Hamburg. An der Aktion nehmen diesmal mehr als 260 Gartenbesitzer in Schleswig-Holstein, Hamburg und teilweise auch in Niedersachsen teil.
Im Vorgarten der Hamburger Ärztin Marianne Claus summen Bienen, und hinter dem Haus wachsen Katzenminze und Giersch um die Wette. Zwischen Quitte und einer wellenförmig geschnittenen Eibenhecke laden Holzsessel zum Verweilen ein. Ein privates Paradies, 1100 Quadratmeter groß und im englischen Stil des 19. Jahrhunderts angelegt. Am Sonntag öffnen Marianne Claus und ihr Mann Rolf-Dietrich die Gartentür für ein interessiertes Publikum. Das Ehepaar nimmt an der norddeutschen Aktion „Offener Garten“ teil, die an diesem Wochenende zum 20. Mal stattfindet. „Wir haben es immer genossen, andere Gärten kennenzulernen“, sagt die Palliativmedizinerin. Nun wollten sie selbst dazu beitragen, dass sich Gäste durch den Besuch ihres Gartens inspirieren lassen.
An der Aktion „Offener Garten“ nehmen diesmal mehr als 260 meist private Gartenbesitzer in Schleswig-Holstein, Hamburg und teilweise auch in Niedersachsen teil. Was im Jahr 2000 mit fünf Gärten begann, hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt, die mit Insektensterben und Artenschwund neue Aufmerksamkeit findet. Wie Maike Heinatz vom Team Offener Garten sagt, sei die Zahl der Hamburger Gärten kontinuierlich gestiegen. Lag sie im Jahr 2012 noch bei neun, so sind es jetzt 19. Die Gäste können bei kostenlosem Eintritt in fremde, aber doch so vertraute Oasen eintauchen, wo winterharte Kakteen, Rosen und Wildkräuter wachsen. Und jene stattliche Esskastanie, die im Vorgarten der Familie Claus in Rahlstedt steht.
Bienenfreundlicher Stadtgarten
Die beiden Bienenvölker vor der Villa gehören dem Meiendorfer Gartenfreund und Hobby-Imker Jörg Müller, der seinen bienenfreundlichen, zweiteiligen Stadtgarten ebenfalls öffnet. Weil Bienen ständig auf Nahrungssuche sind, finden sie während der Esskastanien-Blüte stets Nachschub. Im Herbst verarbeitet Marianne Claus die Maronen zu Likör. Gartenarbeit bedeute Ausgleich und die Verwirklichung eines Traumes: „Unsere Besuche in England mit der berühmten Gartenkultur waren die Initialzündung“, sagt Kirchenmusiker und Computerspezialist Rolf-Dietrich Claus. „Da wurden wir ganz grün vor Neid.
Mehr als 100 Besucher dürften am Wochenende wieder in den Garten von Maike Andersson nach Lemsahl strömen. Totholzecken und ein Wildblumensaum setzen auf dem 1000 Quadratmeter großem schwedischen Landhausgarten neue ökologische Akzente. „1500 Käferarten entwickeln sich ausschließlich im Totholz“, weiß Maike Andersson. Für ihr Umwelt-Engagement in der Gartenkultur wurde sie vor zwei Jahren mit dem „Loki Schmidt Preis – Grünes Hamburg“ vom Hamburger Abendblatt und der Loki Schmidt Stiftung ausgezeichnet. „Diese Ehrung“, sagt sie, „hat mich dazu motiviert, mich intensiv mit der Bedeutung von Gärten für die Biodiversität auseinanderzusetzen.“ Naturnah angelegte Gärten seien Rückzugsorte für Pflanzen und Tiere und ein Gegenpol zu dicht besiedelten Städten. Nun treiben hier Klatschmohn und Färberkamille, Acker-Rittersporn und der Große Ehrenpreis wilde Blüten.
Rosen wachsen auf Schuppen und Dächern
In den 1960er- und 70er-Jahren befand sich die Gartenkultur in Deutschland auf einem Tiefpunkt. Damals verkümmerten die einst blühenden Landschaften zu uniformen Open-Air-Wohnzimmern – Amerika verdrängte die letzten deutschen Gartenzwerge: Die Hollywoodschaukel wurde zum Freiheitssymbol einer Emanzipationsbewegung, die genug hatte vom Unkrautjäten und schweißtreibendem Umgraben. Statt Beeten gab es Barbecue. Heute ist es kaum anders – da erobern Steinwüsten die Vorgärten: Kies und Platten machen alles Leben platt.
„Wildkräutern, heimischen Pflanzen, Insekten oder Vögeln werden so kaum noch Chancen eingeräumt“, heißt es beim Nabu. Dass Steine auch Lebensraum sind, zeigt der Garten von Marlene Bock und Walter Langreder in Hohenaspe. In der Nähe eines Koiteichs haben zwischen Steinen Yukas, Agaven und Kakteen ihr Zuhause.
Ein Rosenparadies ist der Garten von Ulrike Burghardt und Astrid Lucassen in Stelle (Landkreis Harburg). Rosen wachsen überall – an Pergolen, als Sträucher, auf Schuppen und Dächern. Offen steht auch der Garten von Elke Mielke in Hamburg. Alte Obstbäume haben hier eine Heimat gefunden.