Hamburg. Secondhand, aber immer von Topmarken: Das ist das Konzept der Vintage-Plattform Rebelle. Wie Gründerin Cécile Wickmann angefangen hat.

Gestreiftes zu Gepunktetem. Wäscheblitzer. Secondhandmode. Geht gar nicht? Geht doch! „Brich die Fashion-Regeln“, lautet der Slogan, mit dem die Vintage-Plattform Rebelle in einem TV-Spot wirbt. Sehr schnell, sehr bunt und ein bisschen gegen den Strich. „Wir wollen Frauen animieren, nicht jeden Trend mitzumachen“, sagt Cécile Wickmann, „sondern Dinge zu tragen, in denen sie sich wohlfühlen.“ Es geht um Mode, um den schönen Schein und um knallhartes Business. Da denkt man an Mailand, Paris, New York.
Doch Wickmann sitzt in einem alten Speicher am Brooktorkai, mittendrin in der guten Stube des Hamburger Handels.

Die Chefin des Start-ups Rebelle trägt einen Blazer mit schwarz-weißem Karo, ein Business-Outfit. Aber im Fashion-Geschäft ist die eigene Garderobe eben immer auch ein Statement. „Viele meiner Lieblingsteile sind Klassiker“, sagt sie. Die können auch mal mehr als 1000 Euro kosten. Oder deutlich weniger, wenn sie gebraucht erstanden sind. In diesem Fall bleibt der Preis ihr Geheimnis. Pumps von Prada, Röcke von Moschino, Kleider von Jil Sander, Handtaschen von Dior, Blazer von Blazé Milano – der Luxusgütermarkt ist seit Jahren ein stabiler Faktor mit deutlichem Umsatzwachstum. Im Windschatten hat sich der Markt mit Designermode aus zweiter Hand im Internet entwickelt.

20.000 neue Artikel pro Monat


Rebelle ist ziemlich weit vorn mit dabei und inzwischen auch im europäischen Ausland bekannt. Das Geschäftsmodell ist einfach: Wer ein hochpreisiges Markenteil zu Geld machen möchte, kann es über die Internetplattform zum Verkauf anbieten. Als Vermittler verdient Rebelle über die Provisionen. 160.000 Artikel hat das Portal inzwischen online, jeden Monat kommen 20.000 dazu – alles auf Echtheit überprüft. Mehr als 200.000 registrierte Kunden klicken regelmäßig auf die Seiten.

In Deutschland gibt es nichts Vergleichbares


„Es gibt einen Bewusstseinswandel“, sagt Cécile Wickmann. „Besitz wird mehr und mehr zum temporären Konzept.“ Die 34-Jährige ist das Gesicht des Unternehmens. Sie kommt aus der Modewelt, kennt die schnellen Umdrehungen besonders angesagter Must-haves, die astronomischen Preise der Designer- Label – und hat selbst einen Hang zu Edelmarken. Die Idee für das eigene Unternehmen hatte die Betriebswirtin, als sie nach Studium und Umzug nach Hamburg ihre Sachen im Keller ihres Elternhauses in Berlin-Grunewald räumen sollte – samt zahlreicher Kartons mit Designerklamotten.

Dabei stieß sie auf eine US-Plattform, auf der Privatkunden gebrauchte Schätze zu Geld machen konnten. In Deutschland gab es nichts Vergleichbares. Das war die Initialzündung für das Onlineportal Rebelle, das sie 2013 gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Max Schönemann noch während ihrer Station bei der Venture-Capital-Firma Hanse Ventures äußerst zielstrebig aufbaute – anfangs mit einem Angebot von knapp 1000 Teilen vor allem aus dem eigenen Kleiderschrank und denen von Familie und Freunden.

Das „Re“ steht für Re-Commerce, „belle“ für die Schöne. Dass sie einen Nerv getroffen hatten, merkten die Gründer schnell. Nicht lange nach dem Start habe sie mit ihrem heutigen Ehemann Johannes Wickmann, Chef einer Digitalagentur, in einem Lokal in Hamburg gesessen und beobachtet, wie sich zwei Frauen am Nebentisch gegenseitig auf ihren Smartphones Kleider in der Rebelle-App vorführten. „Da habe ich gedacht, das könnte was für die breite Masse werden“, sagt die Unternehmerin, die selbst auch eine gute Kundin ist.
„Ich bin rigoros. Ich kaufe schnell, verkaufe aber auch schnell.“

Der durchschnittliche Orderwert liegt bei 300 Euro

Immer wieder sortiert sie in ihrer Eppendorfer Art-déco-Altbau-Wohnung aus. „Natürlich bereut man mal einen Kauf, auch einen teuren.“ Wie die weiße Handtasche des Luxuslabels Givenchy aus einer limitierten Edition, die sie vor drei Jahren erstanden hatte und nie benutzte. Kaufpreis: 1690 Euro. Bei Rebelle ist das Schätzchen für 1190 Euro zu haben. Wickmann trägt jetzt eine schwarze Beuteltasche von Marni. Auch eine Luxusmarke, auch teuer, aber deutlich praktischer.

Dass es ein Fehler ist, die Wahlhamburgerin mit blondem Bob und freundlichem Lächeln zu unterschätzen, wird spätestens klar, wenn sie über millionenschwere Finanzierungsrunden und Übernahmen spricht. Inzwischen hält das Managementteam nur noch Anteile im kleineren zweistelligen Bereich. „Wir hatten im vergangenen Jahr – wie viele in der Branche – einen schlechten Sommer. Derzeit wachsen wir aber wieder um 40 Prozent“, sagt die Chefin von 100 Mitarbeitern. Der durchschnittliche Orderwert liegt bei 300 Euro, aber es gibt natürlich auch besonders rare Teile, die für mehrere 10.000 Euro angeboten werden – und in einem abgedunkelten Tresorraum lagern.
Das Geschäft mit den Luxusmarken ist international und soll weiterhin ausgebaut werden. Im Fokus: das luxusaffine Italien. Und ja, auch einen strategischen Deal mit einem Investor, etwa eine der großen Luxusmarken, kann sich Cécile Wickmann vorstellen. Klar ist, dass sie auf jeden Fall weitermachen will. Jetzt, wo Kunden aus der ganzen Welt auf ihrer Seite unterwegs sind, Millionen die TV-Spots sehen. „Das ist schon ein Wahnsinnsgefühl“, sagt Cécile Wickmann und lässt einen kurzen Blick auf die Person hinter der organisierten und strukturierten Außensicht zu.


Dass die Gründerjahre auch harte Arbeit sind, würde sie so wohl nicht sagen. Dass es ohne Disziplin nicht geht, ist für sie selbstverständlich. Zum Beispiel, wenn sie erzählt, dass sie mindestens zweimal in der Woche morgens um 7 Uhr beim Sport ist, bei einem Start-up mit besonders effektiver Trainingsmethode, und oft auch noch mal am Wochenende. Inzwischen ist Wickmann nicht mehr sieben Tage rund um die Uhr mit Rebelle beschäftigt, kümmert sich mehr um strategische Themen und gönnt sich immer wieder kleine Auszeiten. Dann fährt sie mit Ehemann Johannes am liebsten raus aus der Stadt, macht lange Spaziergänge am Strand auf Sylt oder in der Heide. Was nicht heißt, dass sie ihren Laptop vergisst. „Ich bin jeden Tag auf unseren Seiten, schreibe auch mal eine Mail, wenn etwas nicht gut ist“, sagt sie. Da ist Cécile Wickmann dann ganz klassisch.