Hamburg. Obwohl der Junge (5) eine Stunde unter Wasser war, gelang es den Rettern, das Kind zu reanimieren. Vater erlitt Herzinfarkt.

Er wollte seinen kleinen Sohn retten und erlitt offenbar vor Aufregung einen Herzinfarkt. Jetzt schwebt der 38-Jährige in Lebensgefahr. Am Mittwoch, den Tag nach dem schweren Unglück nahe der Straße Am Röhricht kämpfen Ärzte im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) immer noch um das Leben des fünf Jahre alten Jungen, der am Montagabend in ein Rückhaltebecken gestürzt und untergegangen war.

Mit seinem kleinen Bruder war der Fünfjährige zum Spielen draußen gewesen. Die beiden Jungen gehören zu einer neunköpfigen syrischen Familie, die zwei Straßen entfernt von dem Unglücksort in einem der schlichten Reihenhäuser wohnt. „Vor etwa vier Monaten sind sie dort eingezogen. Vorher lebten sie hier in der Wohnunterkunft für Flüchtlinge“, sagt ein Mann, der am Tag nach der Tragödie an dem Rückhaltebecken sitzt. Die Anlage grenzt direkt an den Unglücksort und ist mit einem Drahtzaun abgegrenzt. An dem Rückhaltebecken selbst ist es friedlich, geradezu idyllisch. Entenfamilien sitzen am Ufer der insgesamt drei wie Teiche wirkenden, dicht beieinanderliegenden Rückhaltebecken, die stellenweise von Schilf gesäumt sind. Dass hier Kinder spielen, verrät ein grüner Wasserball, der auf einem der Rückhaltebecken schwimmt.

Junge lag rund eine Stunde unter Wasser

Am Montagabend war der Fünfjährige abgerutscht und in das westlichste der drei Rückhaltebecken gerutscht. Danach ging er offenbar sofort unter. Sein Bruder lief nach Hause und berichtete von dem schrecklichen Vorfall. Der Vater rannte zu der mehr als 300 Meter Luftlinie entfernte Unglücksstelle. Die Aufregung war zu viel für ihn. Der 38-Jährige, der bereits herzkrank gewesen sein soll, sackte leblos zusammen. Als wenig später die ersten Rettungskräfte eintrafen, atmete der Mann nicht mehr. Unter Reanimationsbedingungen kam er ins Krankenhaus Harburg. Dort liegt er auf der Intensivstation.

Sein Sohn wurde gegen 21.30 Uhr aus dem Wasser gezogen. Etwa fünf ­Meter­ vom Ufer entfernt, hatten Rettungskräfte ihn am Grund treibend entdeckt. Das waren gut 45 Minuten nachdem der Notruf bei der Feuerwehr eingegangen war. Tatsächlich dürfte der Junge etwa eine Stunde unter Wasser gelegen haben. Das Kind wurde im Rettungswagen von dem mit dem Rettungshubschrauber eingeflogenen Notarzt der Bundeswehr, seinem Team und Feuerwehrleuten reanimiert und dann ins UKE gebracht. Kinder haben normalerweise die besten Chancen, so ein Unglück zu überleben.

2014 war die damals fünf Jahre alte Emelie bei den Landungsbrücken ins Wasser gestürzt. Sie wurde damals nach 30 Minuten entdeckt und aus dem Wasser gezogen. Noch einmal 30 Minuten dauerte es, bis die Reanimation erfolgreich war. Danach lag das Kind im Wachkoma, aus dem es nach drei Monaten erwachte. Ein Jahr nach dem Unglück ging das Mädchen wieder in den Kindergarten.

Rückhaltebecken und Gräben nicht durch Zäune gesichert

Als sich vor fünf Jahren das Unglück mit dem Mädchen ereignete, war es Ende April. Das Wasser der Elbe dürfte kälter gewesen sein als jetzt in dem Rückhaltebecken. Auch das spielt eine Rolle beim Überlebenskampf: Bei kaltem Wasser sinkt der Sauerstoffbedarf von Gehirn und Organen. Die Chance, keine Folgeschäden zu erleiden, ist größer.

Nach dem Unglück an der Straße Am Röhricht ist auch eine Sicherheitsdiskussion aufgekommen. Aus dem Umfeld der beiden Wohneinrichtungen für Flüchtlinge, die in unmittelbarer Nähe liegen, soll gegenüber den Behörden vor den Gefahren, die von den drei Rückhaltebecken für Kinder ausgehen, gewarnt worden sein.

Dazu kommt ein besonders bei Flüchtlingen verbreitetes Problem: „Leider gibt es unter ihnen extrem viele Nichtschwimmer“, sagt Achim Wiese, Sprecher der DLRG, die bei der Suche nach dem Fünfjährigen am Montag ebenfalls im Einsatz war. Im vergangenen Jahr sind 33 Flüchtlinge ertrunken, fünf von ihnen waren Kinder. „Wir wissen, dass von diesen Ertrunkenen die meisten Nichtschwimmer waren“, sagt Wiese. Bei der DLRG versucht man gezielt dagegen anzusteuern. „Wir haben Schwimmkurse speziell für Flüchtlinge. In Hamburg sind mehrere solcher Kurse im vorigen Jahr durchgeführt worden.“

Auch Wassergräben sind eine Gefahr

Ob Sicherungsmaßnahmen, beispielsweise durch Zäune als Hindernis vor den Gewässern in dem Bereich, tatsächlich eine Option sind, muss sich noch zeigen. So sind nicht nur die drei Rückhaltebecken, sondern auch die Wassergräben eine vergleichbare Gefahr. Auf einer Landkarte erscheinen sie als dünner blauer Strich. In der Realität sind es aber breite Bäche mit steil abfallenden Begrenzungen an beiden Seiten, in denen das Wasser fließt und hörbar plätschert. Es würden vermutlich mehrere Tausend Meter Zaun gebraucht, um in der Gegend zu verhindern, dass Kinder dort hineinfallen können.