Hamburg. Das Mädchen aus Hamburg leidet an einer seltenen Form von Blutkrebs. Ihre einzige Chance zu überleben ist eine Stammzellenspende.
Victoria kann nicht verstehen, warum sie ihr Zimmer seit Wochen nicht verlassen darf. Wenn sie aus dem Fenster schaut, blickt sie genau auf den Spielplatz. Die Zweijährige möchte auch gern schaukeln, aber der Aufenthalt im Freien wäre für sie viel zu gefährlich. Das zweijährige Mädchen leidet an einer besonders aggressiven und seltenen Form von Blutkrebs. Eine rasche Stammzellspende ist nach Angaben der gemeinnützigen Organisation DKMS Victorias einzige Überlebenschance. Freunde und Verwandte haben deshalb für diesen Sonnabend in der Bucerius Law School eine große Typisierungsaktion initiiert.
Die Situation sei schwer auszuhalten, sagt ihre Tante Lena Westermann, die vor ein paar Tagen unten auf dem Spielplatz stand und mit ihrer kleinen leukämiekranken Nichte nur telefonieren konnte, weil sie wegen einer Augenentzündung nicht zu ihr ins Zimmer durfte. Jeder Keim wäre fatal für das Immunsystem des kleinen Mädchens.
Das Mädchen hatte plötzlich blaue Flecken
Das Unheil kam ganz plötzlich: Vor einigen Wochen bekam Victoria, die im März ihren zweiten Geburtstag feierte, ein paar blaue Flecken – an der Stirn und an den Beinen. Wenig später schlug die Kita Alarm. Das kleine Mädchen war plötzlich sehr schlapp und hatte nicht mehr nur blaue Flecken, sondern auch bläuliche Lippen. Noch am selben Tag gingen die Eltern mit Victoria zum Kinderarzt, der die Familie ins Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) weiterschickte. Dort wurde die niederschmetternde Diagnose gestellt.
Seit 15. Mai ist Victoria, die auf der Uhlenhorst lebt, nun im Krankenhaus. „Sie bekommt gerade ihre zweite Chemotherapie. Ihre Blutwerte sind sehr schlecht“, sagt ihre Tante Lena, die selbst zwei kleine Kinder hat und derzeit in Elternzeit ist. „Meine Zwillingsschwester Nina ist die ganze Zeit im Krankenhaus bei Victoria“, sagt Lena Westermann, wie ihre Schwester Juristin. Andreas, der Vater des leukämiekranken Mädchens, versuche so oft wie möglich in der Klinik zu sein und betreue die vierjährige Luise, die ältere Schwester von Victoria.
Der Familienzusammenhalt ist sehr groß
Lena und Nina, die 39-jährigen Zwillinge, haben noch vier weitere Geschwister. „Wir sind eine sehr enge Familie“, sagt Lena Westermann, der Zusammenhalt sei sehr groß. Ihren Eltern sei die Familie immer sehr wichtig gewesen und alle hätten regelmäßig und viel Kontakt. „Für Luise versuchen wir, soviel Normalität herzustellen wie möglich“, sagt die Hamburgerin, die mit den Kindern ihrer Schwester sehr vertraut ist. „Wir sagen immer, wir haben zu zweit vier Kinder“, erzählt Lena. Auch deshalb geht ihr die Krankheit ihrer Nichte besonders nahe. Sie beschreibt das leukämiekranke Mächen als ganz besonders feinfühlig und auffällig sozial. Victoria habe es immer gespürt, wenn es anderen mal nicht so gut ging, sagt sie.
Als das krebskranke Mädchen vor ein paar Tagen mal wieder Besuch von ihrer großen Schwester Luise bekam, hätten die beiden gemeinsam gepuzzelt, erzählt ihre Tante. Doch es gibt nur wenige Situationen wie diese, in denen wenigstens ein wenig Normalität herrscht. Es sei schwer für ihre ältere Nichte, dass sie ihre Mutter und die kleine Schwester nur so selten sehen könne.
Viele wollen dem kleinen Mädchen helfen
Dem Familienzusammenhalt und den vielen Kontakten ist es zu verdanken, dass sich innerhalb kürzester Zeit eine große Gemeinschaft bildete, die dem kranken Mädchen helfen will. „Es haben sich ganz viele unabhängig voneinander bei uns gemeldet, wir hatten innerhalb weniger Tage ein Dutzend Ansprechpartner“, sagt Pamela Kölbl, die die Typisierungsaktion für Victoria bei der DKMS betreut. Die Unterstützung und die Bereitschaft, sich für die Zweijährige einzusetzen, sei außerordentlich groß, sagte Kölbl dem Abendblatt. Die DKMS sei aber geübt darin, eine so große Typisierungsaktion dann auch innerhalb weniger Wochen zu organisieren. Die DKMS-Mitarbeiter werden die ehrenamtlichen Helfer einweisen und stehen dann allen potenziellen Spendern auch für Fragen zur Verfügung.
Auch Spenden für die Aktion werden dringend gebraucht
Bei der DKMS sind laut Kölbl bereits mehr als sieben Millionen Menschen als potenzielle Spender registriert. Grundsätzlich kommt jeder gesunde Mensch zwischen 17 und 55 Jahren, der mindestens 50 Kilo wiegt, als Spender infrage. Nach dem Ausfüllen einer Einverständniserklärung wird mit einem Wattestäbchen ein Abstrich an der Wangenschleimhaut gemacht, damit seine Gewebemerkmale bestimmt werden können. Diese Daten stehen für Patienten weltweit zur Verfügung. „Jeden Monat fallen aber etwa 4000 bis 5000 Menschen wegen des Alters raus“, sagt Kölbl.
Victorias Familie ist sehr dankbar, dass sie soviel Unterstützung von Freunden, Verwandten, Nachbarn, Kollegen und auch von den anderen Eltern aus der Kita erfahren, sagt Lena Westermann. „Ohne die Initiative der Kita-Mütter, Freunde und all der anderen würde es eine solche Aktion nicht geben. Wir hätten es nicht alleine geschafft.“ Auch in Münster und Dortmund haben Unterstützer weitere Aktionen initiiert. Weil jede Typisierung 35 Euro kostet, bitten die Initiatoren der Aktion um Spenden.