Hamburg. Pilotprojekt für günstige Mieten: Die zwei Mehrfamilienhäuser hat ein Investor ohne öffentliche Zuschüsse errichtet.

Zum Teil bodentiefe Fenster, die viel Licht hereinlassen, Wände aus Fichtenholz, ein etwa 40 Quadratmeter großes Wohn- und Esszimmer, dazu drei kleinere Räume, plus Küche, Hauswirtschaftsraum, Bad. Insgesamt 105 Quadratmeter – für eine Nettokaltmiete von acht Euro pro Qua­dratmeter, insgesamt also 840 Euro: „Kostengünstiger und gleichzeitig funktional und architektonisch ansprechender Wohnungsbau ist möglich“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), als sie am Mittwoch im Baugebiet Vogelkamp in Neugraben den jüngsten Stand eines städtischen Pilotprojektes präsentierte.

Noch in diesem Sommer sollen die ersten Mieter in zwei neue Mehrfamilienhäuser mit 44 gleichgroßen Wohnungen einziehen, die etwa zehn Gehminuten von der S-Bahn-Haltestelle Neugraben entfernt sind. Die Netto-Kaltmiete von acht Euro ist für fünf Jahre festgelegt, danach darf der Bauherr, die Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft, die Miete im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erhöhen.

Zur Einordnung: In dem Bemühen, in Hamburg mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen, will der Senat zum einen den sozialen Wohnungsbau noch stärker fördern als bisher. Für die Jahre 2019 und 2020 wurden zuletzt Fördermittel für je 5000 neue Sozialwohnungen pro Jahr bewilligt, wie Stapelfeldt im Februar mitgeteilt hatte. Im Jahr 2018 seien 2466 neue Sozialwohnungen fertiggestellt und 3001 genehmigt worden. Zum anderen will der Senat erproben, ob sich auch beim frei finanzierten Wohnungsbau ohne öffentliche Förderung bezahlbare Mietwohnungen schaffen lassen. Die ersten Ergebnisse dieses Vorhabens sind nun in Neugraben zu besichtigen.

„Schwieriger Prozess“

Architekt Heiner Limbrock erzählte, er und sein Team seien auf einen „schwierigen Prozess“ eingestellt gewesen. „Wir hatten aber Lust, auch mal ein solches Vorhaben anzugehen, weil es sonst immer in die andere Richtung geht, also Bauherren immer ein Mehr an Ausstattung fordern.“ Wie aber lässt sich kostengünstig und ansprechend bauen?

… in einer 105 Quadratmeter großen Musterwohnung.
… in einer 105 Quadratmeter großen Musterwohnung. © Marc Hasse

Bei den zwei Mehrfamilienhäusern führten dem Architekten zufolge zwei Vorgehensweisen zum Erfolg. Erstens: zügig zu bauen. Während viele Häuser Stein auf Stein errichtet werden, setzten Limbrock und sein Team bei dem Pilotprojekt überwiegend auf Holz, das ab Werk auf die benötigten Längen zurechtgeschnitten wurde. Das sparte im Bauprozess Zeit und Kosten.

Zweitens fragte sich das Architektenteam: Was ist wirklich notwendig für Wohnqualität, welcher Verzicht erspart uns Kosten auf vertretbare Weise? Die Ergebnisse: Es gibt zum Beispiel in den beiden viergeschossigen Häusern keine Aufzüge. Trotzdem entstehen immerhin sechs barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen – im Erdgeschoss.

Verzicht auf Flure

Verzichtet haben die Planer zudem auf Flure in den Wohnungen. Auch ein Keller fehlt – dafür gibt es Hauswirtschaftsräume neben den Küchen. Die Bäder sind nicht mit gefragten Markenprodukten ausgestattet, sondern mit preisgünstigen Alternativen. „Sie werden es nicht bemerken“, sagt Limbrock.

Der Senat hatte das Vorhaben 2016 ausgeschrieben, zusammen mit einem Pilotprojekt am Bramfelder Dorfgraben, wo bis Ende dieses Jahres 154 Wohnungen fertiggestellt werden sollen. In beiden Ausschreibungen gab es die Vorgabe, dass die Netto-Kaltmiete von acht Euro erst nach fünf Jahren erhöht werden darf und dass der Bauherr keine öffentlichen Fördermittel bekommt.

Den Zuschlag in Neugraben bekam dann die Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft. Deren Geschäftsführer Peter Lewalter sprach am Mittwoch von einer „besonderen Herausforderung“, im Rahmen der „anspruchsvollen Vorgaben“. Gleichwohl sei der Bau gelungen und er erwarte eine „auskömmliche Rendite“. „Es steht auf jeden Fall eine Vier vor dem Komma“, sagte er auf Nachfrage zur Höhe der Rendite.

Weiteres Pilotprojekt in Bergedorf

Vor Kurzem beendet worden ist die Ausschreibung für ein weiteres städtisches Pilotprojekt in Bergedorf mit 80 Wohnungen. Dafür könnte in diesem Sommer ein Investor ausgewählt werden. Anders als 2016 hat der Senat für die Vergabe in Bergedorf festlegen lassen, dass der Besitzer der Wohnungen die Netto-Kaltmiete von acht Euro pro Quadratmeter nach vier Jahren alle zwei Jahre um höchstens 30 Cent erhöhen darf, bis in 30 Jahren – dann entfällt die Vorgabe. Würde der Besitzer die Miete nach dieser Vorgabe durchweg erhöhen, läge die Netto-Kaltmiete nach 30 Jahren bei 12,50 Euro pro Quadratmeter.

Die Vermarktung für die Wohnungen in Neugraben hat vor Kurzem begonnen. Wer eine Wohnung mieten möchte, kann sich an die Theodor Schöne GmbH wenden (Tel. 040/236 10 40).