Bargteheide. Havva Nur Dalkilinc aus Bargteheide hat den Kampf gegen den Blutkrebs gewonnen. Jetzt engagiert sie sich und hilft anderen Betroffenen.

Blutkrebs – diese Diagnose erschüttert Havva Nur Dalkilinc in ihren Grundfesten. Sie ist 30 Jahre alt und mit Sohn Eray im fünften Monat schwanger, als sie die niederschmetternde Nachricht erfährt. Doch die Bargteheiderin und ihr Sohn werden gerettet: Dank ungezählter Bluttransfusionen und einer Stammzellspende geht es ihnen heute endlich gut. Zu verdanken haben die beiden dieses Glück auch den Menschen, für die es selbstverständlich ist, Blut zu spenden. Deshalb möchten Havva Nur und ihr Mann Mehmet (33) nun etwas zurückgeben. Mit Sohn Eray (3) und Tochter Ilaysu (5) fahren sie nach Berlin, nehmen dort heute am 16. Weltblutspendertag teil. Ihre Mission: Aufzeigen, dass Blutspenden Leben rettet.

Bruder kommt als Spender infrage

Wenn Havva Nur Dalkilinc heute über die Zeit während ihrer Blutkrebs-Erkrankung spricht, wirkt sie gefasst: „Ich habe ab dem Tag, als ich von der Krankheit erfuhr, gehofft.“ Diese unerschütterliche Zuversicht erstaunt sie heute selbst. Zumal direkt nach der Diagnose für die werdende Mutter eine schwere Zeit beginnt. Die Chemotherapie verschlechtert ihre Blutwerte. Und die Bluttransfusion, die sie anschließend erhält, führt zu einer schwangerschaftsbedingten Blutvergiftung. Dies zwingt die Ärzte zum Handeln. Sohn Eray muss bereits im siebten Schwangerschaftsmonat geholt werden. Und auch er bekommt sofort eine Bluttransfusion. Die ersten dreieinhalb Monate seines Lebens verbringt er im Krankenhaus.

Seine Mutter Havva Nur aber kann nur überleben, wenn sich ein passender Stammzellspender findet. Sie hat Glück. Ihr Bruder kommt als Spender infrage. Bevor die Transplantation vorgenommen werden kann, bekommt Havva Nur über drei Monate hinweg etliche Bluttransfusionen: „So viele, dass ich aufgehört habe zu zählen.“ Am 14. April 2016 ist es endlich soweit: Die zweifache Mutter bekommt die lebensrettende Stammzellspende. „Seit drei Jahren feiere ich an diesem Tag zusätzlich Geburtstag“, sagt die 33-Jährige. Jetzt ist es ihr ein dringendes Anliegen, anderen zu helfen.

Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens auf eine Blutspende angewiesen ist, groß. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) liegt sie zwischen 50 und 80 Prozent. Der DRK-Blutspendedienst Nord-Ost registriert pro Jahr rund 110.000 Blutspenden, die Kranken helfen und nicht selten Leben retten.

Zahl der Blutspender ist in Stormarn rückläufig

Susanne von Rabenau ist Pressereferentin beim DRk-Blutspendedienst Nord-Ost. 
Susanne von Rabenau ist Pressereferentin beim DRk-Blutspendedienst Nord-Ost.  © Katja Zimmermann | Katja Zimmermann

Allerdings ist die Zahl in Stormarn in den vergangenen Jahren rückläufig. „Diese Entwicklung im Kreis spiegelt die Situation wider, die sich auch bundesweit abzeichnet“, sagt Susanne Rabenau, Pressereferentin des DRK-Nord-Ost. Aus Altersgründen verliere das DRK bundesweit jährlich bis zu 100.000 Spender, der Geburtenrückgang wirke sich zusätzlich negativ auf die Anzahl der Blutspender aus. „Viele setzen sich teilweise nicht bewusst genug mit dem Blutspenden auseinander“, sagt Mehmet Dalkilinc, der seit zwölf Jahren mit Havva Nur verheiratet ist, als Versicherungskaufmann arbeitet und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins in Bargteheide ist.

