Hamburg. Die 24 Jahre alte Angeklagte hatte eingeräumt, an den Schüssen auf den Rockerboss beteiligt gewesen zu sein – angeblich unwissentlich.
Im Prozess um die Schüsse auf einen Rockerboss auf St. Pauli hat ein Teilgeständnis die für Dienstag geplanten Plädoyers verzögert. Die 24 Jahre alte Angeklagte hatte bereits in der Sitzung zuvor über ihren Verteidiger erklärt, sie habe am 26. August vergangenen Jahres das Auto gefahren, aus dem heraus auf den Hells Angel geschossen wurde. Sie habe aber nicht gewusst, was der Täter vorgehabt habe, als er bei ihr eingestiegen sei. Sie kenne den Schützen nicht. Nun müssen Staatsanwaltschaft und Gericht prüfen, ob die Angaben der Angeklagten strafmildernd sein könnten.
Der 24-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Mord und schwere Körperverletzung als Mittäterin vor. Ihr Freund ist wegen Anstiftung zu der Tat angeklagt. Der 28-Jährige gehörte einst den Mongols an, einer mit den Hells Angels verfeindeten Rockergruppe. Zur Tatzeit saß er wegen Drogen- und Waffendelikten im Gefängnis.
Hells-Angels-Boss mit fünf Schüssen schwer verletzt
Der damals 38 Jahre alte Hells Angel war durch die Schüsse am Millerntor schwer verletzt worden, als er mit seinem weißen Bentley an einer roten Ampel stand. Wer die fünf Schüsse abgab, ist unklar. Der Anschlag war nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Racheakt. Gut zwei Jahre zuvor war das Paar Opfer eines ähnlich heimtückischen Überfalls im Stadtteil Schnelsen geworden. Dabei waren die beiden Angeklagten schwer verletzt worden, die Frau sogar lebensgefährlich. Diese Tat konnte bislang nicht aufgeklärt werden, aber die Angeklagten sollen den Hells Angel verantwortlich gemacht haben.
Die Staatsanwaltschaft gab nach dem Teilgeständnis bislang unbekannte Passagen aus einem abgehörten Gespräch der beiden Angeklagten bekannt, in dem sie sich offenbar über den Schützen unterhalten. In der Aufnahme fragt der 28-Jährige: "Ach sieht der so gefährlich aus?" Und die 24-Jährige antwortet: "Nein, der sieht aus wie ein Obdachloser."
Empörte Verteidiger sprechen von skandalösem Prozedere
Ferner wurde bekannt, dass die Polizei auf der Suche nach dem Schützen bereits gegen drei Bulgaren ermittelte, die in Hamburg wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung von Scheckkarten und Computerbetrugs verurteilt wurden. In einem Aktenvermerk der Polizei zu Verbindungsdaten, die der Vorsitzende Richter verlas, tauchte mehrfach eine bulgarische Telefonnummer auf.
Die Verteidiger reagierten empört, dass die Staatsanwaltschaft erst jetzt die nach ihrer Ansicht relevanten Informationen offenlegte. Kriminalbeamte hätten als Zeugen vor Gericht nicht vollständig ausgesagt. Das Prozedere sei skandalös. Die Staatsanwältin erklärte, sie habe Verständnis für den Unmut. Aber bis zum Teilgeständnis der angeklagten 24-Jährigen habe es keine Pflicht gegeben, Einzelheiten aus den Ermittlungen zum unbekannten Schützen preiszugeben. Es sei ein Spagat, dieses andere Verfahren nicht zu gefährden.
Plädoyers auf kommende Woche verschoben
Nun soll die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer am 29. Mai halten. Es müsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragen werden, sagte der Gerichtssprecher. Grund sei ein Gutachten zum Zustand des Opfers, das ebenfalls in nicht öffentlicher Sitzung vorgestellt worden sei.