Hamburg. Er war als Hoffnungsträger zu St. Pauli gekommen, jetzt wechselt der Mittelfeldspieler zum niederländischen Erstligisten Venlo.
Wochenlang wollte er sich lieber nicht zu seiner Situation und Zukunft äußern, doch jetzt brach Richard Neudecker sein selbst auferlegtes Schweigen. Nach dem Ende der USA-Reise des FC St. Pauli sprach der 22-Jährige mit dem Abendblatt über seine Zeit am Millerntor, Höhen und Tiefen und warum er jetzt in den Niederlanden einen Neustart plant.
„Es war eine prägende Zeit. Ich konnte mich trotz mancher Rückschläge sportlich weiterentwickeln. Auch charakterlich bin ich ein Stück weitergekommen und selbstständiger geworden. Allein deshalb hat es sich schon gelohnt“, fasst Neudecker die drei Jahre zusammen. Ein solcher Reifeprozess tritt bei einem jungen Mann vor allem dann ein, wenn nicht alles perfekt läuft.
Bei Neudecker war schon der Start nicht ganz einfach, als er im Sommer 2016 von 1860 München zum FC St. Pauli wechselte. Bei den „Löwen“, die damals noch in der Zweiten Liga spielten, hatte er schon erste Einsätze im Profiteam gehabt, galt als Hoffnungsträger für die Zukunft. Doch der Sinn stand dem in Mühldorf am Inn beheimaten Oberbayern nach Veränderung. Ganz bewusst wollte er weiter weg von seiner Heimat. Da kam das Interesse aus Hamburg gerade recht, allerdings plagte ihn schon in den Wochen vor dem Wechsel eine Schambeinentzündung, die ihn auch in seiner Anfangsphase bei St. Pauli noch am regulären Training hinderte.
„Sportlich hab ich mir das anders vorgestellt“
„2018 war dann das Jahr, was recht gut lief“, sagt Neudecker rückblickend. „Es gab aber ansonsten viele Höhen und Tiefen. Alles in allem bin ich unzufrieden, wie es für mich gelaufen ist. Sportlich habe ich mir das anders vorgestellt. Ich wurde oft von Kleinigkeiten zurückgestoßen und hatte immer wieder mal kleine Verletzungen.“
Nach einem ordentlichen ersten Saisondrittel im Spätsommer und Herbst 2018 war es ein Außenbandriss im Sprunggelenk, der ihn nach dem 1:1 in Regensburg außer Gefecht gesetzt hatte. Davor war er in jedem Spiel im Einsatz gewesen. Danach sah alles ganz anders aus. „Durch die Rückschläge fehlte mir oft das Selbstvertrauen. Auch wenn der Trainer nicht mehr auf einen setzt, ist das so. Auf jeden Fall konnte ich nicht mehr das konstant liefern, was ich wirklich kann“ beschreibt Neudecker seine Gefühlslage. „In diesem Jahr war dann vieles anderes im Kopf, auch was die Zukunftsplanung angeht“, gesteht er.
Angesichts des auslaufenden Vertrages musste eine Entscheidung her. „Der Verein wollte verlängern, ich konnte es mir auch gut vorstellen. Aber nachdem ich in diesem Jahr nicht mehr so viel gespielt hatte, musste ich mir Gedanken machen. Deswegen war es eine sportliche Entscheidung, mich zu verändern. Andere Komponenten waren es nicht.“ Vom 1. Juli an steht er beim niederländischen Erstligisten VVV Venlo für drei Jahre unter Vertrag. „Bei einem kleineren Verein, wo ich größere Chancen habe, mich durchzusetzen.“
„Geld ist nicht das Wichtigste“
Das Geld habe dabei keine Rolle gespielt. „Wir haben finanziell gar nicht verhandelt. Die Gespräche sind rein über das Sportliche gegangen. Es wurden natürlich Zahlen vom Verein vorgelegt, die haben wir aber gar nicht kommentiert, weil ich daran nicht interessiert bin. Geld ist nicht das Wichtigste. Ich muss Spaß haben am Spielen“, verrät er über die Vertragsgespräche mit St. Pauli.
Den Spaß hatte er bei St. Pauli am Ende nicht mehr. „Dass ich nicht auf meiner besten Position spielen konnte, hat dabei eine Rolle gespielt. Ich habe immer wieder mit dem Trainer gesprochen, dass ich gern eine Chance mehr in der Zentrale bekommen würde. Die habe ich aber nie bekommen. Er meinte ganz klar, dass er mich da nicht sieht“, berichtet Neudecker über seine Gespräche mit Markus Kauczinski. „Das hat dazu beigetragen, dass ich gesagt habe: So will und kann ich nicht weitermachen.“
Als Jos Luhukay Mitte April Kauczinski ablöste, gab es kaum noch einen Weg zurück „Ich denke, dass Jos meine Spielart mag. Aber weil ich verletzt war, konnte er sich nicht mehr für mich so einsetzen. Ich denke aber, es ist ein Trainer, der den Verein auf jeden Fall nach vorne bringt“, sagt Neudecker über St. Paulis neuen Coach.
Von seiner neuen sportlichen Heimat verspricht er sich nun einiges. „Die Erste Liga in den Niederlanden ist vergleichbar mit der Zweiten Bundesliga bei uns. Aber es ist mehr spielerisch, es kommt weniger über die Zweikämpfe und mehr über das Fußballerische. Ich hoffe, dass mir das entgegenkommt“, sagt Neudecker. Sein Fazit aus der Zeit in Hamburg fällt dennoch positiv aus: „Es waren trotz allem geile drei Jahre“, sagt er.