Wie dankbar Mehmet Dalkilinc allen Blutspendern ist, wird ihm gleich bei der ersten Bluttransfusion bewusst, die seine Frau bekommt: „Ich musste weinen, als ich sah, wie das Blut durch den ewig langen Schlauch in die Venen meiner todkranken Frau floss.“ Der 33-Jährige durchlebt damals ein Wechselbad der Gefühle. Da ist einerseits die Dankbarkeit gegenüber einem fremden Blutspender. Sie ist so groß, dass er kaum Worte für sie findet. Gleichzeitig ist da eine tiefe Scham: Mehmet selbst hat noch nie Blut gespendet. Direkt am nächsten Tag ändert er das. Mittlerweile hat er sein zehntes DRK-Spendejubiläum gefeiert und engagiert sich ehrenamtlich bei Typisierungsaktionen für Stammzellspender. Noch heute tut es ihm leid, erst so spät mit dem Blutspenden angefangen zu haben. Erst die Erkrankung seiner Frau habe ihm vor Augen geführt, wie wichtig das Blutspenden ist.

Havva Nur hat einen eigenen Instagram-Kanal

Auch wenn die Leukämie besiegt ist, das Thema Blut- und Stammzellspende ist bei Familie Dalikilinc weiterhin präsent. In Berlin sprechen sie heute zu den 65 Blutspendern aus ganz Deutschland, die dort stellvertretend für alle Spender für ihr Engagement geehrt werden. Neben öffentlichen Auftritten wie diesem hat es sich Havva Nur zur Aufgabe gemacht, Betroffenen auf ihre ganz persönliche Art zu helfen. „Ich selbst darf nicht spenden, möchte aber trotzdem etwas zurückgeben“, sagt die 33-Jährige.

Auf ihrem Instagram-Kanal havva_nurd postet sie regelmäßig Fotos. Bilder, die zeigen, wie glücklich sie mit ihrer Familie ist. Da sind aber auch Aufnahmen, die sie zeigen, während der Chemotherapie – als sie ums Überleben kämpfte. Und dann wieder Fotos von der jährlichen Feier ihres zusätzlichen Geburtstages. Die Botschaft ist immer gleich: Niemals die Hoffnung aufgeben! Die Bargteheiderin nutzt ihren Account auch, um mit Betroffenen in Kontakt zu treten: „Ich schreibe ihnen oder wir telefonieren. Ich will ihnen das Gefühl geben, nicht allein mit ihrer Krankheit zu sein“, sagt die junge Frau. Vielen Betroffenen helfe es, mit jemandem zu sprechen, der genau dieselben Probleme und Ängste durchlitten hat wie sie. Die Bargteheiderin ermuntert Betroffene, über ihren Instagram-Kanal Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Hauptsächlich junge Menschen sollen angesprochen werden

Susanne Rabenau, die in engem Kontakt mit der Familie steht, ist dankbar für deren Unterstützung und dafür, dass sie das Thema Blutspende in die Öffentlichkeit trägt. „Erst wenn’s fehlt, fällt’s auf - #missingtype: Viele Partner, eine Botschaft“ ist der Titel der aktuellen DRK-Kampagne, bei der es darum geht, auf die am häufigsten benötigten Blutgruppen A, B und 0 aufmerksam zu machen und neue Spender zu gewinnen. Im vergangenen Jahr konnten durch die Aktion deutschlandweit tatsächlich 125.000 Neuspender geworben werden. Rabenau hofft, dass sich vor allem junge Menschen angesprochen fühlen, denn der Altersdurchschnitt der Spender in Schleswig-Holstein und Hamburg liegt bei 46,27 Jahren, der der Erstspender bei 30,23. Außerdem weist sie darauf hin, dass sich jeder während eines Blutspendetermins auch als Stammzellspender registrieren lassen kann. Mehmet Dalkilinc betont, wie dankbar er den Menschen ist, die Blut spenden: „Ich könnte jeden einzelnen umarmen. Sie alle retten Leben.“

Heute in Reinbek: Spenden beim DRK

9495 Blutspenden zählte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) 2017 in Stormarn, davon waren 741 Erstspenden. Im vergangenen Jahr waren es 8925 Blutspenden, darunter 679 Erstspenden.Die Kampagne #missingtype 2019 startete am 11. Juni, bundesweit registrierte das DRK seitdem 800 Neuspender. Bis zum 31. Dezember können Erstspender noch teilnehmen. Jede einzelne Blutspende kann bis zu drei kranken oder verletzten Menschen helfen. Bundesweit spenden etwa nur drei von 33 Prozent derjenigen, die als Spender infrage kämen, ihr Blut. Wer Blut spenden möchte, kann sich unter blutspende-nordost.de über Termine, Adressen und dringend benötigte Blutgruppen informieren. Der nächste Blutspende-Termin in Stormarn beginnt heute, 14. Juni, um 15 Uhr im DRK-Zentrum Reinbek, Birkenweg 3. Der Termin endet um 19.30 Uhr.