet, wie ein offenbar junger Mann in schwarzer Motorrad-Kluft und weißem Helm den Parkplatz betritt, die Zündung der Triumph kurzschließt, den mit Lenkradschloss gesicherten Lenker freitritt und mit der Maschine davonfährt. Bei der Polizei, wo das Paar den Diebstahl anzeigte, erfuhr Schneeclaus von vergleichbaren Diebstählen und der Task Force. Im Verdacht der Fahnder: eine Jugendgang, die Motorräder „just for fun“ stehlen, wie es der Polizist nannte. „Ich hinterließ eine Art Steckbrief von Lady Tink mit Fahrgestellnummer und Farbe und sollte meine Mail-Adresse angeben. Ich dachte: Ist das alles? Ich hätte fast geheult.“
Weil die nächsten Stationen ihrer Schottland-Tour bereits gebucht waren, mussten Schneeclaus und ihr Mann die Reise zu zweit auf dessen Yamaha fortsetzen. „Einen Teil unseres Gepäcks mussten wir zurückschicken. Dafür war auf einer Maschine kein Platz mehr. Aber der Versand ging glücklicherweise relativ problemlos mit dem ADAC.“
Bevor sie weiterfuhren, sprachen die Hamburger noch mit Journalisten von der lokalen Presse in Edinburgh, die schon ausführlich und mit Foto über den Diebstahl der BMW K1200 RS eines deutschen Touristen sowie weitere Taten berichtet hatten – verbunden mit einer Warnung an Reisende, die mit Motorrädern unterwegs sind. „Ich dachte, wenn die Medien über mich und meine Lady Tink berichten, erhöht das vielleicht meine Chancen, dass ich sie wiederbekomme. Ein Foto von mir und der Triumph Street Triple hatte mein Mann ja erst zwei Tage zuvor auf der Fähre von Amsterdam nach Newcastle aufgenommen.“
Die Schlösser am Motorrad waren aufgebrochen
Nach weiteren Stationen auf ihrer Reise dann am 19. Juni die Überraschung: „Ich checkte meine Mails. Die Polizei hatte auf Twitter Fotos von zwei gestohlen gemeldeten und nun wiedergefundenen Motorrädern gestellt – darunter ein limetten-grünes“, erzählt Schneeclaus. „Ich checkte schnell das Kennzeichen. Es war Lady Tink! Ich konnte es kaum glauben!“ Ein Anruf bei der Polizei in Edinburgh ergab, dass die Maschine noch kriminaltechnisch untersucht werden sollte und dann repariert werden musste. Zündschloss sowie die Schlösser von Tank und Sitzbank waren aufgebrochen. „Und ich hörte von den Beamten noch mal, dass Edinburgh ein „Hotspot“ für den Motorradklau sei. Am liebsten werden die Maschinen offenbar direkt vor den Hotels gestohlen“, erzählt Schneeclaus. Die Journalistin möchte andere Motorrad-Fans warnen. „Edinburgh ist eine wundervolle, sehr sehenswerte Stadt. Aber lasst für den Besuch dort unbedingt euer Bike zu Hause!“
Am 26. Juni bekam Schneeclaus ihre Lady Tink endlich wieder – einen Tag vor der geplanten Rückreise nach Deutschland. „Ich konnte immerhin noch von Edinburgh nach Newcastle und von Amsterdam bis nach Hamburg fahren.“ Auf der Fähre wurde Schneeclaus von einem Harley-Davidson-Fahrer angesprochen, der auf dem Weg zu den „Harley Days“ war. „Er hatte von dem geklauten und wiedergefundenen Motorrad in den sozialen Medien gelesen und sagte: „Das ist doch Lady Tink!“