Hamburg, Bremerhaven. An Pfingsten sollen an der Elbe rund 500 Babys, Kinder, Jugendliche und Erwachsene das Sakrament empfangen.
In weißen Gewändern waten Menschen ins hüfthohe Wasser, lassen sich nach hinten in den Arm eines Begleiters fallen, kommen tropfnass wieder hoch – und sehen danach in der Regel glücklich aus. Der uralte Ritus der christlichen Taufe wurde nach den biblischen Berichten zum ersten Mal an Pfingsten gefeiert: Petrus taufte in Jerusalem am Pfingstfest 3.000 Menschen. Darum gilt Pfingsten nicht nur als Geburtstag der Kirche, sondern auch als beliebtes Datum für Taufen – und in immer mehr Fällen auch für Feste in großem Rahmen.
In Hamburg wird für Pfingstsonnabend das vermutlich größte Tauffest in der Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland geplant: Unter dem Motto "Moin Welt!" sollen am Elbstrand rund 500 Babys, Kinder, Jugendliche und Erwachsene getauft werden. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, die bei dem Fest mitwirken wird, freut sich über die hohe Zahl der Anmeldungen. Es zeige, dass es sich lohne, Eltern bewusst auf die Taufe ihrer Kinder anzusprechen, sagte sie: "Viele Mütter und Väter waren dafür geradezu dankbar."
Fehrs: "Der große Rahmen kann helfen"
Die traditionelle Einzeltaufe in der Kirche sei aber nicht aus der Mode gekommen, erklärte Fehrs. Auch hier sehe sie aber einen Trend, diese Gottesdienste für die Familien außergewöhnlich zu gestalten.
Das geplante Tauffest biete gerade für Hamburger Eltern etwas Besonderes, die ihr Kind in der Elbe taufen lassen wollten. Und noch aus einem anderen Grund sei das Fest am Ufer attraktiv, sagt die Bischöfin: "Der große Rahmen hilft denen, die mit der traditionellen Familienfeier Schwierigkeiten haben – in Konflikt- und Trennungssituationen zum Beispiel."
"Seismograph gesellschaftlicher Veränderungsprozesse"
Der Trend ist unübersehbar: Von der Ostsee-Bucht über die Northeimer Seenplatte, vom Darmstädte Badesee Woog bis zum Chiemsee und an den Isar-Strand – überall wird im großen Stil in der Natur getauft, nicht nur zu Pfingsten. In Bremerhaven findet in diesem Jahr bereits das fünfte ökumenische Tauffest statt. Direkt am Weserufer werden am 30. Juni 13 improvisierte Tauforte aufgebaut – getauft wird mit den Füßen im Wasser.
Bei den Teilnehmern der Tauffeste kämen verschiedene Milieus, Familienformen sowie unterschiedliche Grade von Kirchenbindung zusammen, erklärt Regina Sommer. Die Theologin leitet das Ausbildungsdezernat im Kasseler Landeskirchenamt und ist Professorin an der Universität Marburg. Sie hat das neue Phänomen untersucht. Gemeinsam mit ihrer Professoren-Kollegin Ulrike Wagner-Rau kommt sie zu dem Schluss, die kirchliche Taufpraxis sei geradezu ein "Seismograph gesellschaftlicher und kirchlicher Veränderungsprozesse".
Zwar sei für die überwiegende Mehrheit der Evangelischen in Deutschland die Taufe ihrer Kinder noch selbstverständlich, doch vor allem bei jüngeren Mitgliedern lasse sich eine deutlich geringere Taufbereitschaft erkennen als noch vor zehn Jahren, erklärt Sommer. Diese der Kirche eher Fernstehenden bräuchten eine Einladung zur Taufe, die die Möglichkeit einer Annäherung biete. Tauffeste seien gerade für diese Zielgruppe interessant. Dabei sei Gemeinschaft ein wichtiges Motiv: "Viele wollen, dass ihr Kind auch zur großen Familie gehört", sagt Sommer.
Freikirchliche Sonderform hat sich etabliert
Etwas Besonderes ist die Ganzkörpertaufe, ob im Fluss oder im Schwimmbad. In den evangelischen Landeskirchen galt sie lange Zeit als freikirchliche Sonderform, nun findet sie sich auch in Teilen der Amtskirche als Alternativangebot: So wie Jesus im Jordan taucht der "alte Mensch" ganz unter und steht als "neuer Mensch" wieder auf. "Immersionstaufe" nennen Theologen diese vor allem bei Baptisten und in der orthodoxen Kirche übliche Taufform.
In der Württembergischen Landeskirche ist die Ganztaufe für jugendliche und erwachsene Täuflinge seit Januar 2019 offiziell möglich. Diese neu eingeführte Form der Taufe orientiere sich an der frühchristlichen Taufpraxis und solle vor allem bei Taufen im Freien an einem fließenden Gewässer durchgeführt werden, heißt es in den Texten zur Taufe. Ende April stiegen in Stuttgart zwei Kinder und zwei Erwachsene zur Taufe in einen Pool.